„John hatte ein paar Tränchen in den Augen, als wir ihn ausgezeichnet haben“, berichtet Werner Ehle, der Kreisehrenamtsbeauftragte. „Stimmt, die Auszeichnung hat mich ergriffen. Sie bedeutet mir sehr viel“, bestätigt Faßig und ergänzt: „Vor allem im Rahmen unserer Weihnachtsfeier vor unseren Spielern und Mitgliedern und dann noch von meinem Freund Werner Ehle und unserem Kreisvorsitzenden Thomas Dubravsky ausgezeichnet worden zu sein, hat mich sehr gefreut.“ Faßig ist damit Nachfolger von Bernd von der Weiden, dem Vorsitzenden der SG Guldental, der im Jahr 2022 als Ehrenamtler des Jahres fungierte.
Seit fast 30 Jahren engagiert sich Faßig für seinen Heimatverein TuS Roxheim, in dem er seit 1977 Mitglied ist und für dessen C-Junioren er bereits die Fußballschuhe schnürte. „Als ich dann Anfang der 90er-Jahre wieder nach Roxheim gezogen bin, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, mich ehrenamtlich zu engagieren“, erinnert sich der 58-Jährige an die Anfänge. Kurt Schauß fungierte damals als einer der Macher des TuS Roxheim. „Von ihm habe ich einige Eigenschaften und Ansichten geerbt“, sagt Faßig mit einem Lachen. Vor allem aber hat er viel von Schauß gelernt. Wie sein Vorbild, das ihn an die Aufgaben heranführte, übte Faßig in der Folgezeit viele verschiedene Tätigkeiten aus, engagierte sich als Kassierer und Vorstandsmitglied, Vorsitzender war er ebenfalls schon. Doch sein Steckenpferd ist und bleibt der sportliche Bereich. Bereits zum dritten Mal fungiert er seit 2012 als Abteilungsleiter Fußball. „Und das ist eine Tätigkeit, in der du täglich gefordert bist. Telefonanrufe, Mails, Gespräche mit Trainern und Spielern. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendetwas für den Fußball zu erledigen ist“, berichtet der Ehrenamtspreisträger und ergänzt: „Du musst Spaß daran haben und so eine Tätigkeit mit Haut und Haaren machen, nur dann klappt es.“
Der hohe zeitliche Aufwand lässt sich nur mit der Unterstützung der Familie bewerkstelligen. Und da passt es, dass auch die ihr Herz an den TuS Roxheim verloren hat. Ehefrau Dagmar ist im Umfeld der Mannschaft die gute Seele, wurde dafür im Sommer mit der DFB-Ehrenamtsuhr ausgezeichnet. Tochter Patricia Richter ist ebenfalls regelmäßig auf dem Sportplatz zu finden, ihr Mann Nico ist Abwehrchef des Roxheimer Teams. Wie sehr Patricia Richter das Engagement ihres Vaters würdigt, wird an der sehr emotionalen und ausführlichen Widmung deutlich, mit der sie ihren Papa zur Ehrung vorgeschlagen hat. „Ob vom Ausland aus, während seines Urlaubs oder seiner Arbeit, er ist immer für seinen Verein erreichbar und jederzeit bereit, alles stehen und liegen zu lassen, um, egal in welcher Form, zu helfen“, weiß sie aus bester Erfahrung und ergänzt: „Ob die Trikots gewaschen werden müssen, im Klubheim die Bewirtung zu besetzen ist, die Presse Auskunft haben will, der Platz abgezeichnet werden muss, Termine mit der Gemeinde über die Instandhaltung des Platzes wahrzunehmen sind, oder eifrig die Werbetrommel für den Verein gerührt werden muss, er macht es und stellt seine eigene persönliche Befindlichkeit immer dem Verein hinten an.“
Nur an Weihnachten macht John Faßig da mal eine Ausnahme. Am heutigen Heiligabend kommt im Hause Faßig die gesamte Familie zusammen, und es wird stimmungsvoll und auf traditionelle Weise Weihnachten gefeiert. Die folgenden Tage widmen sich die Faßigs dann ihrer Enkelin. Die ist erst zweieinhalb Jahre alt, aber geht es nach dem Opa, wird sie auch mal Fußballerin, vielleicht sogar in einem Mädchenteam des TuS Roxheim. „Die Verantwortung dafür trägt dann aber mein Schwiegersohn Nico“, sagt John Faßig mit einem Lachen.
