Der Mannschaftsverantwortliche der SG Atzelgift, Joachim Giehl, läuft mit dem Ball los, plötzlich ertönt ein Pfiff, der über den gesamten Kunstrasenplatz in Atzelgift hörbar ist. Trainer Ralf Keilhauer unterbricht das Spiel und verkündet: „Foulspiel, Joachim ist gelaufen.“ Alle Sportler akzeptieren die Entscheidung, keiner hinterfragt den Pfiff. Was beim ursprünglichen Fußball unvorstellbar ist, ist beim „Walking Football“ die Norm. 14 Personen, im Westerwälder Ort an diesem Tag alle über 50, spielen ausschließlich im Sechzehnmeterraum Fußball im Gehen. Laufen ist strikt verboten und wird konsequent mit Foulspiel geahndet. Diese Regel ist nur eine Kuriosität des Walking Footballs.
Für diese noch junge Art des Fußballs hat die SG Atzelgift im Sommer 2023 eine eigene Abteilung gegründet. Der Mannschaftsverantwortliche Giehl, welcher selbst Spieler des Teams ist, darf dabei auf bekannte Unterstützung aus dem Fußballverband Rheinland bauen. Keilhauer übernimmt bei der SG Atzelgift das Training. Neben dem Walking Football in Atzelgift ist er außerdem noch bei den Wiedbachtaler Sportfreunden aus Neitersen tätig. Bei einem Training in Atzelgift bekam der Autor dieses Textes einen Einblick und fragte bei den Protagonisten vor Ort nach: Was macht den Walking Football aus? Was ist der Sinn dieses Sports und wofür steht er? Wie lauten die Regeln und welche Besonderheiten gibt es?
Neben dem Lauf-Verbot gibt es weitere Besonderheiten. Das Spielfeld ist 42 Meter lang und 21 Meter breit, gespielt wird sechs gegen sechs, ohne Torwart. Die Tore sind ein Meter hoch und gerade mal drei Meter breit. Zum Vergleich: Die Tore beim herkömmlichen Fußball messen 7,32 Meter Breite und 2,44 Meter Höhe. Vor eben diesen, etwas kleineren Toren ist ein Strafraum aufgebaut, ähnlich zum Handball. Sowohl die angreifende, als auch die verteidigende Mannschaft dürfen diesen Bereich nicht betreten. Ansonsten gibt es Ballbesitz für die gegnerische Mannschaft oder gar eine Strafecke, die analog zu einer in der Sportart Hockey ausgeführt wird. Tore dürfen nur aus der gegnerischen Hälfte erzielt werden. Doch das war es noch nicht mit den Besonderheiten. Ein weiteres Kuriosum: Der Ball darf nicht hoch gespielt werden – jeder Ball, der über Hüfthöhe geht ist gleichbedeutend mit einem Foulspiel und damit Ballbesitzwechsel.

Keilhauer ist ein großer Befürworter dieses Sports und erklärt die Vorteile, die der Walking Football mit sich bringt: „Walking Football ist in erster Linie eine abgeschwächte Form des normalen Fußballs. Insofern ist der Sport geeignet für Leute, die Handicaps haben oder Verletzungen mit sich tragen. Auch die Inklusion ist ein großes Thema. Zudem ist es ein Sport für jede Altersklasse. Wir haben meist Sportler, die über 50 sind, allerdings gibt es nach oben keine Grenzen. Man kann immer mitmachen, egal welches Alter, welches Geschlecht oder welche Handicaps du hast. Das ist das Besondere.“
Weiter erzählt er, dass es das Ziel sei, die Leute von dem Sofa zu holen, damit sie sich bewegen. Zudem haben viele Menschen in einem höheren Alter Probleme mit der Vereinsamung. Die Trainingsbeteiligung in Atzelgift ist gut. Trotz einiger Absagen mit 14 Spielern trainieren? Davon träumen wohl die meisten Senioren-Fußballteams außerhalb des Profifußballs. „Ganz wichtig ist uns, eine Gemeinschaft zu bieten, auf und neben dem Platz. Einfach das gemeinsame Sitzen und auch mal ein Bierchen zusammen zu trinken. Es soll keiner alleine zu Hause sitzen und vereinsamen. Dafür machen wir das alles“, betont er.
„Ganz wichtig ist uns, eine Gemeinschaft zu bieten, auf und neben dem Platz.“
Ralf Keilhauer, Trainer SG Atzelgift Walking Football
„Zuerst wurden wir ein bisschen belächelt für diesen ’anderen’ Fußball. Aber wenn wir den Menschen dann erklären, warum wir das machen, und sie dann selbst mal mitspielen, merken sie ganz schnell: ’Oh das ist ja sogar anstrengend und hat echt Spaß gemacht.’ Es hat nachher noch nie jemand gesagt, dass er es doof fand“, berichten Giehl und Keilhauer unisono. „Unser Sport hat auch etwas mit Prävention zu tun. Wir machen viel mit Koordination und arbeiten an den kognitiven Fähigkeiten. Daher ist es auch ein Gesundheitssport“, erklärt Keilhauer. „Wir wollen den Menschen, vor allem in einem höheren Alter, eine Möglichkeit bieten, sich sportlich zu betätigen und gleichzeitig eine Gemeinschaft bilden, die auch abseits des Platzes zusammenhält und Zeit verbringt. Das ist wichtig in unserem Alter“, fügt Giehl hinzu.
Walking Football – Ein Sport für die Zukunft?
Was es im Walking Football noch nicht gibt, ist ein geregelter Spielbetrieb. „Da müssten erst mal noch einige Vereine mitziehen, was den Walking Football angeht“, betont Giehl. Stolz auf die Abteilung Walking Football ist man in Atzelgift allerdings sehr. Zur Eröffnung war die vom Westerwälder Amand Theis trainierte Mannschaft von Borussia Dortmund da, zu der man in Atzelgift einen guten Kontakt pflegt. „Der Fußballverband Rheinland organisiert ab und zu Turniere, in denen es quasi um die inoffizielle Rheinlandmeisterschaft geht. Es wäre natürlich schön, wenn es irgendwann in naher Zukunft einen geregelten Spielbetrieb geben würde“, hofft Keilhauer, dass der Walking Football immer größere Schritte macht.
Interesse am Walking Football?
Die SG Atzelgift trainiert jeden Freitag um 17.30 Uhr auf dem Kunstrasenplatz in Atzelgift. Wer Interesse hat, kann einfach vorbei kommen und mitmachen.