Neuwied
Insolvenz des EHC Neuwied: "Mehrkosten und geplatzter Hallenkauf sind schuld"

Sie stellten sich in Koblenz den Fragen der RZ-Sportredaktion: Der Vorsitzende des EHC Neuwied, Peter Billigmann, begleitet von seinem Sohn Carsten Billigmann (links), der als Teammanager der Neuwieder Oberliga-Mannschaft fungierte.

Hilko Röttgers

Neuwied. Der Insolvenzantrag des EHC "Die Bären" Neuwied macht die Mitglieder und Fans des Eishockey-Oberligisten fassungslos und teilweise auch wütend, wie zahlreiche Reaktionen in den sozialen Medien zeigen. Am Tag nach der Hiobsbotschaft stellte sich der Vereinsvorsitzende Professor Peter Billigmann unserer Zeitung zum Interview, um diesen überraschenden Schritt zu erklären.

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Vor eineinhalb Jahren haben Sie im Interview mit unserer Zeitung gesagt, mit Ihnen gäbe es keine weitere Insolvenz beim EHC Neuwied. Warum ist es ausgerechnet jetzt doch so gekommen?

Zum einen hat die abgelaufene Saison bei einem Etat von 750 000 Euro Verbindlichkeiten von 100 000 Euro hinterlassen. Die Hälfte davon sind Altlasten, die vor unserer Zeit entstanden sind, sowie Nebenkosten, die in dieser Höhe nicht eingeplant waren. Es ist nicht so, dass wir nicht rechnen können, aber der erst spät feststehende Zuschnitt der neuen Oberliga Nord hat zu erheblichen Mehrkosten geführt. Wir mussten zum Beispiel für die Busfahrt nach Rostock wegen der vorgeschriebenen Pausenzeiten nicht weniger als drei Busfahrer engagieren. Die Fahrtkosten sind gegenüber der vorangegangenen Spielzeit um einen fünfstelligen Betrag nach oben geschossen. Daneben waren wir gezwungen, die Wohnungen, die wir für unsere Spieler angemietet haben, auch während der spielfreien Monate zu bezahlen, obwohl sie in diesem Zeitraum leer standen.

Wären die Mehrkosten nicht durch Sponsoren zu decken gewesen?

Im Grunde schon, doch nur unter der Voraussetzung, dass der Betrieb der Eishalle gesichert ist. Eine dem Verein nahestehende Investorengruppe war bereit, das Ice House zu erwerben und zu betreiben. Doch dann kamen unsere Fachleute bei einer Begehung der Halle zu dem Schluss, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Eigentümers und Betreibers nicht nachvollziehbar war. Es wären nach unseren Berechnungen weitaus höhere Kosten entstanden als angegeben. Bei aller Sympathie für den EHC wollen die Investoren bei einem solchen Geschäft natürlich mindestens eine schwarze Null sehen, nach Möglichkeit ein bisschen mehr.

Wären diese Differenzen nicht verhandelbar gewesen, beispielsweise durch einen niedrigeren Kaufpreis als die eine Million Euro, die vom Halleneigentümer Uwe Weidemann gefordert wurde?

Wir waren für alle Denkmodelle offen, aber bei Herrn Weidemann ging die Jalousie runter, als wir ihm erklärt haben, dass sich der Erwerb der Halle unter diesen Umständen für unsere Investoren nicht rechnet. Er war sichtlich überrascht und danach nicht mehr verhandlungsbereit.

Für eine Saison hätten Sie aber noch zu den alten Bedingungen im Ice House spielen und trainieren können?

Unter diesen Voraussetzungen war verständlicherweise kein Sponsor mehr bereit, die Finanzierungslücke zu schließen. Wer macht das schon für ein Jahr? Davon abgesehen, hätten wir für ein Jahr ohnehin keine Lizenz mehr für die Oberliga bekommen. Das hat der Ligenleiter Oliver Seeliger unserem Manager Carsten Billigmann persönlich bestätigt. Auch die Sponsoren und Fans wären angesichts der Aussicht auf nur noch ein Jahr Eishockey nicht mit demselben Engagement bei der Sache gewesen wie bisher. Das Finanzloch wäre weiter angewachsen ohne Aussicht auf höhere Einnahmen.

Der Hallenbesitzer Uwe Weidemann wirft dem EHC vor, seine Vertreter seien arrogant aufgetreten. Das Verhältnis der beiden Parteien war offenbar nicht das beste?