Zum Jahresende werden die Roxheimer Verantwortlichen noch einmal das Jahr 2022 Revue passieren lassen. Ein Jahr, in dem es auch Rückschläge gab. Im Pokalfinale in Rüdesheim unterlagen die Roxheimer als Favorit der tieferklassigen SG Soonwald im Elfmeterschießen. „Das war echt bitter“, erinnert sich Faßig. Doch damit nicht genug: Die Aufstiegsrunde zur Bezirksliga war geprägt von Diskussionen um Spieltermine und engen Partien. Im dritten Spiel in Kirn führten die Roxheimer gegen die SG Kirschweiler/Hettenrodt bereits deutlich, kassierten aber noch den Ausgleich und gerieten in der Verlängerung ins Hintertreffen, ehe ein Roxheimer Zuschauer das Spielfeld stürmte und den Schiedsrichter attackierte. Die Partie wurde abgebrochen. „Dass wir die Führung verspielt haben, hat mich nicht gestört, das ist Sport. Viel schlimmer war die andere Sache, weil dieser Makel bleibt und uns noch lange verfolgen wird. Dabei passt das überhaupt nicht zu unserem sonstigen Auftreten. So sind wir Roxheimer nicht“, sagt Faßig.
Das sehen auch die Verantwortlichen des Fußballkreises so, wie sie mit der Auszeichnung Faßigs nun dokumentieren. „In John hat der TuS Roxheim nicht nur einen tollen Menschen in seinen Reihen, sondern auch einen stets fairen Sportmann. Er hat für alles und jeden ein offenes Ohr. Aber auch auf sein Team ist Verlass“, lobt Ehle.
Doch wie haben es Faßig, seine Spieler, das Trainerteam und seine Vorstandskollegen geschafft, mit ihrer Enttäuschung, mit ihrer Wut umzugehen? „Zwei Dinge lassen sich dazu sagen. Erstens blieb gar nicht die Zeit, sich viele Gedanken zu machen, zwei Wochen danach sind wir schon in die Vorbereitung zur neuen Saison gestartet. Zweitens war es wie im echten Leben, der Verein hat sich verhalten wie eine richtige Familie, und die hat uns alle aufgefangen, wir haben zusammengehalten“, antwortet der Ehrenamtspreisträger. Bestes Indiz dafür: Trotz des verpassten Aufstiegs und des unrühmlichen Saisonausklangs hat kein einziger Spieler den Verein verlassen. Auch in der Fußballregion hallen die Ereignisse kaum nach, genießen die Roxheimer weiter ein hohes Ansehen. „An der einen oder anderen Stelle bekomme ich aber noch Spitzen oder Bemerkungen zu hören, meist von Leuten, die gar nicht dabei waren. Diese Nadelstiche tun mir persönlich noch immer weh“, gibt Faßig zu.
Dass sich der TuS Roxheim als Familie präsentiert, liegt auch an einer Strukturveränderung, die Faßig vor Jahren eingeleitet hat. Der TuS Roxheim galt Anfang des Jahrtausends als Verein, der mit den Geldscheinen nur so um sich schmeißt. „Es hat einige Zeit gedauert, davon wegzukommen“, erinnert sich Faßig. Eine Radikalkur half. Der TuS begann wieder in der C-Klasse, stellte ein Team zusammen mit Spielern, die aus Roxheim kommen oder eine enge Verbindung zum Verein haben. „Ich bin überzeugt davon, dass das der einzig gangbare Weg für einen Verein unserer Größe und aus unserer Region ist. Nur so funktioniert es dauerhaft“, sagt Faßig, der mit einer klugen Trainerentscheidung die Entwicklung förderte. „Einige Jahr zuvor sagte mir Achim Reimann, dass wir zwei irgendwann in Roxheim mal etwas gemeinsam machen. Daran habe ich mich im richtigen Moment erinnert und ihn überzeugt, den Trainerjob zu übernehmen. Solch ein Trainer ist ein Glücksfall für einen Abteilungsleiter. Ich bin Achim sehr dankbar für sein Tun“, freut sich Faßig, in Reimann einen starken Coach und einen Freund an seiner Seite zu haben.
Beide sind seitdem die Köpfe des Roxheimer Aufstiegs, der im Sommer fast bis in die Bezirksliga geführt hätte und sich außerhalb des Spielfelds über Gemeinsinn und Kameradschaft definiert. „Mir hat mal einer gesagt, dass es doch viel billiger sei, einen Spieler zu kaufen, als ihn auszubilden. Das mag rein monetär so sein, aber ich habe ihm entgegengehalten, dass er ein Herz nicht kaufen kann. Und darum geht es doch schließlich, die Herzen der Fußballer für einen Verein zu gewinnen“, sagt Faßig. Und dass ihm das in Roxheim gelingt, wurde an seinem Ehrungsabend deutlich, als sich die Fußballer und TuS-Mitglieder gleich mehrfach von ihren Stühlen erhoben und minutenlang applaudiert haben.