54 Jahre nach Schalke-Duell
Ein Autogramm vom ersten Kapitän des SC Idar-Oberstein
Nach 54 Jahren: Manfred "Kicker" Müller unterschreibt auf der Eintrittskarte von Herbert Eli (unten) für das Fusionsspiel des SC Idar-Oberstein gegen Schalke 04.
Sascha Nicolay

Es ist mal wieder Zeit für die Nachspielzeit - und eine Zeitreise zurück ins Jahr 1971. Transportmittel ist eine bald 54 Jahre alte Eintrittskarte von Ex-Bundesliga-Schiedsrichter Herbert Eli aus Enzweiler.

Das Oberligaspiel des SC Idar-Oberstein gegen den SV Auersmacher geriet am Samstag kurz zur Nebensache, denn Herbert Eli hatte einen echten Schatz mit in den „Haag“ gebracht. Der frühere Bundesliga-Schiedsrichter aus Enzweiler, seit bald drei Jahrzehnten treuer Anhänger des SC, hatte beim Aufräumen und Kramen zu Hause eine Eintrittskarte gefunden. Natürlich nicht irgendeine Eintrittskarte, sondern ein Ticket für die Partie des SC Idar-Oberstein gegen den FC Schalke 04. Am 1. Mai 1971 fand dieses Freundschaftsspiel statt – und Herbert Eli war die Besonderheit und die Bedeutung der Partie gar nicht mehr bewusst.

Das Ticket zum ersten Spiel des SC Idar-Oberstein überhaupt. 8:2 gewann der FC Schalke 04 "auf Klotz" wenige Wochen, bevor der Bundesligaskandal publik wurde.
Sascha Nicolay

Dieses Spiel hatte sich der SC Idar-Oberstein vor fast genau 54 Jahren quasi selbst geschenkt. Es war die erste Partie überhaupt, die das heutige Aushängeschild des Fußballkreises Birkenfeld austrug. Es war das sogenannte Fusionsspiel der Sportvereinigung Idar und des 1. FC 07 Idar – oder anders ausgedrückt, es war die erste Partie des neu ins Leben gerufenen SC Idar-Oberstein. Etwa sechs Wochen vorher hatte Walter Hamscher als Sitzungspräsident die Fusionsversammlung in der Idarer Turnhalle geleitet. 252 Mitglieder der Spvgg und des FC stimmten dem Zusammenschluss einstimmig zu und wählten Konrad Gerber zum 1. Vorsitzenden und Manfred Leyser zum 2. Vorsitzenden. Und auch ein 3. Vorsitzender musste gefunden werden. Die Mitglieder votierten für Manfred „Kicker“ Müller, der mit seinen damals 30 Jahren noch aktiver Spieler war und außerdem den neuen Trainer, den 1954er Weltmeister Horst Eckel, gemeinsam mit Günter Dietrich, als Spielausschuss unterstützte.

„Klar, da habe ich dem Burdenski einen in den Winkel gehauen.“
Manfred „Kicker“ Müller erinnert sich gut an das Fusionsspiel

Manfred Müller ist dem SC Idar-Oberstein bis heute eng verbunden. Auch am Samstag gegen Auersmacher war er im „Haag“, und als ihm Herbert Eli auf der Tribüne seine Eintrittskarte aus dem Jahr 1971 entgegen schwenkte und wissen wollte, ob er sich an die Partie gegen Schalke erinnere, da grinste „Kicker“ nur und meinte lakonisch: „Klar, da habe ich dem Burdenski einen in den Winkel gehauen.“

Eigentlich gab es den SC noch nicht im Spielbetrieb an jenem 1. Mai 1971. Noch mussten die Spvgg und der FC ihre Runde beenden, aber beim Fusionsspiel kämpften die beiden erstmals Traditionsvereine gemeinsam – und Manfred Müller lief an der Spitze der Mannschaft „auf Klotz“ als Kapitän ein. 4500 Zuschauer sahen zu, wie „Kicker“ die Wimpel mit Schalkes Kapitän Reinhard „Stan“ Libuda tauschte, und sie hätten sich köstlich amüsiert, wenn sie mitbekommen hätten, was der Schalker Nationalspieler zu Müller sagte: „’Scheiß Hartplatz’, hat er geschimpft“, lacht Müller. Niemand im Publikum ahnte da außerdem, dass die Schalker zwei Wochen zuvor das Bundesligaspiel in der heimischen Glückauf-Kampfbahn gegen Arminia Bielefeld verschoben und absichtlich 0:1 verloren hatten. Der „Bundesliga-Skandal“ kam erst ein paar Wochen später ans Licht.

