Nachspielzeit
Benny Früh setzt seinen guten Ruf aufs Spiel: Vertragsauflösung beim VfR Baumholder ist fatales Zeichen
Sascha Nicolay
Sascha Nicolay
Jens Weber. MRV

Genau in jenem Moment, als Almamy Touré in der Luft hing und den 1. FC Kaiserslautern mit einem akrobatischen Schuss 1:0 gegen Hertha BSC Berlin in Führung brachte, ploppte auf meinem Smartphone eine Nachricht auf. Ein Freund hatte geschrieben, dass Benny Früh seinen Vertrag beim VfR Baumholder aufgelöst habe.

„Wahnsinn“, habe ich gedacht und sowohl den FCK-Treffer als auch Frühs Entscheidung gemeint. Mein zweiter Gedanke war: „Das kann er doch nicht machen“ – und der bezog sich natürlich nur auf den VfR-Coach.

Kein Verständnis für den Schritt

Ich habe dann – nachdem Matthias Dingert, der Abteilungsleiter des VfR Baumholder, den Entschluss des Coaches bestätigt hatte – lange mit Benny Früh telefoniert. Dabei hat er seine Gründe erklärt, warum er den Vertrag beim VfR aufgelöst hat und zu einem anderen Verein wechseln will. Dass dieser andere Klub Wormatia Worms sein wird, hat er mit dem Hinweis auf die noch ausstehende Vertragsunterschrift nicht bestätigt. Nach dem Gespräch kann ich Benny Frühs Beweggründe verstehen – Verständnis für den Schritt habe ich allerdings nicht. Ich halte in sogar ganz im Gegenteil für ein fatales Zeichen eines Trainers.

VfR an einer Grenze – Benny Früh nicht

Man muss dabei klar festhalten, dass Benny Früh und der VfR Baumholder nicht zusammengepasst haben. Das bezieht sich nicht auf das Sportliche. Benny Früh hat handwerklich einen klasse Trainerjob in Baumholder gemacht. Er hat es mit Trainingsarbeit und taktischem Geschick hinbekommen, dass der VfR ins neue Jahr mit der Chance auf den Klassenverbleib gehen kann. Diese Leistung der Mannschaft mit dem Trainer an der Spitze ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Angesichts von wahrscheinlich sieben Absteigern ist sie beinahe eine Sensation. Aber Benny Früh möchte in der Oberliga deutlich professioneller arbeiten als es beim VfR Baumholder möglich ist.

Benny Früh war und ist bewusst, dass die Baumholderer in ihren Möglichkeiten beschränkt sind. Er machte das dem VfR, den Verantwortlichen und seinen Spielern auch nicht zum Vorwurf. Früh ist auch klar, dass die meisten anderen Oberliga-Vereine strukturell nicht so viel anders aufgestellt sind als der VfR. In seinen Augen bewegt sich der VfR Baumholder – die Mannschaft, der ganze Verein – in der Oberliga an der Grenze. An einer Grenze, die Früh für sich selbst allerdings noch nicht als solche definiert hat.

VfR Baumholder als Karrierevehikel

Benny Früh hat – auch wenn er es selbst in Abrede stellt – für sich einen Karriereplan als Trainer. Zumindest in die Regionalliga soll es gehen. Daraus hat er im Prinzip auch nie einen Hehl gemacht – auch der VfR hat das gewusst. Der VfR Baumholder war für Benny Früh ein Vehikel, um im hochklassigen Amateurfußball Fuß zu fassen und zu einem größeren, ambitionierteren Klub zu gelangen. Auch das ist nicht schlimm, denn der VfR Baumholder hat ja von der offensichtlich guten Trainerarbeit profitiert. Alles wäre gut gewesen, wenn Benny Früh eine komplette Saison lang durchgehalten hätte.

Dass die Zusammenarbeit zwischen dem VfR und dem Coach nicht mehr als ein Jahr dauern würde, war zu erahnen, als Benny Früh deutlich machte, dass er die abgelaufene Halbserie erst analysieren müsse, um entscheiden zu können, ob eine Vertragsverlängerung für ihn in Frage komme. Und ziemlich schnell dürfte für den Trainer festgestanden haben, dass er das Kapitel VfR Baumholder am Ende der Saison schließen würde.

Eine vielleicht einmalige Chance?

Ob die Möglichkeit, nach Worms zu gehen, während seiner Entscheidungsfindung rund um den VfR oder erst danach aufgeploppt ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist aber, dass Benny Früh durch das Angebot der Wormatia plötzlich etwas zu verlieren hatte – nämlich eine ungeahnt schnelle Chance, Coach (egal, ob als Ko- oder Cheftrainer) bei einem Top-Oberligisten zu werden, der jederzeit Ambitionen anmelden kann, in die Regionalliga aufzusteigen. Für Benny Früh war also sein grundsätzliches Trainerziel zum Greifen nah. Vielleicht empfand er das Angebot sogar als einmalige Chance. Wenn er nicht zugegriffen hätte, dann hätte die Wormatia womöglich einen anderen Kotrainer verpflichtet. Vielleicht wäre er in ein paar Monaten auch gar nicht mehr so interessant gewesen, zum Beispiel, weil er mit dem VfR Baumholder abgestürzt oder gar wegen Erfolgslosigkeit entlassen worden wäre. Fußball ist schließlich schnelllebig.

