Das Phantomtor, mit dem der TSV Bockenau den SC Birkenfeld in der Fußball-Bezirksliga 1:0 geschlagen hat, sorgt weiter für mächtig Gesprächsstoff. Längst dokumentiert ein Video, dass die Birkenfelder tatsächlich das Opfer eines krassen Wahrnehmungsfehlers von Schiedsrichter Fabio di Matteo von der TSG Bretzenheim geworden sind.
Das angesprochene Video zeigt sehr klar, was sich in der 65. Minute in Bockenau zugetragen hat. Aus einem Gewühl am Fünfmeterraum rechts neben dem Birkenfelder Tor schafft es Bockenaus Lukas Brandenburg, den Ball zurück auf Julian Brückner zu legen. Der TSV-Kapitän zieht aus zwölf Metern flach ab. Seinen Schuss verlängert Marcel Malec aus einer Drehbewegung heraus mit dem rechten Knie in Richtung SCB-Kasten. Der Birkenfelder Torhüter Maximilian Benzel taucht ab und lenkt die Kugel an den linken Pfosten, von wo sie zum praktisch auf der Linie stehenden Michael Bem spritzt und von dessen linkem Bein ein gutes Stück vor der Linie kurz eingeklemmt wird. Genau in diesem Moment, als der Ball für einen Sekundenbruchteil ruht, sichert ihn sich Keeper Benzel. Und während Malec die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und Brandenburg sich augenscheinlich fassungslos nach hinten fallen lässt, während einige Bockenauer Akteure jubeln, zeigt der Schiedsrichter mit der einen Hand in Richtung Tor und mit der anderen zur Mitte - und pfeift: Tor!
Das zweite irreguläre Tor gegen Maximilian Benzel
Schiedsrichter di Matteo hat einen Treffer gesehen, wo eindeutig keiner war - und dann auch noch SCB-Torwart Maximilian Benzel als Eigentorschützen in den Spielbericht eingetragen. Grund genug, sich mit dem Birkenfelder Keeper über eine der kuriosesten Situationen seiner Laufbahn zu unterhalten. Wobei: Es war bereits das zweite Mal, das Benzel ein total irreguläres Tor akzeptieren musste. Vor gut neun Jahren, am 14. Mai 2016, stand er im Kasten des TuS Oberbombach, als Tobias Schleich in der Nachspielzeit mit der Hand das 3:2 für den TuS Rötsweiler-Nockenthal erzielte und sein Team so zum A-Klasse-Meister machte. Doch im Unterschied zu Bockenau war jener Ball zumindest im Tor.
Lieber Maximilian Benzel, wie ist es, der Schütze eines Eigentores zu sein, ohne dass der Ball hinter der Linie war?
Das war dann noch das Sahnehäubchen auf das Ganze. Ich musste tatsächlich sogar lachen, als ich gesehen habe, dass ich ein Selbsttor erzielt haben soll. Ansonsten bin ich wirklich sprachlos gewesen. Ich weiß nicht, wie man auf die Idee kommen konnte.
Wie haben Sie als unmittelbar Beteiligter dieses Phantomtor erlebt?
Ich wollte den Ball um den Pfosten lenken, habe gesehen, wie die Kugel ans Alu ist und Michi Bem sie auf der Linie wegschlagen wollte. Ich habe noch gerufen, weil ich genau erkannt habe, dass ich den Ball sichern kann und liege dann auf dem Ball drauf, als der Schiri pfeift.
Was ist Ihnen da in den Sinn gekommen?
Ich habe tatsächlich gedacht, dass er auf Abseits entschieden hat. Dann habe ich realisiert, dass er „Tor“ pfeift. Da bin ich vom Glauben abgefallen. Ich konnte das nicht fassen.
Was ist dann passiert?
Ich bin dann wie einige meiner Mitspieler zum Schiedsrichter gelaufen.
Wie hat er reagiert?
Er wollte gar nichts hören. Ehrlich gesagt fand ich seine Reaktion sogar respektlos. Es wird viel über Respekt dem Schiri gegenüber gesprochen. Umgekehrt sollte das aber auch gelten.
Was hätten Sie vom Schiedsrichter in diesem Moment erwartet?
Der Linienrichter hat recht rasch signalisiert, dass der Ball nicht im Tor war und hat das gegenüber einigen Birkenfeldern auch gesagt. Wir wollten, dass der Schiri mit dem Linienrichter spricht.
Und? Hat er es getan?
