„Der TV Hettenrodt gibt hiermit bekannt, dass er sich zur kommenden Saison aus der Spielgemeinschaft mit dem TuS Kirschweiler zurückzieht und ab 1. Juli wieder eine eigene Mannschaft an den Start schickt. Dies haben der geschäftsführende Vorstand und der Spielausschuss so beschlossen.“ Die Presseerklärung des TV Hettenrodt klingt nüchtern, doch ihr Inhalt ist natürlich heftig und könnte das Ende des Fußballs im TuS Kirschweiler bedeuten. Vor allem, weil der Zeitpunkt der Bekanntgabe der Trennung dem Verein von der Festung nur noch wenig Handlungsspielraum lässt.
TuS wirft TVH Vertragsbruch vor
Am Donnerstag schließt das Mannschaftsmeldefenster. Erst zwei Tage zuvor, am Dienstag, erfuhr der TuS Kirschweiler von der Entscheidung im Nachbarort. „Hendrik Hess, unser Vorsitzender, ist am 18. Juni von Jürgen Falz, dem Vorsitzenden des TV Hettenrodt, informiert worden“, berichtet Armin Emmerich, der dem Spielausschuss des TuS Kirschweiler angehört.
Der TuS reagierte seinerseits mit einer Pressemitteilung. Wörtlich heißt es darin: „Das Ende einer Spielgemeinschaft im Fußball ist in der Regel eine normale Angelegenheit, denn sie wird rechtzeitig beschlossen und lässt den Partnern Zeit, zu reagieren und den Fußball neu zu organisieren. Wir vom TuS Kirschweiler möchten auf die Faktenlage zum Ende der SG hinweisen, und jeder kann dann für sich entscheiden, inwieweit das Aus der SG Kirschweiler/Hettenrodt diesen Kriterien entspricht und sportlich fair abgelaufen ist.“
Für den TuS Kirschweiler stellt sich die Faktenlage so dar, dass „im Vertrag der Spielgemeinschaft mit dem TV Hettenrodt die Kündigungsfrist auf das Ende der Vorrunde, also Ende 2023, festgelegt“ sei. Unausgesprochen wirft der TuS Kirschweiler dem TV Hettenrodt also Vertragsbruch vor.
TuS Kirschweiler will Vertragsstrafe einfordern
Dem widerspricht der Vorsitzende des TV Hettenrodt, Jürgen Falz, energisch: „Sie können nicht sagen, dass sie nicht informiert gewesen seien. Wir haben klar vor Fristablauf angezeigt, dass wir einen Ausstieg ernsthaft in Erwägung ziehen.“ Für Emmerich ist das keine schlüssige Argumentation. Er stellt klar: „Die Spielgemeinschaft hätte schriftlich zum Ende der Vorrunde gekündigt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Es ist sogar eine finanzielle Vertragsstrafe vereinbart worden, und die werden wir auch einfordern.“ Falz sieht dagegen keinen Vertragsbruch. Er sagt: „Wir haben immer mit offenen Karten gespielt. Noch vor Weihnachten haben wir in Gesprächen untereinander in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass wir für die neue Saison einen Kader haben müssen, der es erlaubt, zwei personell ausreichend bestückte Elfer-Mannschaften an den Start zu schicken.“
Zweite Mannschaft Knackpunkt
Das bestätigt auch der TuS Kirschweiler in weiten Teilen. In seiner Presseerklärung heißt es: „Als maßgebliche Begründung für das Aus der SG wird vom TVH die personelle Situation der zweiten Mannschaft angesehen.“ Alle Beteiligten – auch die Vertreter des TuS – seien sich schon im Winter einig gewesen, „dass eine Spielgemeinschaft nur in Verbindung mit einer zweiten Mannschaft Sinn macht.“ Beide Vereine betonen, große Anstrengungen unternommen zu haben, um neue Spieler zu bekommen. „Uns ist es aber nicht gelungen, uns so aufzustellen, dass wir zwei Elfermannschaften an den Start bringen können“, stellt Falz klar.
