Sie stehen jede Woche im Mittelpunkt. Beim Anpfiff, während des Spiels, und sie verantworten auch die letzte Aktion des Spiels, den Abpfiff. Die Schiedsrichter prägen den Fußball. Wir wollen in einer Serie einen Einblick geben in die Sichtweisen der Unparteiischen, den Aufwand, den sie betreiben, auch darlegen und herausarbeiten, was sie antreibt. Zum Auftakt der Serie spricht der Obmann des Kreises Bad Kreuznach, Torsten Bauer.
Beschimpfungen, Anfeindungen, blöde Kommentare – Herr Bauer, ganz direkt gefragt: Warum tun Sie und Ihre Kollegen sich das Woche für Woche an?
Das ist eine Frage, die wir oft gestellt bekommen. Und ich möchte an dieser Stelle der Schiedsrichterei gerne mal das Negative nehmen, auch den Menschen die Angst davor. Für mich persönlich ist es einfach seit 30 Jahren ein ganz tolles Hobby.
Wo steht die Schiedsrichter-Vereinigung Bad Kreuznach im Jahr 2025?
Es ist kein Vergleich mehr zu den Jahren nach Corona, die schwierig waren. Wir haben einige neue Schiedsrichter dazubekommen, die wir gut integrieren konnten. Ich blicke optimistisch in die Zukunft, auch wenn wir natürlich noch immer weitere Schiedsrichterkollegen gebrauchen können.
In welchem Bereich suchen Sie Zugänge?
In allen Bereichen. Natürlich jüngere Schiedsrichter, denen wir eine Perspektive bieten können, aber auch ältere Kollegen helfen uns weiter. Es ist schließlich nicht mehr so, dass jeder Schiedsrichter zwei Spiele die Woche pfeift. Die Zeiten haben sich geändert, viele Kollegen nehmen sich immer mal wieder Auszeiten. Da fehlt es bisweilen an der Regelmäßigkeit, und das macht es bei der Besetzung der Spiele nicht leicht. Ich werde nicht müde zu betonen, dass ich mir viel mehr ehemalige Fußballer wünschen würde, die nach ihrer Spielerkarriere eine Karriere bei uns machen.
Welche Spielklasse können Sie diesen Quereinsteigern anbieten?
Bezirksliga auf jeden Fall. Beliebte Beispiele von mir sind Ernie Karsch und Sascha Maurer. Die wissen, was auf dem Platz abgeht, und können Situationen sehr gut bewerten. Dazu haben sie eine gewisse körperliche Fitness. Es freut mich total, wenn ich sehe, wie viel Spaß ihnen die Schiedsrichter-Aufgabe bereitet.
Sind für diese Kollegen auch Einsätze als Assistenten in höheren Klassen denkbar?
Auf jeden Fall und sehr gerne. Gerade bei Einsätzen zu dritt entsteht ja auch dieses Kameradschaftsgefühl, das ehemalige Fußballer vermissen und das wir ihnen in dieser Form bieten können.
Sie haben gesagt, dass es gelungen sei, neue Kollegen zu integrieren. Was meinen Sie damit?
Dabei denke ich vor allem an unser Patensystem. In den ersten drei Spielen wird jeder Neuling von einem erfahrenen Kollegen begleitet. Das ist extrem wichtig, vor allem für die jungen Kollegen. Es geht darum, dass sie zum Auftakt nicht alleine mit den ganzen Begleitumständen kämpfen müssen. Wir holen die Interessenten mittlerweile auch schon vor den Lehrgängen ab, fragen, wie wir sie unterstützen können. Ganz wichtig ist nach dem Lehrgang aber auch die Eigenmotivation, als Beispiel sei das Interesse genannt, sich mit regelmäßigen Besuchen unserer Pflichtsitzungen fortzubilden und so die eigene Qualität zu verbessern.

Seit einigen Jahren werden die Vereine stärker zur Kasse gebeten, wenn sie keine oder zu wenig Schiedsrichter melden. Merken Sie da einen Effekt?
Ja, das merken wir alleine schon daran, dass sämtliche Neulingslehrgänge in Edenkoben ausgebucht sind und Zusatzlehrgänge angeboten werden müssen. Aber der Lehrgang ist nur der erste Schritt, die Schiedsrichter müssen dann auch genügend Spiele pfeifen, um ihren Verein zu entlasten. Und regelmäßige Einsätze sind, unabhängig der Motivation zu pfeifen, einfach unerlässlich. Nur über Praxiseinsätze baue ich mir einen Erfahrungsschatz auf, der es mir ermöglicht, besser zu werden. Das gilt für Spieler und für Schiedsrichter gleichermaßen.
