„VfL ist für mich gestorben“
Hans-Wilhelm Hetzel bricht mit seinem Herzensverein
Ein Foto aus glücklichen Turniertagen im Salinental: Hans-Wilhelm Hetzel (Mitte) freut sich beim Mädchenturnier 2022 mit Olympiasieger Stefan Saliger (links) und Eigengewächs Luise Dreyse, die es unter Hetzels Abteilungleitung bis in die Nachwuchs-Nationalmannschaft geschafft hat.
VfL Bad Kreuznach

Das ist ein Hammer: Hans-Wilhelm Hetzel, der langjährige Leiter der Hockey-Abteilung des VfL Bad Kreuznach, wendet sich von seinem Verein ab. Und das mit großer Konsequenz, Verbitterung und scharfer Kritik am Hauptverein.

Er hat den VfL Bad Kreuznach gelebt und geliebt wie kaum ein anderer. Hans-Wilhelm Hetzel sprach gerne vom blau-weißen Blut in seinen Adern. Teilweise hat er Beruf, Familie und Gesundheit hintangestellt. Doch mit einem Schlag ist alles vorbei: Er ist nicht mehr Vorsitzender der Hockey-Abteilung und sagt: „Der VfL ist für mich gestorben.“

Seit 2002 führte der Fürfelder die Abteilung. In dieser Zeit förderte er zuvorderst den Nachwuchs. Mit großem Erfolg: Der VfL besetzt aktuell nicht nur alle Altersklassen, die Frauen des VfL stiegen mit einem Team aus Eigengewächsen in die Regionalliga auf. Zudem baute Hetzel die zahlreichen Turniere des VfL aus, allen voran das Mädchen- und das Knabenturnier im Salinental. Doch nun räumte er innerhalb weniger Tage in seinem Haus alle Hockey-Utensilien und Pokale zusammen und ließ sie mit einem Bus von der Geschäftsstelle des Hauptvereins abholen. „Ich will nichts mehr Blaues sehen“, sagt Hetzel.

VfL-Präsidentin Heike Bruckner bedauert Entwicklung

Was hat zu einer solchen Verbitterung und einer derart konsequenten Abkehr von seinem Herzensverein geführt? Mangelnde Wertschätzung des Hauptvereins einem verdienten Ehrenamtler gegenüber und eine Kommunikation, die Hetzel als „ganz schlecht“ bezeichnet. „Begleitet von fehlender Kompetenz“, wie er ergänzt.

„Wir sind sehr traurig über diese Entwicklung, weil Hans-Wilhelm Hetzel ein sehr verdienter Herzblut-VfLer ist. Wir haben ihn ja nicht ohne Grund im Jahr 2023 zu unserem Ehrenmitglied ernannt“, sagt Heike Bruckner, die Präsidentin des VfL, und ergänzt: „Wir bedauern den Schritt von Hans-Wilhelm Hetzel extrem. Wir hätten alle sehr gern mit ihm weitergearbeitet und sind ihm für seine aufopfernde Arbeit in den vergangenen Jahren sehr dankbar.“

Das erste Minderheitsbegehren seit 1848

Ausgangspunkt von allem sind ein Passus in den Satzungen des VfL und seiner Abteilungen sowie ein Minderheitsbegehren. Laut Satzung muss alle drei Jahre eine Abteilungsversammlung einberufen und ein Vorstand gewählt werden. „Danach hat nie ein Hahn gekräht“, sagt Hetzel und fügt an: „Unter Horst Schrögel gab es zehn Jahre und mehr keine Versammlung, weil keine notwendig war.“ Auch unter Hetzels Regie wurde zwischen 2010 und 2017 nicht gewählt. Die letzte Hockey-Abteilungsversammlung fand am 23. September 2021 statt. Laut Satzung hätte also bis zum 23. September 2024 wieder gewählt werden müssen.

Eine solche Wahl wurde nun erzwungen – durch ein Minderheitsbegehren. Ein rechtliches Mittel, das bindend ist, wenn zehn Prozent der Mitglieder der Abteilung oder eines Vereins es unterschreiben. Ein solches Minderheitsbegehren – übrigens das erste in dem 1848 gegründeten Verein – wurde mit dem Hinweis auf die ausstehenden Wahlen initiiert und von der erforderlichen Zahl an Mitgliedern unterzeichnet. „Das ist rechtlich völlig okay, dagegen ist nichts einzuwenden“, betont Hetzel, auch wenn er sich wundert, dass die Initiatoren sich nicht persönlich an ihn gewandt haben. Zumal er noch am 27. Januar 2025 bei einer Abteilungsvorstandssitzung mitgeteilt hatte, dass er den Abteilungsvorsitz über kurz oder lang abgeben möchte und sich die Kollegen Gedanken über eine geregelte Übergabe des Vorsitzes machen sollen.

E-Mail ohne vorheriges Gespräch wertet Hetzel als Affront

Die Geschäftsstelle des VfL-Hauptvereins prüfte nach dem Eingang des Minderheitsbegehrens die Rechtmäßigkeit, checkte auch die Unterschriften. Und nun folgte der aus Hetzels Sicht entscheidende Schritt, der seine Verärgerung auslöste: Nina Schmall, die Leiterin der Geschäftsstelle des VfL, teilte Hetzel in einer E-Mail die nackten Fakten und die satzungskonformen Folgen mit, unter anderem, dass aufgrund des Minderheitsbegehrens innerhalb von drei Wochen eine Abteilungsversammlung einberufen werden muss und bis zu diesem Zeitpunkt der Vorstand der Abteilung nicht mehr offiziell im Amt sei. Für Hetzel ein Affront. „Es kann doch nicht sein, dass mir als Ehrenmitglied eine derartige Entwicklung in einer formlosen Mail mitgeteilt wird. Das Mindeste wäre gewesen und das gebietet der Anstand, dass mich die Präsidentin in einem persönlichen Gespräch informiert.“

