Bernd Dietrich wusste, dass es am Samstagabend emotional wird. „Weinen werde ich wahrscheinlich, wenn etwas Unerwartetes kommt“, hatte der 78-jährige Betreuer des TuS Holzheim in den Tagen vor seinem letzten Spiel auf der Bank gesagt. Nun kam sein Abschied nach 37 Jahren (!) – weil sich selbst auferlegt – zwar nicht überraschend, die Tränen standen der „lebenden Legende“, wie der TuS-Vorsitzende André Hoffmeister es in seiner Ansprache am Hallenmikrofon ausdrückte, trotzdem in den Augen. „Er wird kaum zu ersetzen sein“, weiß Holzheims Trainer Dominik Jung, der sich mit Dietrich nach dem letzten Schlusspfiff der Saison in den Armen lag und später im Plausch die Frage stellte: „Willst du das mit dem Aufhören jetzt wirklich durchziehen?“
Mannschaft und Publikum feierten schon vor Spielbeginn den Aussteiger. Den Schönheitsfehler brachten die Unparteiischen ins Spiel, die wenig Verständnis für die Verzögerung zeigten, diese im Spielberichtsbogen vermerkten, Schiedsrichter Matti Mäkitalo rollte während der Verabschiedung genervt die Augen.
„Wir wollten unbedingt für Bernd gewinnen. Das war uns allen sehr wichtig.“
Holzheims Trainer Dominik Jung nach dem Heimsieg gegen Breckenheim
Der siebte Saisonsieg der Rot-Schwarzen versüßte Dietrichs letzten Handballabend in der Funktion als zuverlässiger Mann für alle Fälle. Mit 25:23 (12:12) bezwangen die Ardecker den Tabellenfünften HSG Breckenheim/Wallau/Massenheim, weil Ben Fischer im Tor eine deutlich bessere Leistung abrief in den vergangenen Wochen und die Mannschaft den absoluten Willen erkennen ließ, sich erfolgreich in die Sommerpause zu verabschieden. „Moral und Leidenschaft waren groß. Wir wollten unbedingt für Bernd gewinnen. Das war uns allen sehr wichtig“, merkte Trainer Jung an.
Holzheim verlässt die Regionalliga nach einem Jahr als Tabellenletzter mit 16 Pluspunkten. Zwei Zähler mehr hätten gereicht für den fast schon sensationellen Klassenverbleib. Wenn die Ardecker häufiger so gespielt hätten wie am Samstag, wäre dieser möglich gewesen. „Schade“, kommentierte der Trainer. Das Manko bei der Chancenverwertung war einmal mehr da, aber diesmal ließ man sich von den Tiefen während der 60 Minuten weniger aus der Bahn werfen als in anderen Begegnungen. Jung: „Das heutige Spiel zeigt, wie der Charakter der Mannschaft ist.“
Letztlich entscheidend für den Wiederabstieg in die Oberliga waren die drei Niederlagen in den Vier-Punkte-Spielen gegen die HSG Kleenheim-Langgöns und den TV Hüttenberg II. „Und wir hatten auch ansonsten noch genügend Chancen“, ergänzte Jung.
Gastgeber verteidigen griffiger
Neben Betreuer-Urgestein Dietrich verabschiedete der Verein auch Robert Dettling und Thimo Wagner, der in seinem letzten Spiel im TuS-Dress sechsmal traf. Die ersten Akzente der Partie setzte der ehemalige Hanauer Drittliga-Torjäger Eric Schaeffter, der Holzheim mit seinen Rückraumtreffern vor Probleme stellte. Im Laufe der Begegnung verteidigten die Gastgeber griffiger und im Angriff ließen sie sich auch von zahlreichen Zeitspiel-Situationen nicht aus dem Konzept bringen. So wechselte die Führung nach knapp einer Viertelstunde zu den Ardeckern (8:5, 12:10). In Überzahl stellte Breckenheim, inzwischen mit dem zweitligaerfahrenen Sebastian Schermuly im Tor, vor der Pause wieder den Gleichstand her.
Sieben Minuten vor Schluss sah im gellenden Pfeifkonzert gegen viele Entscheidungen der Schiedsrichter vieles nach einer Holzheimer Niederlage aus. Schaeffter sorgte für das 20:22. Nach der Auszeit traf dann aber nur noch der TuS – viermal an der Zahl. Maximilian Schneider mit einer soliden Leistung am Kreis, Finn Langenau, Marco Becker und Lukas Fischer sicherten den finalen 4:0-Lauf zum nicht unverdienten Heimsieg.
Bis Ende Juni gönnt Dominik Jung seiner Mannschaft eine Pause. „Diese Saison hat Kraft und Energie gekostet“, freut sich der Garbenheimer auf etwas Zeit zum Durchatmen, ehe es eine Etage tiefer weitergeht. Dann wieder mit Laurin Moos nach überstandenem Kreuzbandriss, aber auch gegen starke Gegner. „Dotzheim wird aufsteigen wollen, Linden rüstet auf – es wird eine schwierige Saison“, blickt Jung voraus. Es wird die erste Saison in der Nach-Dietrich-Ära.
TuS Holzheim – HSG Breckenheim/Wallau/Massenheim 25:23 (12:12)
Holzheim: B. Fischer, K. Fischer – Langenau (1), Chodykin (2), Horn, Becker (6/2), L. Fischer (4), Dettling, Giebenhain, Schenk (2), Meffert, Bährens (2), Wagner (6/1), Schneider (2). Breckenheim/Wallau/Massenheim: Schermuly, Quandt – Schaeffter (7), Crecelius (4), Stamm, Löffler (1), Krestan, Gottron (1), Beer (1), Kummerer (3), Obergfell, Botzenhardt (3/2), Lorenz (1), Sinnecker (2/1). Schiedsrichter: Matti Mäkitalo / Marcus Schäfer (HSG Steinbach/Kronberg/Glashütten). Zeitstrafen: 4:4. Siebenmeter: 5/3 : 5/3. Spielverlauf: 0:2 (3.), 5:5 (10.), 8:5 (15.), 11:8 (22.), 12:12 (30.) – 13:15 (37.), 16:16 (42.), 18:17 (45.), 20:22 (52.), 25:23 (60.).
Zuschauer: 270.