Hilmar Bjarnason, Trainer von Regionalligist HB Mülheim-Urmitz, tritt ab. Über viele Jahre gehörte der 52-jährige Isländer zum Inventar des Vereins und der vierthöchsten Spielklasse und ist eigentlich kaum wegzudenken. Im Interview mit unserer Zeitung lässt „Isi“ seine Jahre in Mülheim Revue passieren.
Beginnen wir mal ganz vorn. 1999 sind Sie ins Rheinland gekommen. Als Spieler für die HSG Mülheim-Kärlich/Bassenheim. Wie kam es dazu, Herr Bjarnason?
Da muss ich etwas ausholen. 1995/96 war ich schon einmal für ein Jahr in Deutschland, in Hildesheim. Nach einem Jahr in der 2. Liga dort bin ich zurück nach Island und habe meine Handballkarriere dort fortgesetzt. Dann war es nach zwei Jahren alles ein Zufall. Ich hatte mir die Hand gebrochen und schaute das Spiel meiner Mannschaft auf der Tribüne an. Ein Spieler von uns, ein Däne, hatte seinen Spielerberater dabei, den ich während des Spiels so ein wenig begleitet habe. Der fragte mich dann anschließend, ob ich nicht doch wieder Lust aufs Ausland habe. Und dann kam ich ins Grübeln.
Wie ging es dann weiter?
Der Spielerberater berichtete mir vom Interesse eines deutschen Zweitligisten. Ich konnte durch die Schule und die Zeit in Hildesheim schon ganz gut Deutsch. Schnell saß ich im Flieger. Eine Woche Probetraining. Nach der zweiten Woche und nach Rücksprache mit meiner Frau habe ich für zwei Jahre unterschrieben. Wir hatten schon unsere Söhne, damals sechs und neun, und wollten einfach noch einmal ein Abenteuer wagen. Dass es dann 26 Jahre werden sollten, war damals überhaupt nicht zu ahnen.
War es dann Liebe auf den ersten Blick, hinsichtlich des Vereins und der Umgebung?
Auf jeden Fall haben wir uns im ersten Jahr ganz schnell sehr wohl gefühlt. Karl Heift und seine Frau Margret haben uns in Düsseldorf abgeholt und das erste Jahr begleitet und geholfen. Über die Familie Grüters bekamen wir eine Wohnung vermittelt, die wir zuvor nie gesehen haben, in der wir aber noch heute leben. Das Kleinstadtleben gefiel uns gut, und auch das Wetter mit den Jahreszeiten, die wir so in Island ja nicht hatten.
Die HSG ist in der Saison 2000/2001 sportlich abgestiegen aus der 2. Liga. Sie sind geblieben. Warum?
Meine Frau und ich waren dabei, uns ein zweites Standbein aufzubauen. Wir haben beide eine Lehre begonnen, schließlich kann man nur vom Handball auf dem Niveau auch nicht leben. Wir haben die Sprache besser gelernt, Freunde gefunden. Und so kam eins zum anderen.
Sportlich haben Sie eine neue Herausforderung gesucht und bei der HSV Rhein-Nette in der Oberliga gefunden. Drei Jahre lang spielten sie dort, bevor es zurück nach Mülheim ging.
Bei der HSV habe ich den Handball noch einmal ganz anders kennengelernt. Wir als Spieler haben dort alles selbst gemacht. Das hatte mit Profitum nichts zu tun. Aber es war sehr lehrreich und hat Freundschaften gebracht, die auch bis heute andauern.
Nach der Rückkehr ging es recht schnell. Ein letztes Jahr als Spieler in Mülheim und dann ab 2007 Trainer. Wie kam es dazu? War es immer der Plan, Trainer zu werden?
Eigentlich gar nicht. Das hat sich auch irgendwie so ergeben, vielleicht lag es als Spielmacher einfach nahe. Erst sollte ich als Co-Trainer unter Hermi Häring aufgebaut werden. Als dieser dann ging, blieb ich irgendwie übrig. Ich habe die Aufgabe ganz unbedarft übernommen und nie geahnt, dass es dann einmal 18 Jahre werden sollten.