Skandal-Schalker gewinnen 8:2 „auf Klotz“

Es war aber auch nicht das Wochenende der Schalker, denn am Tag vor dem Auftritt auf Klotz, an „Hexennacht“ 1971, hatten sie auf dem Betzenberg gegen Kaiserslautern zwei Gegentore von Idriz Hosic und Otto Rehhagel (per Elfmeter) eingesteckt und waren als 0:2-Verlierer vom Feld gegangen. Die Übernachtung im Waldhotel in Kirschweiler, wo Manfred Müller gerade ein Haus baute, schien den Gelsenkirchenern aber gut getan zu haben. Trotz ihrer Aversion gegen die „rote Erde“ boten sie „auf Klotz“ ein gutes Spiel. 8:2 siegten die Knappen. „Ich habe gegen Heinz van Haaren gespielt“ weiß Manfred Müller noch zu berichten, „und ich musste viel laufen, meistens ihm hinterher.“ Doch das eine oder andere Mal zeigte „Kicker“ auch dem Niederländer, was eine Harke war.

Zum Beispiel in der Schlussminute, als ihm das zweite SC-Tor zum 2:8 gelang. Allerdings weist der Bericht der Nahe-Zeitung vom 3. Mai 1971 Peter „Wasser“ Conradt als Schützen dieses Treffers aus, doch Manfred Müller ist sich seiner Sache sicher: „Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich habe genau in den Winkel getroffen. Gegen den unlängst verstorbenen Dieter Burdenski, der später immerhin zum Nationaltorwart wurde. So was vergisst man natürlich nicht.“ Den anderen SC-Treffer erzielte Klaus Frühauf. Herbert Eli war als Zuschauer bestimmt begeistert und ahnte wohl noch nicht, dass er nur ein paar Wochen später selbst „auf Klotz“ auflaufen würde.

Herbert Eli stand beim ersten Punktspiel des SC Idar-Obestein als Gegner auf dem Platz

Herbert Eli hatte zu der Zeit seine Schiedsrichterlaufbahn nämlich noch nicht gestartet und schnürte für den VfL Enzweiler die Fußballstiefel. Der Verein war gerade in die 2. Amateurliga aufgestiegen und dort – am 1. Spieltag der Saison 1971/72 – der erste Gegner des SC Idar-Oberstein war. Eli, ein ausgezeichneter Spieler, stand also auf dem Feld, als der frisch aus der Taufe gehobene SC sein erstes Punktspiel bestritten hat.

Besonders gut war dieses Derby wohl nicht – es hatte eher was vom SC-Auftritt am Samstag gegen Auersmacher -, es verlief für die Idarer aber genauso erfolgreich. 2:0 bezwang der SC den VfL Enzweiler. „Sommerfußball“ hätten beide Mannschaften geboten, notierte die Nahe-Zeitung. Jürgen „Stibbi“ Galle erwischte VfL-Torwart Wolfhard Schittek, den Sohn des legendären Schiedsrichters Helmut Schittek, auf dem falschen Fuß und erzielte so das 1:0, Klaus Förster entschied die Partie vor 800 Zuschauern mit seinem 2:0 kurz vor Schluss.

Eine wertvolle Signatur: Das Autogramm des ersten Kapitäns des SC Idar-Oberstein, das Autogramm von Manfred "Kicker" Müller. Die Unterschrift ist drei Tage alt - die Eintrittskarte 54 Jahre.
Sascha Nicolay

Manfred Müller lief in dieser Saison nicht mehr allzu oft für den SC Idar auf. Als Teil des Spielausschusses musste er andere Aufgaben erfüllen. „Günter Dietrich und ich haben die Mannschaft aufgestellt. Horst Eckel wollte das nicht machen. Wir mussten auf den strikten Proporz in der Mannschaft achten“, erzählt Manfred Müller und erklärt: „In der einen Woche sollten fünf Spieler von der früheren Spvgg und sechs des früheren 1. FC Idar aufgestellt werden, und in der Woche darauf sollte es umgekehrt sein. Unglaublich war das.“ Das führte dazu, dass „Kicker“ weitgehend auf eigene Einsätze in der ersten Mannschaft des SC Idar-Oberstein verzichtete. „Ich habe gesagt, dass die Jungen spielen sollen“, erklärt er lachend.

Doch beim allerersten Spiel des SC Idar-Oberstein überhaupt war „Kicker“ Kapitän und Torschütze. Als Spielführer ist er sozusagen der Urahne von Flavius Botiseriu, der heute die SC-Binde trägt. Grund genug für Herbert Eli, den Altmeister um ein Autogramm zu bitten. „Und so unterschrieb Manfred „Kicker“ Müller am Samstag im Haag auf jener legendären Eintrittskarte – knapp 54 Jahre, nachdem sie Hebert Eli Zutritt zur Fusionspartie SC Idar-Oberstein gegen FC Schalke 04 verschafft hatte.

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