Sie arbeiten als Obmann viel mit Ihren Schützlingen. Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Vereinen aus?
Wir pflegen einen sehr kameradschaftlichen Umgang, das liegt sicher auch daran, dass ich schon einige Jährchen im Amt bin. Viele Vereine rufen mich auch an. Aber eines mache ich dann nicht: Über einzelne Spielsituationen diskutieren, die ich nicht gesehen habe. Sehr gut kam auch an, dass wir gemeinsam mit dem Kreisvorstand, beispielsweise mit Thomas Dubravsky, Vereine besucht haben, die zuvor auffällig waren. Das hat immer Früchte getragen.
Was fordern Sie von den Vereinen ein?
Gegenseitiges Verständnis. Wenn Emotionen im Spiel sind, wird es oftmals schwierig, trotzdem sollten sich auch die Vereine immer die Schiedsrichterseite vor Augen führen. Das ist aber keine Einbahnstraße. Auch wir sind nicht blind und machen unsere Hausaufgaben. Wenn es Probleme gibt, werden die innerhalb der Vereinigung klar angesprochen.
Ist die Digitalisierung für die Schiedsrichter eher Fluch oder Segen?
Ganz klar Segen. Alleine die Ansetzungen per Mail und App bearbeiten und erhalten zu können, ist eine Erleichterung. Aber das Ganze funktioniert natürlich auch nur so gut, wie sich alle daran halten. Das gilt sicher auch für das zeitnahe Ausfüllen der Spielberichte. Da hat sich unsere Quote deutlich verbessert, aber das war ein steiniger Weg.
Nutzen Sie die Digitalisierung auch zur Ausbildung?
Ja, in unseren Pflichtsitzungen gehen wir neue Wege, versuchen, viel mit Videosequenzen zu machen. Das hilft sehr, eine Vereinheitlichung von Entscheidungen zu fördern, was für mich ein sehr wichtiger Punkt der Schiedsrichterei ist. Aber wir setzen auch auf Gruppenarbeiten und externe Referenten. Wir wollen unseren Schiedsrichtern etwas bieten.
In Patrick Kessel haben Sie einen Schiedsrichter im Profibereich. Wie wichtig sind diese Aushängeschilder?
Ganz wichtig, wie alle Vorbildfunktionen. Ich habe das selbst erlebt, wie Jugendliche bei einem Schulprojekt an Patricks Lippen geklebt haben. Mich haben die da gar nicht mehr beachtet.
Zurück auf regionaler Ebene: Viele Landesligisten kritisieren den „Baby-Wahn“ in ihrer Klasse mit vielen jungen Schiedsrichtern.
Dazu fällt mir nur ein Wort ein: unvermeidlich. Die Altersgrenzen sind gesetzt. Wie sollen wir sonst Schiedsrichter in jungen Jahren nach oben bekommen? Ein 16-Jähriger kann noch keine zehn Jahre Erfahrung haben, also muss er sie sammeln. Zumal ich die Erkenntnis gewonnen habe, dass ein Jahr Erfahrung in einer bestimmten Klasse einen enormen Sprung bedeuten kann. Im zweiten Jahr treten die Jungs ganz anders auf, das geht aber nur dank des Einstiegsjahrs, in dem sie auch mal Lehrgeld bezahlen.
Sie brauchen weitere Schiedsrichter. Womit locken Sie diese? Warum sollen Menschen Schiedsrichter werden?
Als junger Schiedsrichter habe ich von älteren Kollegen immer gehört, wie viel ihnen die Schiedsrichter-Aufgabe im Leben gegeben hätte. Da habe ich immer drüber geschmunzelt. Und als ich verabschiedet wurde, habe ich dann das Gleiche gesagt. Das Schiedsrichteramt prägt, es beschert Lebenserfahrung und bildet die Persönlichkeit aus. Zudem lernst du mit Blick aufs Berufsleben, Dinge objektiv zu bewerten sowie kluge und nachhaltige Entscheidungen zu treffen und diese dann auch durchzusetzen. Aber eines ist mir ganz wichtig zu betonen: Als Schiedsrichter lernst du extrem viele Menschen kennen. Ich kann heute auf nahezu jeden Sportplatz kommen und finde sofort einen Gesprächspartner, mit dem ich schon mal zu tun hatte. Das ist ein schönes Gefühl.