Am Schluss ging dann sogar das Elfmeterschießen in die Verlängerung. Der VfL Rüdesheim und der Bollenbacher SV kosteten die Aufstiegsrunde zur Fußball-Bezirksliga wirklich bis zum allerletzten Tropfen aus. Es dauerte bis zum zwölften Elfmeter, ehe der VfL Rüdesheim den Bollenbacher SV im Entscheidungsspiel vor 750 Zuschauern in Simmertal in die Knie gezwungen hatte. Kamer Yakut wurde zum Vollstrecker des Aufstiegs. Der Einwechselspieler schoss die Rüdesheimer in die Bezirksliga – das Drama hatte ein Ende. Der BSV verlor letztlich 5:6. Nach den regulären 90 Minuten hatte es 0:0, nach der Verlängerung 1:1 gestanden.
Die Nerven des Aufstiegsschützen flatterten auch gar nicht. „Ich hatte ein sehr gutes Gefühl und war mir hundertprozentig sicher, dass ich verwandele“, sprudelte es nach der Partie aus Kamer Yakut heraus. Deutlich mehr Druck hatte auch zwei Minuten zuvor Cihan Yakut. Der Rüdesheimer Mittelstürmer musste seinen Elfer zwingend im Tor unterbringen, sonst wäre der BSV als Gewinner vom Feld gegangen. Voller Selbstvertrauen knallte er die Kugel ins rechte Eck und verlängerte das Elfmeterdrama, in dem der BSV zunächst in Rückstand geraten war, nachdem Justus Klein an Can Christ gescheitert war, aber nach Timo Furtwänglers Parade gegen Shahab Gafori durch Marc Lotzmann plötzlich 4:3 führte. Cihan Yakut glich aus und gab Christ die Gelegenheit zum Rüdesheimer Helden zu werden.
Herzflattern und gute Spekulation
Der VfL-Keeper parierte gegen Christopher Kornetzky und lieferte damit die Steilvorlage für Kamer Yakuts Aufstiegsschuss. „Beim Elfmeter von Justus Klein war ich überzeugt, dass ich halte. Ich kenne Justus schon lange aus gemeinsamen Zeiten in Meisenheim“, erzählte Christ, um dann zu gestehen: „Beim zweiten gehaltenen Elfer habe ich spekuliert.“ Gut spekuliert, denn er tauchte den Strafstoß des BSV-Kapitäns aus dem rechten Eck.
Christs Trainer war platt. „Ich bin glücklich, aber komplett leer, Elfmeterschießen ist schon schlimm. Man vertraut zwar seinen Spielern, aber vom Punkt ist es so ein 50:50-Ding, und ich hatte genauso Herzflattern wie alle“, sagte Baris Yakut, der Rüdesheims ersten Elfmeter verwandeln konnte, nachdem Florian Decker für den BSV vorgelegt hatte.

Decker war übrigens maßgeblich daran beteiligt, dass sich der BSV überhaupt in dieses Elfmeterschießen rettete. Sein Eckball von rechts rutschte durch auf den Kopf von Christian Horbach, der die Kugel entschlossen zum 1:1 in die Maschen rammte. Es lief die 119. Minute, und der BSV war einmal mehr bei seinem Aufstiegskampf von den Toten auferstanden.
Der VfL Rüdesheim war nämlich, kaum dass die zweimal 15 Minuten begonnen hatten, mit 1:0 in Führung gegangen. Der BSV rückte nach einer von Marc Lotzmann eigentlich resolut geklärten Ecke nicht entschlossen genug und vor allem ohne Überblick aus dem Strafraum heraus. Das führte erstens dazu, dass Ghafori die Kugel unbedrängt wieder als Bumerang zurück in den Sechzehner schießen konnte und dass zweitens Alexander Merk unbedrängt zum Kopfball kam. Die Bogenlampe des erneut großartigen VfL-Innenverteidigers war dann auch von Furtwängler im BSV-Kasten nicht mehr zu parieren (94.).