Neunermannschaft war nie eine Option für uns
TVH-Vorsitzender Jürgen Falz
Die „Zweite“ als Elfermannschaft zu melden, ist der entscheidende Knackpunkt. Für den TV Hettenrodt war es ausgeschlossen, eine Neunermannschaft aufzustellen. „Das war nie eine Option für uns, weil unserer Auffassung nach, Neunermannschaften, die beispielsweise meist mit weniger fitten Spielern auf dem Großfeld antreten, keinen Sinn machen, so lange nicht eine Reform die Verkleinerung des Spielfeldes möglich macht“, erklärt Falz.
Der TuS Kirschweiler sieht das anders. „Eine Neunermannschaft wäre problemlos möglich gewesen und hätte auch ausreichend Spieler zur Verfügung gehabt“, heißt es vonseiten des TuS. „Zumindest übergangsweise wäre ein solches Neunerteam ein Weg gewesen“, ergänzt Emmerich. Der TuS stellt in seiner Presseerklärung weiter fest: „Mit dem entsprechenden guten Willen und der Unterstützung durch AH-Spieler wäre sicher auch eine Elfer-Lösung denkbar gewesen. Dazu muss aber der Wille auch vorhanden sein.“ Diesen Willen möchte sich aber gerade Falz auf keinen Fall absprechen lassen. „Für mich ist das Ende der SG sehr schwierig, weil ich dieses Konstrukt mit Haut und Haaren gelebt habe“, betont der Vorsitzende des TV Hettenrodt.
Zu unterschiedliche Philosophien
Doch dass die SG der Kirschweilerer und der Hettenrodter nie mehr war als eine Zweckgemeinschaft, das macht auch Falz deutlich, indem er festhält: „Wir haben in der Analyse der letzten Spielzeiten feststellen müssen, dass es uns nicht gelungen ist, die SG als komplett funktionierende Einheit aufzustellen. Die Philosophien beider Vereine liegen einfach zu weit auseinander.“ Auf der einen Seite (Falz meint den TuS Kirschweiler) sei „größtmöglicher sportlicher Erfolg“ das entscheidende Kriterium, auf der anderen dagegen ein „funktionierendes Vereinsleben“.
2023 schien das Aus schon einmal nah
Schon einmal erlebte die SG Kirschweiler/Hettenrodt eine Zerreißprobe. Im Januar 2023 machten Gerüchte die Runde, dass sich die beiden Muttervereine trennen würden. Letztlich gaben beide Seiten zu, dass es zwar geknirscht, aber eine Trennung nicht im Raum gestanden habe.
Keine anderthalb Jahre später ist die Spielgemeinschaft dann doch Geschichte. „Mit der sportlichen Situation und zwei Abstiegen in Folge hat das aber rein gar nichts zu tun“, betont Falz, der erklärt, dass es sich sein Verein nicht leicht gemacht habe: „Uns ist die Entscheidung sehr schwer gefallen, es ist uns durchaus bewusst, dass die Trennung drei Tage vor Schließung des Meldefensters extrem kurzfristig erfolgt ist. Aber auch wir müssen den Termin 20. Juni zur Mannschaftsmeldung einhalten.“ Falz erklärt: „Wir haben bis zum Ende des aktuellen Spieljahres gehofft, dass uns der eine oder andere Spieler für die neue Spielzeit noch zusagt, leider ohne Erfolg.“
Schwierige Situation für den künftigen Kreisvorsitzenden Falz
Für Falz hat der Zusammenbruch der Spielgemeinschaft noch eine zweite, eine persönliche, Ebene. Am 1. Juli wird er offiziell neuer Vorsitzender des Fußballkreises Birkenfeld sein, wird dann die Nachfolge von Axel Rolland antreten. Im April war er von den Vereinen des Kreises einstimmig gewählt worden. Jetzt sieht er sich dem Vorwurf ausgesetzt, unfair zu handeln. „Was Sportlichkeit und Fairness angeht, ist das Ende der SG nicht ordentlich abgelaufen, und es ist erstaunlich, dass ein künftiger Kreisvorsitzender involviert ist“, sagt Kirschweilers Emmerich.
