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Gründung des Sportverbandes Mittelrhein: Vor 75 Jahren gelang der Durchbruch

Von Klaus Wissgott
Packendes Finish auf einer Laufbahn, die es längst nicht mehr gibt: Beim Kreisjugendfest anlässlich der Einweihung des Birkensportplatzes in Staudt gewinnt Heribert Michels vom SV Staudt am 21. August 1949 den 100-Meter-Endlauf der Senioren.
Packendes Finish auf einer Laufbahn, die es längst nicht mehr gibt: Beim Kreisjugendfest anlässlich der Einweihung des Birkensportplatzes in Staudt gewinnt Heribert Michels vom SV Staudt am 21. August 1949 den 100-Meter-Endlauf der Senioren. Foto: privat/Archiv SV Staudt

Vor 75 Jahren, genauer am 11. November 1945, wurde in Bad Ems der Sportverband Mittelrhein gegründet. Knapp ein Jahr später, am 3. August 1946, trafen sich die Delegierten der damaligen Sportvereine erneut im Bad Emser Kurhaus. Anlass war der der erste Jahrestag des Sportverbandes Mittelrhein. Engelbert Frauenkron (Bad Ems) wurde erneut zum Verbandsvorsitzenden gewählt.

Lesezeit: 1 Minute
Der damalige Sportchef der Koblenzer Rhein-Zeitung, Wolfgang Hocke (Lahnstein), schrieb in der Ausgabe vom 5. August 1946 unter anderem: „Mit über 600 Vereinen stellte der Verband damit die größte Organisation aller Zonen.“ Dazu muss man allerdings wissen, dass die französische Besatzungsmacht im Jahre 1946 die Neugründung von Sportvereinen erlaubte. Die ...
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Als der SV Staudt eine Macht im Rheinland war

Staudt. Um so manchen Namen aus der Region, der einst für Schlagzeilen gesorgt hat, ist es eher ruhig geworden. So blickt auch der SV Staudt auf eine ruhmreiche Historie zurück. In der Leichtathletik glänzte der Verein weit über den Westerwald hinaus. Vor einigen Jahren haben sich der Staudter Holger Keil und sein inzwischen verstorbener Onkel Hans-Dieter Haberstock daran gemacht, die Geschichte des SV Staudt und insbesondere der Leichtathleten im Verein aufzuarbeiten.

Nach Anfängen in den 1920er-Jahren gelang den Staudtern der Durchbruch nach Ende des 2. Weltkriegs. Zwar waren mehrere Gefallene und Vermisste aus dem Krieg zu verkraften, sodass der Verein nur noch 38 Mitglieder zählte. Doch an Zusammenhalt mangelte es nicht in dieser Zeit. Am 4. Oktober 1945 nahm der Turn- und Spielverein 07 seine Tätigkeit wieder auf, die Anpassung auf den Vereinsnamen SV Staudt erfolgte am 20. März 1947.

Den ersten großen Wettkampf absolvierten die Staudter Leichtathleten am 1. September 1946 bei den Verbandsmeisterschaften in Koblenz. Heribert Michels, Erhard Fries, Antonius Görg und Karl Weber II lieferten auf Anhieb gute Resultate ab und sorgten bei Schriftführer Ludwig Heibel für Begeisterung. „Der Verein ist stolz auf diese großartige Leistung (…), da wir als einziger ‚Westerwaldverein’ gegen die Elite des Mittelrheins zu kämpfen hatten. Dieser erste Erfolg soll uns Ansporn zu neuen ruhmvollen Taten sein“, schrieb er.

Nach einer Siegerehrung wurden die beiden Staudter Athleten Werner Meurer und Berthold Müller umringt von ihren Läuferkollegen.
Nach einer Siegerehrung wurden die beiden Staudter Athleten Werner Meurer und Berthold Müller umringt von ihren Läuferkollegen.
Foto: privat/Archiv SV Staudt

Die Staudter Leichtathletik nahm seitdem rasant an Fahrt auf. Der Verein rekrutierte immer mehr Aktive, und die, die bereits dabei waren, verbesserten sich durch intensives Training kontinuierlich. Die Anfangserfolge sorgten zusätzlich für Motivation. Das Protokollbuch des SV Staudt ist voll mit Erfolgen der Leichtathleten, während die Fußballer einen schweren Stand hatten. „Der SV Staudt, das war in den Nachkriegsjahren fast ausschließlich Leichtathletik“, stellten Keil und Haberstock fest.

