Löffelscheiderin Claire Schönborn
Bald Motorsport-Profi? Hunsrückerin startet bei Rallye durch
Der rote 1983er VW Golf GTI befindet sich seit 2007 im Besitz der Familie Schönborn. Er wird für Bergrennen genutzt. Falls es irgendetwas zu reparieren gibt, kümmert sich Claire Schönborn darum.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Die Löffelscheiderin Claire Schönborn hat sich bei der Schweden Rallye ein Fördercockpit für die Junior World Rally Championship 2025 gesichert. Und das, obwohl sie erst seit einem halben Jahr Rallye fährt. Wer ist die junge Frau, die die Motorwelt umhaut?

Mit 175 Sachen brettert Claire Schönborn über die vereiste Piste. Die Sonne scheint, Zuschauer jubeln ihr von beiden Seiten zu. Davon bekommt die junge Frau aber nichts mit. Sie ist eins mit ihrem Auto. Konzentriert reißt sie das Lenkrad herum, bremst, um aus der Kurve heraus zu beschleunigen. Zu spät. Sie verliert die Kontrolle, ihr Auto kippt zur Seite. Game over.

Gas geben, bremsen, beschleunigen: Bei der Schweden Rallye ist Claire Schönborn ihrer Konkurentin davon gefahren. Das brachte ihr beim zweiten Rennen der Junior World Rallye Championship den 7. Platz.
Lothar Böhkamp, WRC, WS Racing

„Das funktioniert im realen Leben deutlich besser“, sagt die 25-Jährige und steigt lachend aus dem Fahrsimulator. Nicht nur ihr Ergebnis bei der Schweden Rallye, dem zweiten Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft, beweist, dass sie im wirklichen Leben mit allen Reifen fest auf dem Boden steht. Auch die Medaillen und Trophäen in ihrer Wohnung in Löffelscheid zeigen, was die junge Frau kann. Und das ist eine Menge.

Mit der Geburt Mitglied beim HAC Simmern

Von Kartslalom über Bergrennen bis hin zur Rallye – über die Jahre hat sich Claire Schönborn von ihren Fahrfähigkeiten her immer weiter gesteigert. Im Gespräch mit unserer Zeitung wird schnell klar: Für sie gibt es nichts Schöneres, als hinter dem Lenkrad eines PS-starken Wagens zu sitzen.

Bereits früh habe die Begeisterung für den Motorsport begonnen, erzählt die junge Frau. Denn wer bei Schönborns das Licht der Welt erblickt, der „ist direkt per Geburtsrecht Mitglied beim Hunsrück-Auto-Club Simmern“, sagt sie und lacht wieder. Vater Rainer und Mutter Andrea sind also schuld, dass Schönborn Benzin im Blut hat? „Irgendwie schon“, grinst sie.

Begeisterung für Autorennen liegt in der Familie

Ihre Eltern fahren damals hobbymäßig Bergrennen, erzählt sie. Gemeinsam mit ihrer Schwester sowie den Großeltern ist Schönborn als Zuschauer bei den Rennen dabei, darf im Jugendalter am 1983er VW Golf GTI, dem Rennwagen der Schönborns, als Mechanikerin mithelfen. In der Freizeit geht es dann mit der Familie häufig an den Hahn. „Dort gab es früher eine Kartbahn“, erinnert sich Schönborn. Mit 16 Jahren beginnt sie mit dem Kartslalom – ganz schön spät, wie die Hunsrückerin hervorhebt. Als „Spätzünderin“ bezeichnet sie sich.

Doch es zeigt sich: Schönborn hat Talent. Als ihr Kart- und Autoslalom nicht mehr reichen, fängt sie mit Bergrennen an – und tritt so in die Fußstapfen ihrer Eltern, die ihr alles beigebracht haben. Dass sie dabei mit dem Golf starten kann, sei ihr besonders wichtig gewesen. „Das ist schon immer mein Traum gewesen“, sagt sie.

Nicht nur in der Freizeit an Autos interessiert

Neben ihrer Leidenschaft zum Motorsport ist Claire Schönborn als Ingenieurin bei dem deutschen Automobil-Zulieferer ZF Active Safety GmbH in Koblenz auf Teststrecken in ganz Europa und weltweit unterwegs. Um dem Rallye-Sport zu frönen, der nach Angaben von Schönborn „recht kostspielig ist“, arbeitet sie nebenher als selbstständige Renningenieurin im Motorsport. Auf die Frage, ob sie sich nicht auch eine Position als Beifahrerin vorstellen könnte, winkt Schönborn ab. „Ich muss ausführende Kraft sein“, sagt sie lachend

Dieser geht im Jahr 2022 für die Systemingenieurin in Erfüllung. Seitdem jagt Schönborn bei nationalen und internationalen Bergrennen mit Vollgas erfolgreich durchs Ziel. So zum Beispiel 2023, als sie ihre erste komplette Saison im KW Berg-Cup als Dritte in der Klasse H bis 2000 ccm und als Sechste im Gesamtklassement beendet. Auch im Autoslalom brilliert sie. 2022 gewinnt sie mit Marcel Hellberg die Goldmedaille im Autoslalom bei den FIA Motorsport Games in Marseille, 2024 folgt in Valencia die Bronzemedaille.