Falz ist seine schwierige Situation bewusst, als Vorsitzender des TV Hettenrodt eine Entscheidung seines Vorstands mittragen und begründen zu müssen, die für einen benachbarten Verein im Fußballkreis, dem er bald vorsteht, das Aus bedeuten kann. Er stellt klar: „Auch in Hettenrodt gehen die Uhren nicht nach der Nase des Vorsitzenden. Die Entscheidung, die SG zu verlassen, ist ja nicht aus einer Laune heraus gefallen, sondern von unseren Gremien nach intensiver Diskussion und Abstimmung beschlossen worden.“
Zwei Spieler wechseln vom TuS Kirschweiler zum TV Hettenrodt
Freilich dürften die Gremien des TV Hettenrodt gewusst haben, dass ihre Karten besser waren als jene des TuS Kirschweiler und dass es ihrem Verein, anders als dem TuS, einigermaßen problemfrei möglich sein würde, wieder eigenständig am Spielbetrieb teilzunehmen. Es ist schließlich ein offenes Geheimnis, dass die wenigsten Spielerpässe innerhalb der SG noch auf den TuS Kirschweiler gelaufen sind. „Die deutliche Mehrzahl der Spieler gehört zu uns“, bestätigt Falz.
Und so stört sich der TuS Kirschweiler auch daran, dass am gleichen Tag, als die SG aufgekündigt wurde, im DFB-Postfach auch die Abmeldung zweier Akteure – nämlich von Enzo Kullmann und Philipp Conradt – lagen, die bislang den Spielerpass beim TuS Kirschweiler hatten. „Der TV Hettenrodt hat diese Abmeldungen abgeschickt. Die Spieler werden also zum TV Hettenrodt wechseln“, erklärt Emmerich. Für Falz ist das kein Verstoß gegen die guten Sitten: „Beide Spieler haben die komplette Jugend hindurch für den TV Hettenrodt gespielt“, betont er.
Gleichwohl stehen dem TuS Kirschweiler damit zwei weitere Akteure weniger zur Verfügung. Die drohenden Konsequenzen sind bitter: „Der TuS Kirschweiler hat aufgrund der Fristen keine Möglichkeit mehr, zu reagieren und sich auf die veränderte Situation vorzubereiten. Somit wird TuS Kirschweiler zur neuen Saison große Probleme haben, eine Mannschaft zu melden“, hält die Presseerklärung des Vereins fest.
Trainer Christian Mayer und Mathias Düwel hängen in der Luft
Auch wenn das Meldefenster am Donnerstag schließt, so hat der TuS Kirschweiler immerhin noch bis zum Ablauf des Spieljahres am 30. Juni Zeit, zu reagieren. Das bestätigte der noch amtierende Kreisvorsitzende Axel Rolland Doch zehn Tage sind eine kurze Frist. Dass der TuS Kirschweiler alleine am Spielbetrieb der kommenden Saison teilnehmen wird, scheint mittlerweile fast undenkbar zu sein. Eine zweite Option wäre es, Teil einer neuen Spielgemeinschaft zu werden. „Wir sind am Sondieren“, erklärt Spielausschuss-Mitglied Emmerich.
In der Luft hängen damit auch die Trainer. Sowohl Mathias Düwel als auch Christian Mayer haben mit dem TuS Kirschweiler Vereinbarungen für die kommende Saison. Auch ihre Spielerpässe liegen beim TuS. „Das ist natürlich auch für sie eine unbefriedigende Situation“, weiß Emmerich.
Profitiert auf einmal der TuS Hintertiefenbach?
Der TV Hettenrodt hat übrigens noch keinen Coach für die nächste Spielzeit. Zu frisch ist die Entscheidung, nächste Saison wieder alleine ans Werk zu gehen. Ebenso ist offen, in welcher Spielklasse der TVH zu Hause sein wird. Als Juniorpartner der bisherigen SG müsste er in der C-Klasse neu beginnen. Der TuS Kirschweiler dürfte, sofern er eine Mannschaft beisammen bekommt, als federführender Verein der aufgelösten SG in der B-Klasse starten. Sollten die Kirschweilerer Teil einer neuen SG werden, hätte diese Spielgemeinschaft das Startrecht in der B-Klasse. Sollte beim TuS Kirschweiler der Ball nicht mehr rollen und der TV Hettenrodt keinen Anspruch auf den B-Klasse-Platz erheben, so würde der eigentlich abgestiegene TuS Hintertiefenbach nachrücken. Zehn Tage lang bleibt es also spannend beim TV Hettenrodt und dem TuS Kirschweiler und ihrer zusammengestürzten Spielgemeinschaft.