Einer der Gründe für die Entwicklung war auch der im Ort tätige Lehrer Gerz, Schulleiter und zuständig für die Klassen 5 bis 8. „Er liebte Zucht und Ordnung und unterschwellig auch die sportliche Leistung“, heißt es in den Aufzeichnungen. „Er hielt regelmäßig Sportstunden auf dem Staudter Sportplatz ab, und im geordneten Gleichschritt wurden Hin- und Heimweg absolviert.“ Aufgrund der Erfolge der Erwachsenen waren auch die Schüler motiviert. Neben den Spitzenkönnern bei den Jungen waren viele Mädchen als Jugendliche erfolgreich.

Hildegard Manns, hier zu sehen beim ersten Birkensportfest im Jahr 1950 im Weitsprung, war eine der vielen Staudter Leichtathletinnen.
Hildegard Manns, hier zu sehen beim ersten Birkensportfest im Jahr 1950 im Weitsprung, war eine der vielen Staudter Leichtathletinnen.
Foto: privat/Archiv SV Staudt

In den Anfangsjahren hatte der Verein das Glück, die richtigen Leute am richtigen Ort zu haben – sowohl Sportler als auch Funktionäre. Talent gepaart mit Leistungswille plus Kameradschaft seien das Erfolgsgeheimnis gewesen, notierten Keil und Haberstock. In Heribert Michels besaß der SV Staudt zudem einen Sportler, der auch als Funktionär und Motivator agierte und den Verein mit seinen Erfolgen und Ideen antrieb. „Ohne die Leistung der anderen schmälern zu wollen, aber ohne Michels ist das ,Wunder' SV Staudt nicht vorstellbar“, wird er gewürdigt.

In der Mittelrhein-Bestenliste des Jahres 1947 war die 4 x 100-Meter-Staffel des SV Staudt mit 46,1 Sekunden die schnellste im Land. Sehr achtbar platzierten sich auch Heribert Michels als Dritter über 100 Meter in 11,1 Sekunden und Antonius Görg als Dritter über 1500 Meter in 4:16,0 Minuten. Die Staudter Sprintstaffel war seinerzeit gefürchtet, auch bei der großen Konkurrenz vom RSV Ahrweiler und von Rot-Weiß Koblenz. Heribert Michels, Rudi Bruch, Erhard Fries (später auch Günther Frink) und Engelbert Schmidt waren weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ihre Bestzeit lag bei 45,2 Sekunden, was seinerzeit Mittelrhein-Jahresbestzeit war.

„Man glaubt es kaum, aber im Jahr 2006 hätte diese Zeit immer noch für den 2. Platz der Jahresbestenliste des Rheinlandes genügt“, stellten Keil und Haberstock fest. „Auch die 11,1 Sekunden von Michels hätten fast 60 Jahre später zum zweiten Platz gereicht.“

Das Jahr 1948 stellte einen wichtigen Wendepunkt dar: Durch die Erweiterung des Friedhofs war klar, dass der Sportplatz an dieser Stelle nicht mehr zu nutzen sein wird. In Eigenleistung bauten sich die Staudter Aktiven ihren neuen Sportplatz „In den Birken“ nicht nur selbst, sondern richteten – trotz des halb fertigen Zustands – bereits am 3. Oktober 1948 ein Sportfest darauf aus. Die Einweihung fand am 21. August 1949 mit der Ausrichtung des Kreisjugendfestes statt. Rund 1500 Zuschauer kamen, um zu sehen, „was ein kleiner Verein durch Einigkeit und Sportinteresse zu leisten vermag“. Die Sportler des SV Staudt eilten in den Folgejahren von Sieg zu Sieg, wovon die Protokollbücher zeugen. Immer wieder stechen die Namen Heribert Michels und Rudi Bruch bei den Männern, Walburga Fries, Mechthilde Gerz, Hildegard Manns, Kunigunde und Gudrun Eichmann bei den Mädchen und bei den Jungen Bernhard Hehl, Egon Eichmann, Gottfried Bruch, Walter Manns, Manfred Jung, Berni Freitag, Josef Voll, Manfred Nix und Wolfgang Wagner heraus. Den ersten Landesmeistertitel der Vereinsgeschichte gewann Gottfried Bruch bei den A-Junioren am 9. Juli 1950 im Stabhochsprung mit der Höhe von 2,48 Meter.