„Wie bitter willst du nicht aufsteigen“
BSV-Trainer Carsten Fuchs
Dass es der BSV überhaupt in die Verlängerung und dann auch ins Elfmeterschießen schaffte, hatte viel mit dem Co-Trainer und Torwart der „Daaler“ zu tun. Furtwängler war immer zur Stelle, als es wirklich galt. Zum letzten Mal in der 116. Minute gegen Eren Ergün, der vollkommen alleine vor ihm auftauchte, dem Schlussmann aber in die Beine ballerte und damit das entscheidende 2:0 verpasste. „Wir machen uns das Leben selbst schwer“, fand auch deshalb VfL-Tormann Christ.
„Wie bitter willst du nicht aufsteigen“, fragte BSV-Trainer Carsten Fuchs nach dem Drama, schüttelte den Kopf und erinnerte daran, dass sein Team erst in der Verlängerung des Entscheidungsspiels um die Meisterschaft in der A-Klasse 2:4 am SV Oberhausen gescheitert war und dann eine 0:7-Klatsche im ersten Aufstiegshinspiel in Rüdesheim durch ein aufopferungsvolles 2:1 in Mittelbollenbach repariert hatte.
„Wenn wir die Chancen reinmachen, dann hat der BSV überhaupt keine Chance.“
VfL-Coach Baris Yakut
In Simmertal hatte Fuchs seiner Mannschaft zunächst eine Defensivtaktik verordnet und extra von der sonst bevorzugten Dreier-Abwehrreihe auf Viererkette umgestellt. „Wir wollten erst einmal stabil stehen“, erklärte der Trainer, während sein Gegenüber, VfL-Coach Baris Yakut, feststellte: „Der Gegner war spielerisch nicht anwesend.“ Die BSV-Idee ging aber auf, auch, weil Rüdesheim zwar gefühlt 90 Prozent-Ballbesitz hatte, aber ohne Tempo agierte, viel zu oft lange Bälle wählte, überhastet in die Spitze spielte – kurz, alles tat, um sich im BSV-Abwehrnetz zu verfangen. Cihan Yakuts 15-Meter-Schuss knapp vorbei (6.) und Merks Kopfball an die Latte (37.) waren die einzig brenzligen Momente für den BSV, der freilich nach vorne in diesen ersten 45 Minuten nullkommanull Gefahr ausstrahlte.
Das bewog Fuchs dann auch, wieder aufs gewohnte System umzustellen. „Wir sind dann besser ins Spiel gekommen“, fand Fuchs und hatte, was die Offensive anging, auch recht. Allerdings war der BSV nun hinten viel offener und brauchte fünfmal „ein bisschen Glück“ (Fuchs), dass Rüdesheim es jeweils nicht schaffte, blank vor Furtwängler das 1:0 zu erzielen. Zunächst scheiterte immer Semih Celebi. Erst an Lukas Dahms Grätsche (46.) dann an Furtwängler (60.), und schließlich schoss er – nachdem er wie beim Penaltyschießen alleine auf den BSV-Keeper zugelaufen war – vorbei (69.). Zehn Minuten später brachte aber auch Cihan Yakut den Ball nicht am großartig reagierenden Furtwängler vorbei (79.) und scheiterte auch kurz vor Schluss an der der „Daaler“ Nummer eins, der den abgefälschten Schuss Yakuts reaktionsschnell aus dem kurzen Eck fischte (89.). „Wenn wir die Chancen reinmachen, dann hat der BSV überhaupt keine Chance“, meinte VfL-Coach Baris Yakut.







Weil seine Rüdesheimer aber ihre Möglichkeiten zur Führung ausließen und der BSV nach vorne nun aktiver und gefährlicher war, wurde die Partie immer packender. Vor allem bei den BSV-Standards zitterte die VfL-Deckung regelrecht, und so wurde jeder Einwurf, jeder Freistoß, jede Ecke zur potenziellen Torchance für den BSV. „Scheinbar können die nur so spielen, glücklicherweise können sie das nun in der A-Klasse weitermachen“, sagte Baris Yakut.
