Leichtathletik: 800-Meter-Läuferin der LG Kreis Ahrweiler ist bei der Europameisterschaft in Rom die einzige Deutsche auf den zwei Stadionrunden
Kolberg: Will mir meine kleinen Träume erfüllen – Erst EM, dann Olympische Spiele
European Championships - Leichtathletik
Majtie Kolberg von der LG Kreis Ahrweiler ist die einzige deutsche Läuferin, die bei der Europameisterschaft in Rom über 800 Meter an den Start geht. Foto: dpa/Soeren Stache
Soeren Stache. picture alliance/dpa Soeren Stac

Rom. In St. Moritz hat sich Majtie Kolberg in den vergangenen Tagen den Feinschliff geholt und die mentalen Akkus noch einmal aufgeladen. Guten Mutes blickt die 24-Jährige von der LG Kreis Ahrweiler nun auf die Europameisterschaft in Rom voraus, wo sie am Montag (ab 11.50 Uhr) über die 800 Meter auf die Bahn geht. Natürlich soll es über den Vorlauf hinausgehen.

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In Rom stehen für Sie die vierten großen Freiluft-Meisterschaften bei den Erwachsenen an. Mit welchen Erwartungen treten Sie bei der EM an?

Es ist immer ein Privileg, bei einer großen Meisterschaft überhaupt dabei sein zu können. Erwartungen einzuschätzen, ist immer schwierig, weil gerade bei internationalen Meisterschaften wirklich alles passieren kann. Aber natürlich will ich mir meine kleinen Träume erfüllen. Die Vergangenheit hat mir mit meinem neunten Platz bei der EM in München und dem achten Rang bei der Hallen-EM in Istanbul gezeigt, dass das Finale für mich nicht ganz aus der Welt ist. Dafür muss ich auf meine gute Form und das Quäntchen Glück sowie die Renneinteilung vertrauen. Zunächst einmal heißt es natürlich, den Vorlauf zu überstehen. Ich will mich einfach gut präsentieren und mir im Nachhinein nichts vorwerfen müssen.

Nach der WM im vergangenen Jahr haben Sie gesagt, dass Sie noch genügend Zeit haben für viele weitere große Meisterschaften. In welchen Bereichen haben Sie sich seitdem besonders weiterentwickelt?

Im Dezember und Januar war ich zum ersten Mal seit Langem wieder etwas schwerer verletzt. Ich konnte zwar nicht laufend trainieren, aber mit Schwimmen und Radfahren. Im Nachhinein bin ich davon überzeugt, dass es auch einmal ganz gut getan hat, ein, zwei Monate etwas rauszunehmen und mental runterzukommen. Mir wurde richtig bewusst, dass man sich auf sich selbst konzentrieren und nicht mit anderen vergleichen sollte, die gerade ihre Highlights in der Hallensaison haben.

Diese Zeit hat mir sehr viel neuen Schwung für die Freiluftsaison gegeben. So konnte ich ohne Druck in die ersten Läufe gehen, die zum Auftakt so gut waren wie noch nie. Insgesamt habe ich an meinem Mindset und trainingswissenschaftlich an meinen Langsprint-Fähigkeiten gearbeitet, sodass ich auch in einem taktischen Rennen auf den letzten 150 Metern bestehen kann.

Im Mai sind Sie innerhalb von wenigen Tagen in Karlsruhe, Montreuil und Rehlingen dreimal die 800 Meter gelaufen. Wie haben Sie die Zeit seitdem genutzt?

Das war auf jeden Fall ein strammes Programm, aber wenn es gut läuft, laufe ich auch drei Tage hintereinander über 800 Meter. Die Rennen haben der Tempohärte gut getan und mich weiter gebracht. Ich habe mich dreimal gut gefühlt ohne großen Ermüdungszustand. Nach diesem ersten Wettkampfblock, in dem ich die DLV-Bestätigungsnorm abhaken und mir etwas Druck nehmen konnte, bin ich direkt für zweieinhalb Wochen nach St. Moritz ins Höhentrainingslager aufgebrochen. Man sollte in dieser harten Saison nicht nur den ganzen Höhepunkten hinterherjagen, sondern auch einmal trainieren, um bei der EM, den deutschen Meisterschaften und hoffentlich Olympia noch Körner im Tank zu haben.

Sie sind direkt aus dem Höhentrainingslager in St. Moritz nach Rom gereist. Welche Rückschlüsse lässt das Höhentrainingslager auf Ihre derzeitige Verfassung zu?

Ich habe in St. Moritz an den Grundlagen und der Tempohärte gefeilt sowie mental die Akkus nach dem ersten Wettkampfblock mit viel Druck und vielen Reisen noch einmal aufgeladen. In den Bergen kann man sich immer gut auf sich konzentrieren und wird anders als zu Hause nicht von anderen alltäglichen Aufgaben abgelenkt. Im vergangenen Jahr habe ich in den Tagen nach meinen Höhenblöcken bei den Rennen in Pfungstadt und bei der Team-Europameisterschaft in Chorzow mit Zeiten von 1:59 beziehungsweise 2:00 Minuten gute Erfahrungen gesammelt.

Nur anderthalb Monate nach der EM steht schon Olympia an. Welche Rolle spielte Paris beim Formaufbau in den vergangenen Monaten und momentan in Ihrem Kopf?

Olympia kommt als größter Höhepunkt in dieser Saison am Ende. Ich lege voll den Fokus darauf, nach der EM gute Trainingsblöcke zu absolvieren, weil ich auch bei Olympia gut performen will. Ich denke Schritt für Schritt, aber das Höhentrainingslager hat auch den Hintergrund, dass ich meine Form im Anschluss an die EM beibehalten kann und mich auch danach auf einem guten Niveau befinde.

Sie sind die einzige DLV-Starterin über 800 Meter in Rom. Hätten Sie lieber eine Kollegin dabei?

Ich finde es sehr schade, dass die Plätze manchmal leer bleiben. In den zurückliegenden Jahren war ich über 800 Meter nie allein. Es war ein schönes Gefühl, wenn man sich zu zweit zum Beispiel über den Halbfinal-Einzug freuen konnte. Das Wichtigste ist, dass ich mich in der Individualsportart Leichtathletik auf mich selbst konzentriere, aber natürlich wäre es schöner, wenn man noch jemanden dabei hätte, mit dem man Freud‘ und Leid teilen kann.

In der europäischen Jahresbestenliste stehen fünf Britinnen unter den ersten sechs. Was macht Großbritannien auf der 800-Meter-Strecke so besonders gut?

Die hohe Dichte finde ich erstaunlich und beeindruckend. Ich habe sie in Südafrika trainieren sehen. Sie legen großen Wert auf Einheiten, die an die Grenzen gehen, und trainieren deutlich härter.

Das Interview führte

René Weiss

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