Dabei hat der 24-Jährigen besagtes Bild nicht unbedingt schon seit jeher klar vor Augen gestanden. „Es war gar nicht einmal so, dass ich schon ein Leben lang zu den Olympischen Spielen gewollt hätte“, erzählt sie: „Das war kein Kindheitstraum für mich. Ich habe mich mit 14 Jahren nicht als Profisportlerin gesehen. Das hat sich erst Stück für Stück wie bei einem Puzzle so gefügt.“
Ein wichtiges Puzzleteilchen bildete zweifellos der Besuch der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Die hat Kolberg damals auf Einladung der Sportjugend Rheinland-Pfalz hautnah miterlebt. Zusammen mit ihrem Bruder Lennert sowie Christopher Motz (seinerzeit beide ebenfalls LG Kreis Ahrweiler) durfte die damals 16-Jährige mit weiteren 41 jungen, talentierten Sportlern im Rahmen eines Jugendlagers bei den Spielen in Brasilien olympisches Flair als Zuschauer aufsaugen.
Ein weit entferntes Ziel
„Das war schon cool“, erinnert sie sich. Und natürlich hat diese Erfahrung den Wunsch befeuert, vielleicht selbst einmal als Sportlerin bei diesem Weltereignis teilnehmen zu können. Damals noch ein weit entfernter Gedanke, eine Idee, ein fernes Ziel. „Vielleicht machbar, aber das ist noch harte Arbeit“, hatte Kolberg damals nach ihrer Rückkehr dazu gesagt: „Zur Olympianorm fehlen mir noch neun Sekunden. Das sind Welten.“
Und diese Welten hat sie nun tatsächlich durchschritten oder besser: durchlaufen. Damals stand ihre Bestzeit bei 2:11,05 Minuten, mittlerweile bei 1:58,74 – über zwölf Sekunden besser. Die können schnell um sein, aber auch ungeahnte Mühen und ungezählte Trainingsstunden kosten. Klar, Sport hatte sie schon immer betrieben, aber der Ehrgeiz entwickelte sich erst mit der zunehmend besseren Leistung. Vom ersten Bambinilauf mit zweieinhalb Jahren und weiteren Volksläufen führte der Weg zunächst zum Triathlon. Ihren ersten bestritt Kolberg mit vier Jahren im Trikot der Trikids des TuS Ahrweiler, wo ihre ausdauerbegeisterte Mutter Swantje, selbst Triathletin, sich als engagierte Trainerin um den TuS-Nachwuchs kümmerte.
Erster nationaler Titel
Später gehörte sie drei Jahre dem Landeskader an, sie wurde deutsche Vizemeisterin im Duathlon und belegte Rang vier bei den deutschen Triathlon-Meisterschaften 2014. Der Gewinn der deutschen Schülermeisterschaft (W 15) über 800 Meter in 2:12,72 Minuten, ihr erster nationaler Titel, verhalf Kolberg zu der Entscheidung, sich fortan auf den Mittelstreckenlauf zu konzentrieren.
Von da an ging es Schritt für Schritt weiter aufwärts: 2018 deutsche Jugendmeisterin (U 20) in der Halle und Freiluft, Halbfinale bei der U 20-WM im finnischen Tampere, 2021 deutsche Meisterin der U 23 in Koblenz und vor allem der Durchbruch einer magischen Schwelle: In Ninove (Belgien) blieb Kolberg mit 1:59,24 Minuten erstmals unter der international wertvollen „Zwei-Minuten-Grenze“. Ein entscheidendes Puzzleteilchen. „Das war ein wichtiger Schritt“, erzählt sie rückblickend. Der Glaube daran, dass auf großer Bühne noch mehr geht, erhielt feste Nahrung.
Fortan, nach dem Abitur und dem Wohnortwechsel nach Köln zum Lehramtsstudium (Biologie, Sport), ging es auch auf internationaler Bühne voran, wo es neben schneller Beine auch eines gesteigerten Durchsetzungsvermögens im Kampf um Positionen und Platzierungen bedarf. 2022 erreichte Kolberg in Eugene (USA) bei der WM das Halbfinale, in München verfehlte sie bei der EM als Neunte nur um fünf Hundertstelsekunden das Finale. Das erste internationale Finale erreichte sie dann 2023 bei den Hallen-EM in Istanbul (Türkei) 2023, wo sie Achte wurde.
Nicht nur dabei sein, sondern auch richtig mitmischen
Der Umstand, dass sie im zurückliegenden Winter wegen einer Stressreaktion im Fuß die Hallensaison hatte ausfallen lassen, hat sich im Rückblick als positiv erwiesen. Wobei ihr auch da ihre Weitsicht, Geduld und Fokussiertheit geholfen haben, die sie sich im Laufe der Zeit mit ihrem langjährigen Trainer Leo Monz-Dietz, „Trainer des Jahres 2021“ im Rheinland, angeeignet hat.
„Was bringt mir die Halle vor Olympia?“, hatte sie im Februar ihre Entscheidung begründet, sich „keinen Stress zu machen“ und auf die Hallensaison nebst DM zugunsten einer längeren Vorbereitung auf die Freiluftsaison zu verzichten. Der Lohn folgte bei der EM in Rom, wo sie sich als Siegerin des Vorlaufes in ihrer Bestzeit von 1:58,74 Minuten fürs Halbfinale qualifizierte und dabei die Olympianorm von 1:59,30 Minuten unterbot (als einzige Deutsche). Im Endlauf erreichte sie dann mit Platz fünf ihre bisher beste internationale Platzierung. Noch so ein Puzzleteilchen, um jetzt in Paris mit mehr Selbstbewusstsein an den Start zu gehen. Ihr Ziel? „Ich würde gern zeigen, was ich draufhabe. Es fällt schwer, eine Zeit zu nennen, aber ich käme gern ins Halbfinale.“ Motto: nicht nur dabei sein, sondern auch richtig mitmischen.
Der Vorlauf über 800 Meter wird am Freitag um 19.45 Uhr gestartet; das Halbfinale findet am Sonntag ab 20.35 Uhr statt, das Finale am Montag ab 21.45 Uhr.