Leichtathletik: 22-jährige Diezerin lässt vor den Olympischen Spielen in Paris mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft aufhorchen
DM-Coup bei Olympia-Generalprobe: Diezerin Olivia Gürth zieht am Wassergraben an Gesa Krause vorbei
Deutsche Leichtathletik-Meisterschaften; Braunschweig, 30.06.2024 Olivia Gürth (Silvesterlauf Trier) gewinnt überraschen
Eine Demonstration der Stärke bei der DM: Auf der blauen Tartanbahn des Braunschweiger Eintracht-Stadions reißt Olivia Gürth die Arme nach oben, während Top-Favoritin Gesa Krause (Mitte) genauso geschlagen ist wie Titelverteidigerin Lea Meyer (rechts).
Axel Kohring. Imago

Taktische Reife und ihre außerordentliche Sprintqualität haben der Diezerin Olivia Gürth den ersten großen Titel im Seniorenbereich beschert.

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Bei der deutschen Meisterschaft der Leichtathleten im Braunschweiger Eintracht-Stadion setzte sich die 22-Jährige im Schlussspurt des Rennens über 3000 Meter Hindernis gegen die EM-Zweite Gesa Krause (9:46,12) und Lea Meyer (9:48,53) durch. In 9:45,01 Minuten sicherte sie sich die Goldmedaille. Auf internationaler Ebene hat die Diezerin, die wie Krause für den Verein „Silvesterlauf Trier“ startet, in den vergangenen Jahren so manches Juniorenrennen dank ihrer Qualität auf der Schlussrunde gewonnen. Sowohl in der U 21 als auch in der U 23 ist sie so Europameisterin geworden. „In der Jugend war das immer meine Stärke“, blickte die Diezerin nach ihrem Triumph von Braunschweig zurück. „Es bedeutet mir sehr viel, dass es jetzt auch mal bei den Erwachsenen geklappt hat.“

Wie stark ihre Leistung war, zeigte schon die Startaufstellung. Auf den Plätzen der Favoritinnen stand sie neben ihrer Trainingspartnerin Krause und Meyer, die zuletzt bei der EM in Rom als Neunte noch zwei Plätze vor ihr gelegen hatte. Dieses Trio zog bei der Generalprobe für die Olympischen Spiele in Paris in einem Monat die Blicke auf sich, während der Rest des Feldes mehr oder minder schmückendes Beiwerk war in einem Rennen, das nur auf die Frage hinauslaufen sollte, wer der großen Drei welche Medaille holen wird.

Geduld zahlt sich aus

Schon nach dem ersten Kilometer hatten es sich die Favoritinnen an der Spitze des Feldes gut eingerichtet, wobei sich Gürth an Position drei hinter Topfavoritin Krause und Titelverteidigerin Meyer aus der Führungsarbeit heraushielt. Bis zur letzen Runde fiel eine Verfolgerin nach der anderen aus dem Kreis der Medaillenanwärterinnen heraus, zuletzt platzte der Traum für Linda Wrede, die den drei deutschen Olympiastarterinnen am längsten folgen konnte.

„Ich habe gemerkt, ich muss einfach geduldig sein“, sagte Gürth später im Interview mit ZDF-Mann Norbert König. Geduld – ihr Erfolgsrezept aus vielen Rennen im Nachwuchsbereich. Wie lange sich die 22-Jährige, die aus dem Diezer TSK Oranien hervorgegangen ist, zurückhielt, hat aber vielleicht auch ihre Konkurrentinnen überrascht. Bis zum letzten Hindernis vor dem finalen Wassergraben agierte Gürth zurückhaltend, um dann ganz überlegt rauszuziehen und sich an Meyer vorbei auf Krauses Höhe vorzuschieben. Als sich ihre beiden Konkurrentinnen Schulter an Schulter selbst etwas behinderten und der Weg für Titelverteidigerin Meyer versperrt war, hatte die Diezerin schließlich alle Trümpfe in der Hand.

Die Entscheidung musste zwischen ihr und ihrer erfahrenen Teamkollegin fallen – und zwar am Wassergraben, wo Krause, die sich zuletzt in Rom nach einem Jahr so fulminant aus ihrer Babypause zurückgemeldet hatte, Gürth nichts entgegenzusetzen hatte. „Ich wusste, dass es wahrscheinlich das ambitionierteste deutsche Meisterschaftsfinale ist, das ich je gelaufen bin“, würdigte Krause hinterher die Qualität dieses DM-Rennens von Braunschweig.

Ein traumhafter Ausgang

Die Konkurrenz im eigenen Land sei „extrem stark“, so die 31-Jährige. „Natürlich hätte ich gerne gewonnen, aber ich wusste auch, dass Olivia hintenraus pfeilschnell ist“, kommentierte Krause die Leistung ihrer jungen Teamkollegin. „Sie pusht mich so toll und hat auch einen Anteil daran, dass ich nach der Babypause so stark zurückgekommen bin.“

Für Lea Meyer (Bayer 04 Leverkusen) blieb auf der Zielgeraden nur die Erkenntnis, dass für sie nicht mehr zu holen war als die Bronzemedaille. „Wenn nach vorne der Weg zu ist, kommt man nicht mehr vorbei“, brachte sie den entscheidenden Moment des Rennens auf den Punkt. Nachdem sie sich zuletzt zweimal den nationalen Titel gesichert hatte, meinte Meyer am Sonntagnachmittag: „Jetzt haben wir alle drei mal einen deutschen Meistertitel.“ Es war der Ausgang, von dem Olivia Gürth als Jüngste im Bunde, so kurz vor ihrem Olympiadebüt in Paris geträumt hat.

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