Arrogant, na ja, dazu sage ich jetzt nichts. Fakt ist, wir mussten immer mit der Vorhaltung leben, dass die Betreibergesellschaft mit den Eislaufzeiten Geld verdient hat, mit dem EHC aber nicht. Das konnten und können wir so nicht nachvollziehen, wenn man nur den Getränkeumsatz bei unseren Heimspielen betrachtet. Unser Spieler Jens Hergt hat kostenlos Eislaufunterricht erteilt. Trotzdem waren und sind wir im Ice House immer nur geduldet.

Viele Mitglieder und Fans beklagen sich, dass sie auf dem Weg in die Insolvenz nicht mitgenommen, nicht einmal informiert wurden. Wäre nicht noch Zeit für eine Mitgliederversammlung gewesen, in der Sie die Karten auf den Tisch hätten legen können?

Es gibt für ehrenamtlich geführte Vereine zwar nicht den Tatbestand der Insolvenzverschleppung, aber wir haben trotzdem den dringenden juristischen Rat bekommen, den Insolvenzantrag so schnell wie möglich zu stellen. Das haben wir dann auch getan.

Haben die Erfolge der jüngeren Vergangenheit die Sponsorensuche nicht erleichtert?

Der sportliche Erfolg war ja da. Aber ich habe mir die Hacken wund gelaufen, um mehr Förderer aufzutreiben – ohne Erfolg. Nur ein Beispiel: Bei einer Veranstaltung im Frühjahr unter dem Motto „Sport trifft Wirtschaft“, veranstaltet von der Stadt Neuwied mit dem Oberbürgermeister an der Spitze, war nur eine Handvoll Wirtschaftsvertreter zugegen, die meisten Stühle blieben leer. Wenn ich das Transparent sehe, das die Stadtwerke an der Deichwelle aufgehängt haben und auf dem steht „Willkommen in der Eishockeystadt Neuwied“, wird mir ganz wehmütig ums Herz.

Über die Zuschauerzahlen können Sie sich nicht beschweren, oder?

Nun ja, der harte Kern unserer Fans besteht aus rund 800 Leuten. Das sind vielleicht die treuesten Fans der Liga, aber damit ist keine Saison zu stemmen. 1200 Zuschauer im Schnitt sind nicht schlecht, aber auch nicht berauschend. Dabei haben wir alles getan, auch mit Hilfe der Medien, um mehr Zuschauer in die Halle zu bekommen. Aber wenn man sieht, dass zu einem sportlich weniger brisanten Spiel gegen Herne 1900 Zuschauer in der Halle waren und beim Play-off-Spiel gegen die Hannover Indians nur knapp 1700, dann ist das nicht zu verstehen. Viele Fans wollen lieber einen Sieg mit zehn Toren Unterschied sehen als eine spannende hochklassige Partie auf Augenhöhe, die wir dann eventuell im Penaltyschießen verlieren.

Warum haben Sie trotz der trüben Aussichten so intensiv am Umbau des Kaders gearbeitet und bereits positive Meldungen über gelungene Transfers verbreitet?

Wir haben ja geplant unter der Prämisse, dass wir mit dem Hallenbesitzer zu einer Einigung kommen. Die Hiobsbotschaft hat die sportliche Leitung dann mitten in der Arbeit überrascht. Insgesamt hätte uns der geplante Kader für die kommende Saison nicht mehr gekostet als bisher, sondern eher etwas weniger. Jetzt müssen wir den bereits verpflichteten Spielern und auch dem Trainer dabei helfen, dass sie anderswo unterkommen.

Hochklassiges Eishockey wird es also in nächster Zukunft in Neuwied nicht mehr geben. Was wird aus der Nachwuchsarbeit?

Wir sind bemüht, über den Förderverein alles zu tun, dass unsere Jugend so lange im Ice House spielen und trainieren kann, wie es eben geht.

Wie wird es weitergehen mit dem EHC Neuwied?

Am 7. Juli findet unsere Mitgliederversammlung statt, bei der ich auch unter anderen Umständen meine Ankündigung wahr gemacht hätte und zurückgetreten wäre. Derzeit ist allerdings kein Nachfolger in Sicht, das heißt, der bisherige Vorstand muss wohl kommissarisch weiter amtieren. Alles Weitere hängt auch vom Verlauf des Insolvenzverfahrens ab.

Das Gespräch führten unsere Redakteure Christoph Hansen und Stefan Kieffer

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