Dabei gebührt dem BSV für seine Haltung und seinen Kampfeswillen gegen einen im Grunde stärkeren Gegner Riesenrespekt. Die „Daaler“ können diese Runde nach der Runde, mit vier Spielen, davon zwei mit Verlängerung, auch ohne Aufstieg hoch erhobenen Hauptes verlassen. Fuchs’ Mannschaft gab sich nie auf, glaubte immer an ihre Chance und setzte auf diese Art den Rüdesheimern auch im Entscheidungsspiel in Simmertal zu. „Meine Mannschaft hat eine großartige Leistung gebracht und wirklich alles gegeben, was sie nach dieser langen, anstrengenden Saison noch im Tank hatte. Die Jungs können stolz auf sich sein“, stellte Fuchs klar und lag richtig – umso mehr, weil auch Rüdesheim dreimal haarscharf dem Knock-out entging.
„Der VfL Rüdesheim hat diesen Aufstieg verdient. Es ist überragend, was der Verein alles für uns Spieler tut“
VfL-Torwart Can Christ
In der 72. Minute hätte Decker beinahe eine Ecke direkt verwandelt. Das Geschoss war eigentlich schon drin im langen Eck, fiel dann aber Philipp Martin, der am hinteren Pfosten in Richtung Ball sprang, auf den Rücken und flipperte wieder aus der Kiste raus. „Ich konnte einfach nicht weg und bin auch nicht richtig zum Ball gekommen“, erklärte der BSV-Mittelstürmer später. Eine Minute später flutschte Keeper Christ ein Mondball Martins aus den Händen, doch kein BSV-Angreifer konnte den Fauxpas des Keepers nutzen (73.). Entschlossen packte Christ aber drei Minuten vor Schluss der regulären Spielzeit nach einem Decker-Freistoß aus der BSV-Hälfte zu. Der Rüdesheimer Keeper war buchstäblich einen Sekundenbruchteil schneller an der Kugel als Horbach (87.).
Eine knappe halbe Stunde später revanchierte sich Horbach mit seinem Kopfballtor und hievte den BSV trotz des 0:1-Rückschlags ins Elfmeterschießen. Doch da war dann doch Endstation, weil Cihan und Kamer Yakut in den entscheidenden Momenten cool blieben und mit Schüssen voller Selbstvertrauen den Aufstieg in die Bezirksliga perfekt machten. „Die Mannschaft hat sich belohnt. Wir sind gerade ein Jahr beisammen, haben viel gearbeitet, viel investiert und hatten Spaß“, sagte Keeper Christ, um dann festzuhalten: „Der VfL Rüdesheim hat diesen Aufstieg verdient. Es ist überragend, was der Verein alles für uns Spieler tut.“
VfL Rüdesheim - Bollenbacher SV n.E. 6:5 (1:1, 0:0)
VfL Rüdesheim: Christ – Fe. Senel (67. K. Yakut), Rodionov, Merk, Rabaa – Nurkovic, Almazoglu (70. Ghafori) – B. Yakut – Dos Santos (100. Ergün), C. Yakut, Celebi (108. Fu. Senel).
Bollenbacher SV: Furtwängler – Juchem (106. Buatkala), Horbach, Köhler, Dahm – Hahn (55. Lotzmann) – Ruppenthal (55. Retzler), Decker, Kornetzky, Klein – Martin (106. El-Saleh).
Schiedsrichter: Ritter (Münchweiler an der Alsenz).
Zuschauer: 750.
Tore: 1:0 K. Yakut (94.), 1:1 Horbach (119.).
Elfmeterschießen: 1:2 Decker, 2:2 B. Yakut, 2:3 Dahm, 3:3 Merk, Christ hält gegen Klein, 4:3 Rodionov, 4:4 Köhler, Furtwängler hält gegen Ghafori, 4:5 Lotzmann, 5:5 C. Yakut, Christ hält gegen Kornetzky, 6:5 K. Yakut.
Beste Spieler: Merk, Christ - Furtwängler, Horbach.