Zunächst nicht. Er hat immer nur gesagt, „will ich nicht“, „brauche ich nicht“. Irgendwann ist er dann aber doch raus zu seinem Assistenten, und der hat ihm dann auch mitgeteilt, dass er den Ball nicht hinter der Linie gesehen hatte.
Wie hat der Schiedsrichter darauf reagiert?
Es hat ihn nicht interessiert. Er hat gesagt, er habe eindeutig gesehen, dass der Ball drin gewesen sei. Er habe gut gestanden, im Strafraum. Dabei stand er in Wirklichkeit außerhalb. Er hat seinen Assistenten überstimmt. Später hat er dann mir gegenüber noch einmal betont, dass der Ball glasklar drin gewesen sei.
Letztlich hat der SCB das Tor hinnehmen müssen...
Ich bin stolz darauf, dass die Jungs ziemlich ruhig geblieben sind. Man sieht das auch daran, dass keiner sich eine Zeitstrafe und Rot eingehandelt hat. Ich habe später vor der Kabine noch Gelb bekommen. Ich konnte einfach nicht verstehen, dass man so einen Treffer geben kann. Der Schiedsrichter hätte sich ja nur die Reaktion der beiden Bockenauer anschauen müssen, die die Hände vors Gesicht geschlagen haben.
Mit einigen Tagen Abstand: Haben Sie das Phantomtor verdaut?
Ich kriege, ehrlich gesagt, noch immer einen Hals, wenn ich dran denke. Fehler passieren. Auf diese Art sind sie aber schwer hinnehmbar. Zumal die Entscheidung massiven Einfluss auf den Abstiegskampf nehmen könnte. Außer uns sind ja auch alle anderen Mannschaften, die um den Klassenverbleib spielen, davon betroffen.
Wie sehen Sie die Rolle des TSV Bockenau? Hätten Sie erwartet, dass ein Spieler zugibt, dass der Ball nicht drin war?
Das erwarte ich von niemandem. Aber wie sich die Verantwortlichen des TSV Bockenau später öffentlich geäußert haben, hat mir nicht gefallen.
Gegenüber unserer Zeitung hieß es von Bockenauer Seite: „Die Birkenfelder waren der Meinung, dass der Ball nicht vollumfänglich hinter der Linie war. Der Schiri hat anders entschieden, und wir nehmen das gerne so mit“...
Genau das finde ich schade, denn schon unmittelbar nach dem Spiel haben die Bockenauer wegen des Videos gewusst, dass der Ball nicht im Tor war. Sie haben es uns gegenüber sogar geäußert. Ich hätte mir gewünscht, dass sie so ehrlich auch nach dem Spiel gegenüber der Presse gewesen wären.
Wenn Sie an der Stelle der Bockenauer Spieler gewesen wären - hätten Sie zugegeben, dass der Ball nicht drin war?
Ich habe mir die Frage auch gestellt. Ich glaube, ohne tatsächlich in der Situation zu sein, kann keiner von sich behaupten, dass er es getan oder nicht getan hätte.
Da nun einmal ein Video existiert: Würden Sie sich wünschen, dass sich während des Spiels nach einer umstrittenen Szene eine solche Sequenz angeschaut werden darf, um eine Schiedsrichterentscheidung zu überprüfen, also eine Art Videobeweis möglich wäre?
Wir haben das als SC Birkenfeld ja spaßeshalber gefordert, aber im Ernst vorstellen kann ich mir solch ein Vorgehen nicht. Ich bin sicher, dass Spiele dann völlig aus dem Ruder laufen würden. Es ist schon in Ordnung, dass es bei der Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters bleibt. Aber Konsequenzen sollte man aus so einem Fall schon ziehen.
Welche Konsequenzen meinen Sie?
Wenn schon ein Gespann da ist, dann sollten auch die Assistenten eingesetzt werden. Denn ein Gespann braucht man nicht, wenn der Schiedsrichter nicht bereit ist, die Vorteile, die sich daraus ergeben, zu nutzen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass sich Schiedsrichter gerade in einem solchen Fall kommunikativer verhalten.
Würden Sie sich von Ihrem Verein, dem SC Birkenfeld, wünschen, in irgendeiner Weise gegen das Phantomtor vorzugehen?
Es war ja eine Tatsachenentscheidung, insofern ist ein Einspruch unmöglich. Zudem würde sich das wohl auch nicht richtig anfühlen, weil wir auch keine gute Leistung gebracht haben. Aber ich wünsche mir, dass Schiedsrichter di Matteo, wenn er das Video des Treffers sieht, Kontakt mit uns aufnimmt und sagt: „Sorry, das war ein Fehler von mir.“