Fußball: Vor 50 Jahren feierte ein extrem junges Team der ESG 06 Betzdorf einen großen Erfolg
Vor 50 Jahren: Starkes Saisonfinale führte ESG 06 Betzdorf in die höchste Amateurliga
Mit dieser jungen Mannschaft legte die ESG 06 Betzdorf in der Saison 1970/71 einen starken Endspurt hin, der ihr zum Aufstieg in die damals dritthöchste Spielklasse verhalf, stehend von links: Fevzi Dereli, Wolf-Dieter Stein, Dieter Weber, Eberhard Schütz, Ralf Panthel, Karl-Heinz Nauroth, Günter Kohlhaas (nur Kopf zu sehen), Manfred Hönnicke, Dietmar Raabe (mit Anzug und Krawatte) und Trainer Manfred Wingenroth. Hockend von links: Gerhard Helmus, Bernd Profitlich, Bernd Helmus, Berthold Muhl, Winfried Pfeifer und Werner Heidrich. Foto: privat

Betzdorf. Was den Spielern der ESG 06 Betzdorf wohl durch den Kopf ging, als der Schiedsrichter am letzten Spieltag der Fußballsaison 1970/71 im Heimspiel gegen den TuS Asbach beim Stand von 0:0 zur Halbzeit pfiff? Vermutlich auch die Frage, wie sich die Sportfreunde Herdorf bislang in Daaden schlagen würden. Doch im Fernduell um die Meisterschaft in der Ost-Staffel der Bezirksklasse Koblenz war jede Mannschaft auf sich allein gestellt. „Infos von anderen Sportplätzen zu bekommen, war damals schwierig“, weiß Ralf Panthel, dem jedenfalls nicht bekannt ist, dass eigens für dieses Saisonfinale eine Festnetzverbindung zwischen beiden Spielorten hergestellt worden sei.

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Dem damals 19-Jährigen konnte im Verlauf des zweiten Durchgangs aber auch zunehmend egal sein, was sich nur wenige Kilometer entfernt abspielte. Hatten sich die Gäste aus Asbach als bereits feststehender Absteiger in den ersten 45 Minuten noch tapfer gewehrt, so waren sie der Klasse des Tabellenführers nach der Pause nicht mehr gewachsen. Mit 4:0 setzte sich die Eisenbahner Sportgemeinschaft – heute bekannt als SG 06 Betzdorf – am Ende durch und machte damit den Aufstieg in die „Amateurliga Rheinland“, die damals höchste Amateurspielklasse im Fußballverband Rheinland, perfekt. Ein Erfolg, der in Erinnerung geblieben ist – und der sich am morgigen Sonntag zum 50. Mal jährt.

Das vorgezogene Endspiel um Meisterschaft und Aufstieg hatte es allerdings schon eine Woche zuvor gegeben, als es auf dem Rasenplatz in Herdorf vor 4000 Zuschauern zum direkten Duell der beiden Spitzenteams kam. Unter Trainer Manfred Wingenroth war die ESG durch eine beeindruckende Siegesserie bis auf einen Punkt an Herdorf herangerückt und hatte nun die Chance, mit einem Sieg im Derby erstmals in der Saison die Tabellenführung zu übernehmen.

Dass das dank eines Kopfballtors von Eberhard Schütz auch gelang, ist für Ralf Panthel noch heute vor allem deshalb besonders hoch zu bewerten, da die Sportfreunde Herdorf gegenüber den meisten Teams einen wertvollen Vorteil hatten: ihren Rasenplatz. Nicht nur aufgrund der schwarzen Asche auf dem Betzdorfer Bühl waren die ESG-Spieler Hartplätze gewohnt, denn auch die meisten anderen Vereine spielten auf einem solchen Untergrund. „Wenn man dann nur einmal im Jahr auf Rasen ran durfte, war das nicht einfach“, erinnert sich Panthel.

Farbenfrohes Derby

Spielszenen und Impressionen des vorentscheidenden Duells zwischen den Sportfreunden Herdorf und der ESG 06 Betzdorf gibt es auch bei YouTube – und das sogar in Farbe.

