Lucas Auer kommt angebraust, bremst abrupt ab, sein Mercedes AMG wird nach oben geschossen. Die Mechaniker setzen die Hydraulik-Schrauber an, wechseln die Reifen. Das Fahrzeug senkt sich wieder, und Auer gibt Gas. Einen solch rasanten Boxenstopp gibt es auf der Rennstrecke regelmäßig zu bewundern. Doch dieses Mal trainieren das Urgestein der DTM und seine neuen Mechaniker am Ortsrand von Gensingen. Auer ist zum Team Landgraf Motorsport gewechselt, das dort sein Hauptquartier hat.
Der Bad Kreuznacher Unternehmer Klaus Landgraf, Gründer und Kopf des Teams, schaut interessiert zu, wie Auer und das Mechaniker-Team immer und immer wieder die Reifenwechsel wiederholen. Wenn Ende April die Saison beginnt, soll eben alles perfekt klappen, dann kann ein guter Stopp wichtige Sekundenbruchteile und damit noch wichtigere Platzierungen bringen. Auer, der schon seit vielen Jahren in der DTM seine Kreise zieht, lobt die Bedingungen und das Ambiente bei seinem Antrittsbesuch im Team-Hauptquartier.
Das freut Landgraf natürlich, der nach einem Cut und einem Jahr DTM-Pause wieder auf die größte Bühne des europäischen Tourenwagensports zurückkehrt. „Die Verbindungen zu Mercedes waren nie abgebrochen“, sagt Landgraf, der seit Jugendzeiten ein großer Fan der schwäbischen Autobauer ist. Die Pause war aus seiner Sicht notwendig, um sich als Rennstall neu zu justieren, das Familiäre wieder in den Vordergrund zu stellen. Ein Attribut, das Landgraf, der das Logistik-Unternehmen Depotpack leitet, im Umgang mit seinen Mitarbeitern lebt und das ihm bei seinem Hobby Motorsport sehr wichtig ist.
Als die Tür dann wieder aufging bei Mercedes, war Landgraf direkt bereit, als eines von nur zwei Mercedes-Teams die Marke in der Saison 2025 in der DTM zu vertreten. Auch Auer ist auf Anhieb anzumerken, wie wohl er sich in der Gensinger Großfamilie fühlt. Apropos Familie: Der 30-jährige Österreicher ist mit dem Motorsport groß geworden. Sein Onkel ist der ehemalige Formel-1-Pilot Gerhard Berger. Im Interview äußert sich Auer zu seinem Wechsel und zum Stellenwert der DTM.
Klaus Landgraf betont stets den familiären Flair seines Rennstalls. Spüren Sie den schon?
Ja, direkt, wobei ich sagen muss, dass wir gar nicht das erste Mal miteinander arbeiten. Wir sind auf der Nordschleife des Nürburgrings schon gemeinsam Rennen gefahren, kennen uns also. Damals und auch jetzt muss ich sagen, dass ich mich bei Landgraf Motorsport sehr wohlfühle. Solch ein familiäres Umfeld motiviert mich sehr, und die Motivation, eine gute Saison zu absolvieren, ist groß.
Sie waren zuletzt vier Jahre beim Team Winward. Gibt der Wechsel an die Nahe Ihnen einen neuen Kick?
Ein Wechsel entfacht immer neues Feuer. Und die ersten Tage und Eindrücke bei Landgraf sind sehr gut. Ich freue mich total auf die Zusammenarbeit und die Saison. Aber es ist ja auch nicht alles komplett neu. Viele handelnde Personen und Ingenieure von Mercedes kenne ich schon lange.
Bis auf wenige und vor allem kurze Ausnahmen fahren Sie immer für Mercedes.
Das stimmt, ich bin der Marke Mercedes sehr verbunden. Das hat einst in der Formel 3 begonnen, ich wurde anschließend immer von Mercedes unterstützt und bin über ein Junior-Programm, das nie so hieß, in die DTM gekommen. Diese Unterstützung ist sicher ein Grund dafür, dass ich der Marke Mercedes so lange verbunden geblieben bin.
Können Sie schon eine Zielsetzung für die anstehende Saison formulieren?
In der DTM geht es immer darum, zu gewinnen, das ist in dieser Klasse so vorgegeben. Sehr wichtig wird der Start sein, dann sehen wir, was möglich ist. Aber natürlich ist es das Ziel, ganz oben zu stehen.
Sie fahren seit 2015 in der DTM, waren 2022 Vizemeister, hatten weitere Top-Platzierungen. Lebt der Traum, eine Saison als Meister abzuschließen?
Absolut, das ist das große Ziel. Aber die DTM ist komplex, eine Saison sehr lang. Da warten viele Herausforderungen. Doch am Ende einer solchen Saison, vorne zu sein, das ist und bleibt mein Traum.
Sie haben in dieser Saison aber noch eine zusätzliche Aufgabe. Sie sollen Ihren Teamkollegen, den erst 17-jährigen Tom Kalender, bei seinem DTM-Einstieg unterstützen. Freuen Sie sich auf diesen Zweitjob?
Das ist eine ganz neue Aufgabe für mich. Gefühlt war ich immer der Youngster in der DTM. So ändern sich die Zeiten. Aber es ist wirklich cool, einen solch jungen Partner an seiner Seite zu haben und alles dafür zu geben, gemeinsam mit ihm und dem Team erfolgreich zu sein.
Wie bewerten Sie mit Ihren langjährigen Erfahrungen im Motorsport die DTM und ihren Stellenwert?
Im GT3-Bereich ist es aus meiner Sicht die stärkste Serie. Der gebotene Sport, die vielen Marken, die starken Teams. Die DTM ist die Königsdisziplin.
Halten Sie auch das Konzept mit den zwei Rennen an einem Wochenende auf einer Rennstrecke für zukunftsträchtig?
Das ist richtig gut, weil es dir die Möglichkeit zur zweiten Chance bietet. Wenn im ersten Rennen etwas direkt nach dem Start passiert, ist das Wochenende nicht vorbei. Es gibt den zweiten Tag. Das ist auch für die Fans sehr wichtig, die an einem Wochenende richtig viel Motorsport und viele heiße Zweikämpfe auf der Strecke geboten bekommen.
Sie sprechen die Fans an. Die Fannähe in der DTM wird oft gelobt, Landgraf Motorsport verfügt schon seit Jahren über treue Fans.
Landgraf Motorsport macht das auch in diesem Bereich, der für die DTM sehr markant und wichtig ist, sehr gut. So muss es sein, und auch das wird sicher ein Grund sein, mich bei Klaus Landgraf und seinem Team sehr wohlzufühlen.