Hatte er im vergangenen Frühjahr seinen ersten Marathon außerhalb eines Ironmans absolviert und diesen in Kandel auch gleich gewonnen, erfüllte er sich wenig später den Traum vom Start bei der Challenge Roth und finishte nach 8:38:40 Stunden inmitten von Weltklasseathleten. In dieser Saison sollte es im wahrsten Sinne des Wortes noch weiter nach oben gehen. Schräders Plan ist, sich für den Ultra-Trail du Mont-Blanc zu qualifizieren. Doch die Berge müssen ein bisschen warten. Spontan startete der Westerwälder zuletzt bei der Halbmarathon-DM in Hamburg und wollte seine gute Form nutzen, um in Berlin sein Glück auf den 42,195 Kilometern zu suchen.
Die Vorbereitung auf einen Marathon sieht im Groben drei Dinge vor: lange Läufe, lange Läufe, lange Läufe. Dass er die nicht in den Beinen hatte, wusste Schräder. Lediglich sechs Wochen vor dem Startschuss kam er auf Umfänge von 90, 100, mal 105 Kilometer. „Das war zudem alles sehr Trail-lastig, keine wirklich spezifische Marathon-Vorbereitung“, sagt Schräder. Einen Versuch sei die Teilnahme an der 50. Auflage des Marathons in der Hauptstadt aber wert, Krankheit zu Jahresbeginn hin, fehlende Grundlagen-Kilometer her.
„Ich probier's einfach mal“, dachte sich Schräder, für den aus Kandel eine Bestzeit von 2:24 Stunden zu Buche stand. Markus Schweikert, ein Trainingspartner aus Koblenz, hatte Berlin schon länger im Blick und dafür „super trainiert“, wie der Staudter anerkannte. Gleich seinen ersten Marathon wollte Schweikert unter 2:20 Stunden laufen. „Das ist eine magische Marke“, sagt Schräder. Diese selbst zu erreichen, „wäre schon geil“, beschreibt er seine spontane Eingebung. Und er beschloss: „Ich mach das einfach mal.“
Auf Empfehlung von Heiko Spitzhorn, dem erfahrenen Trainingspartner und Ratgeber bei den Tribärs Sespenroth, nahm sich Schräder vor, sich an die Gruppe um Melat Kejeta zu hängen. „Sie ist eine der besten deutschen Läuferinnen und wollte in Berlin auch unter 2:20 laufen“, berichtet Schräder. „Markus und ich haben uns gedacht, dass wir das probieren.“ Was sein eigenes Schicksal anging, rechnete der frühere Eisbachtaler Außenverteidiger damit, dass es „bei mir zu 95 Prozent in die Hose geht“. 30 Kilometer das angepeilte Tempo von 3:19 Minuten pro Kilometer zu laufen, machte Schräder keine Sorgen. „Aber der Marathon beginnt erst danach so richtig.“
Die Hoffnung war, einen Supertag zu erwischen und sich vielleicht auch von der atemberaubenden Stimmung bei der 50. Auflage des Berlin-Marathons tragen zu lassen. Erwischen war dann bereits nach dem Startschuss das Stichwort: Im Getümmel galt es für Schräder, die schnelle Frauengruppe und seinen Kumpel zu finden. Statt 3:19 Minuten stand nach dem ersten Kilometer eine 3:10 auf der Uhr. „Irgendwie habe ich mich durchgequetscht“, erzählt Schräder.
Sich dann im Umfeld der deutschen Spitzenläuferin Melat Kejeta zu bewegen, sei „ziemlich verrückt“ gewesen. Alle waren mit persönlichem Tempomacher unterwegs – und dann auch mit einem Ex-Fußballer aus dem Westerwald. „Echt irre“, sagt der 32-Jährige. „Das kennt man nur aus dem Fernsehen, aber mittendrin zu sein, das beflügelt einen richtig.“
Man hat sich fast wie ein Profiläufer gefühlt.
Manuel Schräder nach dem Berlin-Marathon
Die ersten Kilometer hätten sich auch „supereasy“ angefühlt, „wie es beim Marathon sein muss“, so Schräder. Dass die Gruppe deutlich schneller als angepeilt unterwegs war, wischte er beiseite, denn die Halbmarathonzeit von 1:09:38 Stunden passte fast auf die Sekunde in den Zeitplan. Im Schatten des Begleitfahrzeugs der Topathletinnen saugten der Staudter und sein Kumpel aus Koblenz die Stimmung auf. „Man hat sich fast wie ein Profiläufer gefühlt“, erzählt Schräder, den dann aber bei Kilometer 30 doch die Marathon-Realität einholte. „Es ist genau das passiert, womit ich gerechnet hatte.“
Die Bewegungen wurden träger, man habe gemerkt, dass die Trainingskilometer fehlten. Hinzu kamen kurzzeitig Magenprobleme, der Albtraum eines Läufers auf dieser Distanz. Schräder reagierte, nahm ein paar Schritte das Tempo raus, drückte sich den Schmerz aus der Magengegend – und hatte prompt 10 bis 20 Meter verloren. „Das ist echt brutal, ganz schwierig für den Kopf, weil man nicht mehr rankommt“, blickt der 32-Jährige zurück. „Durch die müden Beine ging es nicht anders, als auf Distanz hinterherzulaufen.“
Doch aufzugeben war keine Alternative. Schräder überwand das gefürchtete Tief zwischen Kilometer 30 und 35, erhöhte dann sogar wieder sein Tempo und biss sich durch, obwohl sich alles anfühlte, „als würde es nie enden“. Im Ziel stand eine neue Bestzeit auf der Uhr. Die magischen 2:20 hatte er nicht geschafft, aber in 2:23:07 war er gut eine Minute schneller als im vergangene Frühjahr in Kandel.
Sein Kumpel Markus Schweikert verpasste das angestrebte Ziel in 2:20:39 Stunden nur knapp, Melat Kejeta kam als beste Deutsche in 2:23:40 Stunden und damit 33 Sekunden nach Manuel Schräder an. „Mit einer richtig sauberen Marathon-Vorbereitung bekomme ich die 2:20 auch noch hin“, blickt er schon wieder nach vorn. „Das wäre noch ein Ziel. Wenn ich das geschafft habe, ist gar nicht mehr viel Luft nach oben.“
Bestzeit und Spaß in Berlin: Auch Tribärs Fabian Hering und Walli Bruch stark
Nicht nur Manuel Schräder zeigte eine starke Leistung in Berlin, auch seine Tribärs-Kollegen Fabian Hering und Walli Bruch stellten bei der 50. Auflage des Marathon-Klassikers in der Hauptstadt ihr Können unter Beweis. Hering verbesserte sich um fünf Minuten auf eine herausragende Zeit von 2:38:49 Stunden. Dabei gelang ihm das, wovon alle Marathonis träumen: Er absolvierte die zweite Hälfte schneller als die erste. Bruch war lange krank in diesem Jahr und wollte in erster Linie Spaß haben, was ihm in 3:01:22 Stunden in einer beachtlichen Zeit gelang. ros