Sind Sie, liebe Leser, auch gerade Fan der deutschen U21-Nationalmannschaft? Am Samstag kann das Team bekanntlich Europameister werden. Es kann klappen, wenn Trainer Antonio Di Salvo die richtige Taktik und Aufstellung wählt, wenn Paul Nebel auf der linken Seite wieder Vollgas gibt, wenn Noah Atubolu wieder in den Spuren Manuel Neuers wandelt – und natürlich, wenn „Big Nick“ Woltemade wieder ins Schwarze trifft.
Dass dieses Quartett Schlüsselrollen einnimmt, ist für einen echten Nahe-Fußball-Fan kein Wunder, schließlich hat es seine Spuren auch schon in Idar-Oberstein, im Haag, im heutigen Hans-Dieter-Krieger-Stadion hinterlassen. Im Falle der Spieler ist das gerade etwas mehr als sechs Jahre her – im Falle des Trainers nahezu schon 26.
„Big Nick“ spielte den vorletzten Ball, Paul Nebel bereitete vor
Aber fangen wir mit den drei Akteuren an. Das Trio gehörte zum Kader der deutschen U-17-Nationalmannschaft, die am 20. März 2019 im Haag ein Qualifikationsspiel gegen Weißrussland absolvierte. Die Partie wurde damals um 12 Uhr am Mittag vor 2022 Zuschauern angepfiffen und endete mit einem leicht enttäuschenden 1:1. Keeper Noah Atubolu testete dabei vor allem die Sitze der Ersatzbank. Die heutige Nummer 1 der U21 und des SC Freiburg war vor sechs Jahren unter Michael Feichtenbeiner in der U17 nur Nummer 2. Tim Schreiber (heute Dynamo Dresden) hütete die Kiste im Haag.
Nick Woltemade eilte schon damals ein Ruf wie Donnerhall voraus. In Idar-Oberstein hatte es der Schlaks, der damals für Werder Bremen kickte, aber ziemlich schwer. Das Führungstor der Deutschen bereitete „Big Nick“ allerdings mit vor. Der Angreifer, der aktuell für den VfB Stuttgart und bald womöglich für Bayern München stürmt, ließ technisch stark einen langen Ball von Keeper Schreiber nach links in den freien Raum tropfen.
Und dort kam Paul Nebel angerast. Damals wie heute trug er das Trikot des 1. FSV Mainz 05. Im Haag hatte er die deutsche U17 als Kapitän auf den Rasen geführt. In jener 8. Minute vor sechs Jahren nahm er Woltemades Zuspiel auf, drang mit Tempo in den Strafraum und legte quer – auf einen Akteur, der gerade mit Borussia Dortmund in den USA bei der Klub-WM weilt. Karim Adeyemi war mitgeeilt und drückte die Kugel zum 1:0 über die Linie.
Die Wasserschlacht gegen den SC Paderborn
Der Treffer war ähnlich leicht zu erzielen wie jener, den der SC Paderborn zwei Jahrzehnte zuvor im Haag bejubelt hatte. Womit wir beim Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft wären. Antonio Di Salvo gehörte nämlich am 24. Oktober 1999 dem Sturmtrio des SC Paderborn an, das es dem SC Idar-Oberstein im Haag am 14. Regionalliga-Spieltag vor 700 Zuschauern ziemlich schwer machte. Dirk Schmell, Torsten Müller und Thorsten Schäfer – die Innenveteidigung des SC damals – hatte jedenfalls ihre liebe Mühe mit Jaroslav Macak, Cyrille Bella und eben Antonio Di Salvo.
Wobei – eine knappe Stunde lang haben es die SC-Jungs richtig klasse gemacht. Ich weiß es genau, denn ich habe dahinter im Kasten gestanden und hatte trotz der Paderborner Klasse recht lange einen ruhigen Sonntagnachmittag. „Batschnass“ bin ich geworden, denn das Duell mit den Paderbornern war das, was man eine Wasserschlacht nennt. Der viel zu früh verstorbene Erwin Berg trainierte den SC damals noch, und wir waren guter Dinge, denn wir hatten eine Woche zuvor bei Eintracht Trier 1:0 gewonnen. Es war der erste Sieg des SC in der drittklassigen Regionalliga. Ich erinnere mich auch gut daran, dass wir drauf und dran waren, an diesen Sieg anzuknüpfen, denn wir waren besser – hatten sogar eine Riesenchance zur Führung. Christian Schwinn, heute kommissarischer Vorsitzender, knöpfte nämlich ausgerechnet Antonio di Salvo die Kugel ab, spielte auf „Lato“ Krzysztof Maslanka – und der bediente Carsten Schneider. Der Vater von Henri Schneider, der beim SC gerade die Vorbereitung auf die nächste Oberliga-Saison absolviert, hatte das 1:0 auf dem Fuß, scheiterte aber am Paderborner Keeper Christian Maly.

Wir waren echt gut drin im Spiel und hätten bestimmt gewonnen – wenn da nicht diese zehn Minuten gewesen wären. Zwischen der 54. und 64. Minute hat uns der SC Paderborn nämlich abgeschossen. Bella schnürte einen Doppelpack – und dann fiel die Kugel auch Antonio Di Salvo vor die Füße, der ein paar Monate später das tat, was sein heutiger U21-Nationalmannschaftsangreifer Nick Woltemade gerade überlegt. Er wechselte zum FC Bayern München. Für die Bayern machte er dann immerhin sechs seiner hundert Bundesligaspieler. Di Salvo war übrigens tatsächlich ein großartiger Spieler, vor 26 Jahren gehörte er zweifellos zu den Besten, die sich in der Regionalliga tummelten. Sein Treffer im Haag hatte aber höchstens etwas mit Instinkt zu tun. Di Salvo stand einfach richtig und drückte die Kugel aus drei Metern zum 3:0-Endstand für den SC Paderborn über die Linie.
Ich bin sehr sicher, dass ich Antonio Di Salvo damals ziemlich unwirsch angeschaut habe – ich konnte ja nicht wissen, dass er mal ein gefeierter Trainer werden wird, und Gegentore haben mich eben übellaunig gemacht. Aber am Samstagabend drücke ich ihm, Nick Woltemade, Paul Nebel und Noah Atubolu natürlich trotzdem die Daumen, weil Torwart bin ich schon lange nicht mehr – dafür gerade Fan der deutschen U21...