Wolfgang Wagner wartete als Jugendlicher beim Stabhochsprung mit starken Leistungen auf. Hier ist er zu sehen bei einem Wettkampf im Jahr 1956 im Stadion auf dem Koblenzer Oberwerth.
Wolfgang Wagner wartete als Jugendlicher beim Stabhochsprung mit starken Leistungen auf. Hier ist er zu sehen bei einem Wettkampf im Jahr 1956 im Stadion auf dem Koblenzer Oberwerth.
Foto: privat/Archiv SV Staudt

„Der SV Staudt fokussierte seine Arbeit auf den Jugendbereich und erzielte dort Erfolge am Fließband“, notierten Holger Keil und Hans-Dieter Haberstock in ihrer Aufarbeitung der Vereinshistorie. „Er verstand es zudem, talentierte Jugendliche aus den umliegenden Dörfern für sich zu gewinnen. Ein Pluspunkt war der kameradschaftliche Zusammenhalt, der allenthalben gelobt wurde.“ Ein Zeitungsartikel brachte es 1950 auf den Punkt: „Ein ganzes Dorf vom olympischen Geist erfüllt.“

„In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden ganze Staudter Familien vom Leichtathletik-Bazillus befallen“, beschrieben Keil und Haberstock die Stimmung. Namen wie Engelbert und Gottfried Schmidt, Erhard und Walburga Fries, Rudi und Gottfried Bruch, Werner, Walter und Hildegard Manns, Wolfgang, Heinz und Eberhard Wagner, Günter und Eberhard König, Egon, Kunigunde und Gudrun Eichmann, Willibald und Rainhard Haas, Rainer und Gerda Gotsche sowie Hans-Jürgen und Lydia Heibel entdeckten sie immer wieder in den Protokollbüchern.

Die erfolgreiche Nachwuchsarbeit trug Früchte, und so traten die jüngeren Sportler ins Rampenlicht. Manfred Jung nahm am 1. und 2. August 1953 als erstes Mitglied des SV Staudt bei einer deutschen Jugend-Meisterschaften teil und wurde 20. Auch Wolfgang Wagner fiel positiv als Sprinter, Weitspringer und Stabhochspringer auf. Er zählte 1954 zu den deutschen Spitzenkönnern der Junioren und nahm an Endkämpfen um die DM teil. Das gleiche Kunststück gelang auch Egon Eichmann.

Beim Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen des Vereins, das am 18. und 19. Mai 1957 gefeiert wurde, standen die Staudter auf dem Höhepunkt ihrer Vereinsgeschichte. Danach kamen die Athleten der ersten Stunde so langsam in die Jahre und tauchten fortan weniger häufig in den Bestenlisten auf. Der Verein hatte es schwer, an die Erfolge anzuknüpfen. Einer der Gründe: Der Fußball wurde nach dem Gewinn der WM 1954 immer populärer, und auch der SV Staudt gründete 1958 eine Fußballmannschaft, die für viele attraktiver als die Leichtathletik war. Dank einiger Zugänge aus anderen Dörfern konnte die Tradition aber noch mit durchaus achtbaren Leistungen und Ergebnissen aufrecht erhalten werden, ehe 1965 schließlich das letzte Jahr mit eigener Leichtathletikabteilung des SV Staudt war. Im Jahr 1966 kam es zum Zusammenschluss von Montabaur, Elgendorf, Dernbach und Staudt zur LG Westerwald-Montabaur. Das Birkensportfest, das in Hochzeiten mehr als 500 Teilnehmer lockte, fand 1968 zum letzten Mal statt. ros

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