Sie haben dann schnell auch die Tiefen miterlebt. 2009 Insolvenz, Auflösung der HSG und Zwangsabstieg in die Rheinlandliga.
Entscheidend waren dann die Leute, die mit dem TV 05 Mülheim einen Neuaufbau vorantreiben wollten. Allen voran Marcus Bauer, dem der Verein eigentlich alles zu verdanken hat. Er hat wohl keinen Günstigeren als mich gefunden. Spaß beiseite. Marcus ist ein sehr guter Freund und wir haben es dann, mit einigen anderen natürlich, ruhig und ohne Hektik aufgebaut. Wir wollten auf die eigene Jugend setzen und Spieler entwickeln. Das gefiel mir einfach. Damit konnte ich mich voll identifizieren.
Bis heute wurden es dann letztlich über 500 Pflichtspiele.
Nach dem ersten Spiel habe ich meiner Frau gefragt, was die Leute auf der Tribüne so gesagt haben. Das habe ich dann nie wieder getan. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass es solange weiter geht. Aber Jahr für Jahr ging ins Land. Und ich habe es einfach wirklich gerne gemacht, am Abend in die Halle zu kommen. Die Jungs haben mich auch immer irgendwie jung gehalten. Und natürlich hat meine Frau auch vieles für mich untergeordnet.
Wie würden Sie sich als Trainer charakterisieren?
Mir war eine ehrliche Kommunikation immer am wichtigsten. Und ich habe versucht, den Spielern zu vermitteln, dass alles, was wir hier in Mülheim haben und hatten, nicht selbstverständlich ist.
Gibt es Spiele und Spieler, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Allen voran natürlich die Derbys gegen Vallendar. Diese Spiele haben einfach etwas Besonderes. Zum Beispiel das Spiel gegen den HVV auf dem Oberwerth, da lagen wir zur Halbzeit mit zehn zurück und haben am Ende Remis gespielt. Wäre die Partie noch 20 Sekunden länger gegangen, hätten wir sicherlich gewonnen. Spieler waren es auch so viele. Einige sind natürlich viele Jahre dabei, gerade die Jungs die 2000 bis 2004 aus der eigenen Jugend kamen. Martin Langen hatte nie einen anderen Seniorentrainer. Dazu natürlich Max Zerwas und Philipp Schwenzer, die waren einfach viele Jahre dabei. Und jetzt sind Spieler im Kader, die noch gar nicht geboren waren, als ich Trainer wurde. Aber ich hatte nie einen Lieblingsspieler und habe versucht, alle gleich zu behandeln. Beim letzten Spiel waren auch viele Ehemalige dabei. Und aus den Gesprächen scheint es mir auch ganz gut gelungen zu sein.
Wie geht es nun weiter ohne Handball?
Es ist schon komisch. Mein Leben lang kenne ich nichts anderes als Handball. Mehrmals Training und dann die Spiele. Das war immer so vorgegeben. Aber jetzt ist es an der Zeit, zurückzugeben, vor allem meiner Frau. Wir haben drei Enkelkinder, um die wir uns mehr kümmern möchten. Bis Oktober ist eigentlich jedes Wochenende verplant.
Werden Sie dem Handball verbunden bleiben?
Sportlich gesehen werde ich mehr Zeit mit meinem Hobby, dem Golfspielen verbringen. Und Rad fahren. Aber ich werde als großer Fan in der Halle sein und die Mannschaft anfeuern. Und vielleicht irgendwann wieder in irgendeiner Funktion etwas machen. Man soll ja nie nie sagen. Vielleicht gehe ich meiner Frau auch irgendwann auf die Nerven und sie schickt mich wieder in die Halle. Vorerst ist das Kapitel aber beendet. Die Zeit wird zeigen, was noch kommt. Was zum Glück immer bleibt, sind die tollen Freundschaften, die aus dem Sport entstanden sind.