Die VfL-Präsidentin erklärt dazu, dass sie sich zum Zeitpunkt der Zuspitzung im Urlaub befand. Sie sagt aber auch: „Ein solches Gespräch hätte überhaupt nichts geändert, schon gar nichts an der juristischen Abfolge, bei der uns die Hände gebunden sind. Wir haben den alten Abteilungsvorstand aber bis zur Mitgliederversammlung kommissarisch berufen. Alle Vorstandsmitglieder außer Hans-Wilhelm Hetzel haben diesem Vorgehen zugestimmt.“ Die Präsidentin stellt sich auch komplett vor die seit Dezember im VfL tätige Nina Schmall: „Sie hat nichts falsch gemacht. Wir sind sehr zufrieden mit der Arbeit von Nina Schmall.“

Hetzel schließt Besuch der Abteilungsversammlung für sich aus

Hetzel berief nach dem Erhalt der Mail eine Sitzung ein mit seinem Abteilungsvorstand, dem Präsidium des Hauptvereins und dem Verwaltungsrat, die aber keine Entschärfung der Situation brachte. Im Gegenteil: Hetzel entschied anschließend, dass er nicht mehr für den Abteilungsvorstand kandidiert und beendete das Kapitel VfL für sich mit sofortiger Wirkung. Er schließt sogar aus, die erzwungene Abteilungsversammlung zu besuchen und sich von den Mitgliedern zu verabschieden, für die er mehr als 20 Jahre der erste Ansprechpartner war.

„Ich bin froh, dass ich den Absprung geschafft habe. Ob ein Jahr früher oder später, spielt keine Rolle. Aber natürlich hätte ich mir eine andere Vorgehensweise anlässlich meines Abschieds gewünscht“, sagt Hetzel und fügt an: „Mit Charakter und Stil hatte das nichts zu tun. 30 Jahre Ehrenamt, und dann gibt es einen Arschtritt per Mail. Mit mir macht man so etwas nicht. Viele Menschen rufen mich an und sind schockiert, wie mit mir umgegangen wurde. Auch ein Mitglied des Präsidiums hat sich für die Vorgehensweise bereits entschuldigt.“

Andere Abteilungen setzen Drei-Jahres-Regel mit „großer Harmonie“ um

Er macht keinen Hehl daraus, dass sich seine Verärgerung gegen Präsidentin Heike Bruckner richtet: „Es kann doch nicht sein, dass eine derart brisante Mail die Geschäftsstelle verlässt, und die Präsidentin weiß von nichts. Das ist Negativwerbung auf höchstem Niveau für den Verein. Die Chaostage beim VfL gehen weiter.“ Damit spielt Hetzel auf die Kritik von Steffen Oberst an Heike Bruckner sowie auf die Abmeldung des Ringer-Bundesliga-Teams an. Hetzel: „Inhaltlich hatte Steffen Oberst mit seiner Kritik am schwachen Präsidium des VfL recht, und mit der Abmeldung wurde das Lebenswerk des Abteilungsleiters Oliver Eich zerstört.“ So wie nun sein Hockey-Lebenswerk in wenigen Tagen zerbrach.

Heike Bruckner betont, dass alle Entscheidungen im Vorstandsteam getroffen worden sind. „Ich spüre einen großen Rückhalt aus dem Präsidium und anderen Abteilungen. Das tut gut“, sagt sie. Die Abteilungen, bei denen die Drei-Jahre-Regel ebenfalls aufgeploppt ist und die nun schleunigst wählen müssen, „setzen das in größter Harmonie um“, erzählt die Präsidentin, die ergänzt: „Wir haben offene Positionen im Präsidium, das stimmt. Wir suchen Mitstreiter, doch das ist nicht so einfach. Viele lehnen das Ehrenamt ab, weil sie persönliche Verletzungen befürchten.“

„Ich bin überzeugt, dass den Initiatoren nicht bewusst war, was sie damit bewirken und lostreten.“ Heike Bruckner

Es bleibt die Frage, wer den Stein ins Rollen gebracht hat mit der Einleitung des Minderheitsbegehrens. Hetzel möchte nicht darüber spekulieren, wundert sich aber, dass viele Spielerinnen des Frauenteams unterschrieben haben, das von ihm stets gefördert wurde. Heike Bruckner stellt klar, dass die Unterschriften entscheidend sind. Initiatoren müssen sich nicht zu erkennen geben. „Es gab Meinungsverschiedenheiten in der Abteilung um den Zeitpunkt der Wahlen. Ich bin aber überzeugt, dass den Initiatoren nicht bewusst war, was sie damit bewirken und lostreten“, sagt Heike Bruckner und fügt an: „Hans-Wilhelm Hetzel ist als Mann der Tat, der nie lange fackelt, sondern handelt, bekannt.“

Bei der durch das VfL-Präsidium einzuberufenen Abteilungsversammlung wird nun ein neuer Hockey-Vorstand gewählt. Viele bisherige Vorstandsmitglieder werden sich wieder zur Wahl stellen – möglicherweise mit Mirko Montigny als Kandidaten für den Abteilungsvorsitz. Hätte sich Hetzel da mehr Loyalität gewünscht? „Nein“, antwortet er und fügt an: „Alleine in diesem Jahr stehen zwölf Veranstaltungen an. Es muss ja weitergehen, und mir ist daran gelegen, dass es weitergeht. Auch wenn es für mich persönlich kein Hockey und ganz besonders keinen VfL 1848 Bad Kreuznach mehr geben wird.“

Top-News aus dem Sport