Neben Schütz’ wegbereitendem Kopfballtor in Herdorf sind Panthel noch andere Anekdoten aus der Aufstiegssaison in Erinnerung geblieben. Als die ESG in Steinefrenz antrat, musste sich die Mannschaft im Saal des Vereinslokals umziehen, da die Umkleidekabinen renoviert wurden. Weil es daher auch keine Duschmöglichkeiten gab, wurde den Spielern hinterher eine Wanne mit heißem Wasser gebracht. Manfred Hönnicke machte den Anfang – und stieg zum Entsetzen der Mannschaft mit den Füßen zuerst ein. Zwar nicht das genaue Spiel, sehr wohl aber die Komik der Situation hat Panthel vor Augen, als es Dietmar Raabe bei einem Eckstoß fertig brachte, dass nicht der Ball in den Strafraum, sondern stattdessen die Eckfahne einige Meter weit flog.

Unvergessen bleiben für Ralf Panthel auch die etwas weiteren Auswärtsfahrten an den Rhein. Die besonderen Geschichten erzählen allerdings nicht die Spiele in Oberbieber, Heimbach-Weis oder Neuwied, sondern die obligatorischen Zwischenstopps in einer Gaststätte in Wied, wo nach Erfolgen auch gerne mal die gesamte Prämie auf den Kopf gehauen wurde. Für Panthel, damals noch Schüler, waren die zehn Mark pro Sieg ein willkommenes Taschengeld. „Bei Lokalderbys wurden einem dann auch schon mal 30 Mark zugesteckt.“

War in der Aufstiegssaison demnach einiges bei herumgekommen, mussten die ESG-Akteure im Folgejahr mit ihrem Verdienst eher haushalten. Auch wenn das erste Heimspiel gegen den FV Engers mit 5:2 gewonnen wurde, mussten sich die Betzdorfer schon bald eingestehen, dass in der höchsten Amateurspielklasse ein anderer Wind wehte. Die junge Mannschaft, die zum Großteil aus Eigengewächsen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren bestand, musste die Spielstärke und Cleverness der Gegner anerkennen und stieg am Ende der Saison als Tabellenletzter wieder ab.

Neben der Unerfahrenheit bedeutete das junge Durchschnittsalter einen weiteren Nachteil. Während es junge Spieler heutzutage wegen des Studiums in die Ferne zieht, wurden damals einige Jungspunde zur Bundeswehr eingezogen, wodurch sie nicht regelmäßig trainieren konnten und teilweise auch bei wichtigen Spielen fehlten. Beim Treiben rund um den Platz zählte die ESG Betzdorf aber immerhin mit einem Durchschnitt 715 von Zuschauern pro Heimspiel zur Ligaspitze.

Dass die Betzdorfer in der Rheinlandliga letztlich keine echte Chance auf den Klassenverbleib haben würden, hätte zumindest Erich Ribbeck so wohl nicht erwartet, nachdem er im November 1971 mit Eintracht Frankfurt für ein Freundschaftsspiel auf dem Bühl vorbeigeschaut hatte. Beim 6:3-Erfolg des Bundesligisten, für den die späteren Weltmeister Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein aufliefen, kämpfte sich die ESG nach schnellem 0:3-Rückstand auf 2:3 heran und war zu Beginn der zweiten Halbzeit sogar dem Ausgleich nahe, was Ribbeck beim gemeinsamen Abendessen beider Teams zu einem Lob veranlasste.

Ins Gedächtnis der Eintracht-Funktionäre hatte sich vor allem Bernd Helmus gespielt, der später sogar ein Angebot für einen Wechsel nach Frankfurt erhielt. „Er war Betzdorfs herausragender Fußballer“, schwärmt Ralf Panthel von seinem einstigen Teamkollegen. Dass es jedoch nie zu einem Wechsel kam, hing mit Helmus’ familiär-beruflicher Verpflichtung zusammen, die elterliche Metzgerei zu übernehmen. „Deshalb hat er auch ziemlich früh ganz mit dem Fußball aufhören müssen“, erzählt Panthel.

Andreas Hundhammer/red

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