Der Weg zum Rallye-Sport

Im vergangenen Jahr ändert sich für Claire Schönborn aber alles. Als erste Frau und jüngste Teilnehmerin aller Zeiten gewinnt sie den KW Berg-Cup – und erhält aufgrund ihrer Leistung, eine Einladung zu einem dreitägigen Sichtungslehrgang der Rallye-Granden.

Zu ihrer großen Überraschung, wie Schönborn sagt, setzt sie sich unter 15 Konkurrentinnen weltweit für einen Start beim WM-Lauf 2024 im Dreiländereck Deutschland-Österreich-Tschechien durch. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich das schaffe“, so Schönborn. Es seien viele exzellente Fahrerinnen dabei gewesen. „Und dann war da auch noch ich, der Neuling, der lediglich eine einzige Rallye gefahren ist. ‚Nimm’s als gute Erfahrung mit, dass du hier dabei sein kannst, mit‘, sagte ich mir damals“, berichtet die Löffelscheiderin.

Unterschied zwischen Bergrennen und Rallye

In Schweden sichert sie sich im Anschluss mit Jara Hain in einem Ford Fiesta das letzte verbliebene Cockpit für die Junior Rallye Weltmeisterschaft 2025. Während der Qualifikation fährt sie ihrer verbliebenen Gegnerin auf und davon. Dabei war die eisige Strecke für Schönborn eine Herausforderung. „Ich bin davor noch nie auf Schnee gefahren – und beim Bergrennen lediglich auf Asphalt“, sagt sie. Das sei schon eine Umstellung gewesen.

Rennfahrerin Claire Schönborn aus Löffelscheid im Hunsrück weiß, was sie möchte: In der Rallye-Welt nach vorn fahren. Beim Bergrennen ist sie bereits national und international erfolgreich.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Allerdings macht das den Reiz beim Rallye für Schönborn gerade aus: Die Strecken seien abwechslungsreich, unvorhersehbar und im Vergleich zum Bergrennen lang. „Beim Bergrennen fährst du gezielt am Limit und kennst die Strecke, die nach fünf Kilometern dann beendet ist.“ An einem Rallye-Wochenende „ist man mit 300 Kilometern gut dabei“. Deswegen heißt es währenddessen für sie: höchste Konzentration. Alles, was in diesem Augenblick zählt, seien die Stimme ihrer Beifahrerin sowie ihre Reflexe.

Gemeinsam nach vorn fahren

Im Mai geht es für Schönborn dann beim zweiten Rennen der Junior World Rally Championship in Portugal weiter. Bereits jetzt schon weiß Schönborn, was sie erwartet: eine Schotterpiste. Um sich auf diese Rallye vorzubereiten, nimmt die 25-Jährige zwei Wochen zuvor an einer nationalen Rallye teil. Danach möchte sie bei der Championship gern mit ihrer Beifahrerin Jara Hain „nach vorn fahren“.

Claire Schönborn mit Jara Hain, der „besten Beifahrerin der Welt“. Die beiden verstehen sich laut Schönborn „blind“.
Lothar Böhkamp, WRC, WS Racing

Die Teilnahme an der Junior World Rally Championship sieht Claire Schönborn als ihre große Chance, den Sprung in den Profi-Motorsport zu schaffen. „Die Saison 2024 war der Wahnsinn und das Highlight meiner bisherigen Motorsportkarriere“, sagt sie und strahlt. Für sie steht fest, dass sie beim nächsten Rennen alles geben möchte. Dafür hofft sie, dass diesmal alles glatt läuft.

Denn Schweden hielt einige Probleme für Hain und Schönborn parat: „Während der Prüfungen ist die Gegensprechanlage ausgefallen, dann hatten wir plötzlich kein Licht“, zählt sie auf. Kurz herrscht Stille. Es wäre also eine bessere Platzierung möglich gewesen? „Ja“, antwortet Schönborn und grinst. Davon müsse sie sich nun aber frei machen. Der Vergangenheit hinterherzulaufen, mache keinen Sinn. In Portugal erwarten sie nämlich wieder neue Herausforderungen – und für die braucht sie einen klaren Kopf.

Termine der Junior World Rally Championship 2025

  • 13. bis 16. Februar: Rally Sweden/S
  • 15. bis 18. Mai: Vodafone Rally de Portugal/P
  • 26. bis 29. Juni: EKO Akropolis Rally Greece/GR
  • 31. bis 3. August: Secto Rally Finland/FIN
  • 16. bis 19. Oktober: Central European Rally/D

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