Für mich war es die beste Entscheidung, auch wenn ich weiß, dass sie es für den VfR Baumholder nicht war

Benny Früh

Benny Früh glaubte also, eine Entscheidung treffen zu müssen. Eine Entscheidung entweder für sich und seine Trainerkarriere oder eine im Sinne des VfR Baumholder. Dem Coach war die Schwierigkeit bewusst – ihm etwas anderes zu unterstellen, wäre nicht seriös . In diesem Kontext muss auch sein Satz – „für mich war es die beste Entscheidung, auch wenn ich weiß, dass sie es für den VfR Baumholder nicht war“ – verstanden werden. Früh entschied egoistisch – und machte damit einen Fehler. Und zwar einen schweren!

Früh hat seine Vorbildfunktion geopfert

Trainersein bedeutet nämlich nicht nur, dass Handwerk zu beherrschen, zu wissen wann, wie, wo, welche Taktik, welches System anzuwenden ist oder auf welcher Position ein Spieler am besten aufgehoben ist und wie er zu maximaler Leistungsfähigkeit gebracht werden kann. Der wahrscheinlich entscheidende Faktor für einen Trainer ist die Glaubwürdigkeit. Doch wie glaubwürdig ist ein Coach, der seine Mannschaft trimmt, sie auf Ziele einschwört, ihr Verhaltensweise abverlangt und vollen Einsatz fordert und dann an der ersten Kreuzung das Team sitzen lässt und einfach einen anderen Weg einschlägt?

Bedenkliches Handeln von Wormatia Worms

Trainer sollten ein Wertegerüst haben, sie sollten glaubwürdig, verantwortungsbewusst, loyal und verlässlich sein. Sie sollten ein Vorbild sein. Benny Früh ist dieser Vorbildfunktion nicht gerecht geworden. Er hat sie geopfert für einen Verein, dem ein Wertegerüst ganz offensichtlich auch völlig gleichgültig ist. Denn auch das Handeln von Wormatia Worms ist bedenklich. Es darf nicht einfach als Mechanismus des Geschäfts durchgehen, wenn ein Verein mitten in der Saison einem Konkurrenten in der gleichen Liga, den Trainer abspenstig machen möchte.

Ob nun die Wormatia offensiv an Benny Früh herangetreten ist oder sich das Angebot im vertraulichen Gespräch zwischen Benny Früh und dem Wormser Chefcoach Peter Tretter, den Früh bekanntlich schätzt, entwickelt hat, ist unwichtig. Ein freiwilliger Winterwechsel eines Trainers ohne Not sollte ein Tabu sein. Weil Benny Früh dieses Tabu gebrochen hat, steht er nun in Baumholder als karrieregeiler Egoist da. Ein Attribut, das dem Coach sicherlich nicht gerecht wird, das er aber offensichtlich in Kauf nimmt.

Hoher Preis für eine fragwürdige Verbesserung

Benny Früh hat mit seiner Entscheidung, den Vertrag beim VfR Baumholder mitten im Abstiegskampf zu lösen und seine Mannschaft im Stich zu lassen, seinen Ruf aufs Spiel gesetzt. Das ist ein ziemlich hoher Preis für eine fragwürdige sportliche Verbesserung. Fragwürdig deshalb, weil es gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass Benny Früh in der nächsten Saison wieder in Baumholder auf der Bank sitzt – dann allerdings als Kotrainer des VfR-Gegners.

VfR Baumholder zeigt Größe und Klasse

Blieben zum Schluss noch zwei wichtige Dinge – nämlich der öffentliche Umgang des VfR Baumholder mit der Vertragsauflösung seines Trainers und die Reaktion des Vereins darauf. Beides ist nämlich geradezu vorbildlich. Ohne Zweifel hat man sich auch beim VfR geärgert und war enttäuscht. Die Verantwortlichen haben es aber geschafft, keine schmutzige Wäsche zu waschen, sondern die Trainerarbeit von Benny Früh zu loben. Das hat Größe!

In das Lob hat der VfR Baumholder auch den Anteil des bisherigen Kospielertrainers Sascha Hammann verpackt. Dass der Verein diesen Anteil nicht gering schätzt, beweist der VfR Baumholder damit, Sascha Hammann das Vertrauen als Coach bis mindestens zum Ende der Saison auszusprechen. Die Baumholderer sind also keine hektische Trainerneuverpflichtung angegangen, sondern sie sind einfach logisch vorgegangen. Wenn der Chef nicht mehr will, dann rückt eben der Stellvertreter zum Boss auf. Das ist gelebtes Vertrauen – in Sascha Hammann, aber eben auch in den eigenen Weg. Und das hat wirklich Klasse!

E-Mail: sascha.nicolay@rhein-zeitung.net

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