Genau sieben Stunden und 23 Minuten wurden im vergangenen Jahr beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gefahren, den Rest verschluckte der undurchdringliche Nebel über der Rennstrecke. Dass es nach diesem fast schon gespenstischen Komplett-Stillstand und einer greifbaren grabesähnlichen Stille zwölf Monate später endlich zu einem „richtigen“ Rennen mit jede Action zweimal rund um die Uhr kommen möge, das ist der sehnlichste Wunsch aller Beteiligten. Wenn am Samstag um 16 Uhr 141 Fahrzeuge mit rund 500 Fahrerinnen und Fahrern aus 21 Nationen auf die Strecke zum Langstreckenklassiker in der Eifel gehen, dann wird wieder jene unnachahmliche Atmosphäre auf den randvollen Campingplätzen rund um die Nordschleife die „Helden der Grünen Hölle“ die Nacht hindurch mit flackernden Lagerfeuern begleiten. Bis am Sonntag um 16 Uhr der Nachfolger des Teams Scherer Sport PHX mit Frank Stippler, Christopher Mies, Ricardo Feller und Dennis Marschall im Audi R8 LMS GT3 Evo II feststehen wird.

Das größte Starterfeld der vergangenen fünf Jahre glänzt am Fronleichnams-Wochenende mit vollbesetzten Klassen. In der Top-Klasse SP9, in der sich die GT3-Boliden um den Gesamtsieg streiten, gehen 29 Fahrzeuge von acht verschiedenen Fabrikaten an den Start. Die Favoritenrolle liegt in diesem Jahr eindeutig bei den Porsche 911 GT3 R, die alle Vorbereitungsrennen inklusive der bisherigen NLS-Läufe siegreich beendet haben. Und obwohl Audi sich offiziell aus dem GT3-Sport zurückgezogen hat, sind die R8, die somit als „junge Gebrauchte“ gelten dürfen, nach wie vor eine Macht, wie zwei Pole-Positions in den beiden jüngsten Rennen zeigen. An der Spitze sind die 24 Stunden längst zu einem Sprintrennen zweimal rund um die Uhr geworden. „Viel Taktieren gilt nicht mehr, es heißt von Beginn an volle Pulle“, gibt der Franzose Kevin Estre im 911 GT3 R „Grello“ des Teams Manthey EMA die Richtung vor. Doch die mittlerweile 53. Auflage des schlagzeilenträchtigen Duells mit dem Sekundenzeiger besteht nicht nur aus dem Rennen an der Spitze, es ist nicht nur der Kampf um den Gesamtsieg. Es ist vor allem auch ein Buch unzähliger Dramen und oft verzweifelter Versuche kleinerer Teams, die vieles, wenn nicht gar alles, in ihre Leidenschaft Motorsport stecken.
Sie kämpfen in den insgesamt 20 Klassen nicht nur gegen die interne Konkurrenz, sondern oft auch gegen die Tücken der Technik. Gegen die am Nürburgring stets unberechenbare Witterung, gegen waghalsige Überholmanöver. Gegen „Fremdberührungen“ mit mal mehr, mal weniger heftigen Blech- oder sonstigen Schäden, die aufopferungsvolle Mechaniker in den hell erleuchteten Boxen noch einmal zu reparieren versuchen. Und doch möchte wohl keiner von ihnen diese unglaubliche Atmosphäre, die Auseinandersetzung mit dem sportlichen Gegner, den Kampf gegen Müdigkeit und Erschöpfung und manchmal auch gegen die Hoffnungslosigkeit missen. Denn am Ende steht oft genug der Triumph, das Gefühl, alle Hindernisse miteinander doch noch überwunden zu haben.

Darunter sind auch viele semiprofessionelle Fahrer und Amateure aus der Region, die zum wiederholten Male beim größten Rennen am Ring antreten. „Die Eindrücke rund um die Strecke sind etwas Besonderes, die ganzen Lichter und Feuer nachts sind einfach spektakulär“, schildert der zweifache VLN-Champion Daniel Zils aus Bendorf, der in einem BMW 330i den Kampf aufnimmt, was ihn am „24er“ besonders reizt. „Irgendwann kommt man in einen Tunnel und fühlt sich nachts draußen komplett allein.“ Für die rund 200.000 Fans, die zum Teil bereits am Montagmorgen ihr fast einwöchiges Zeltlager aufgeschlagen haben, wird es pausenlose Rennaction in verschiedenen Serien geben.