Man kann über Sinn und Unsinn vieler Fußballregeln diskutieren, gerade der Videobeweis bietet ja nahezu jede Woche reichlich Ansätze für hitzige Debatten. Wer am Sonntag Zeuge des 5:1 zwischen der TuS Koblenz und dem SC Idar-Oberstein war, wird indes kaum Argumente gegen das seit dieser Saison im Amateurfußball praktizierte Stoppkonzept finden. Ein Instrument, das dem Schiedsrichter die Möglichkeit bietet, beide Teams zu trennen und in die Strafräume zu schicken, wo alle Beteiligten den Puls senken können.
Szenen wie im Eishockey
Weil es im Anschluss zivilisiert weiterging und sich die Fußballer auf ihre Kernkompetenz beschränkten, hatte Schiedsrichter Nicolas Scherer aus dem saarländischen Saubach im Prinzip alles richtig gemacht. Und doch war die Szene, die sich kurz vor der Pause auf dem Oberwerth zugetragen hatte, im Anschluss das Gesprächsthema, garnierte der Unparteiische die angewandte Regel doch zusätzlich mit zwei Roten Karten. Zum einen für Idars Kapitän Flavius Botiseriu, der mit einer rustikalen Grätsche gegen Igor Blagojevic vor der Koblenzer Bank mutmaßlich der Auslöser einer Rudelbildung war, wie man sie sonst eigentlich nur vom Eishockey kennt. Zum anderen für TuS-Kapitän André Mandt, dem im Rahmen des Handgemenges vom Schiedsrichter unterstellt wurde, dass er einem Gästeakteur an den Hals gefasst haben soll.
Gesundheitsgefährdung – oder nicht?
„Die Rote Karte war total unnötig“, sagte Kakala mit Blick auf den Platzverweis für Botiseriu. Der Trainer des SC Idar räumte zwar ein, dass der Linksverteidiger noch einmal nachging, obwohl schon abgepfiffen war, „aber es wäre völlig ok gewesen, es bei einer Gelben Karte zu belassen“. Man konnte diese Sicht teilen, ging es doch bei der Beurteilung der Szene vor allem darum, ob das Kriterium der Gesundheitsgefährdung vorlag – und nur dann ist laut Regelwerk Rot zwingend. Was für Mandt wohl gegeben war, weshalb sich der Koblenzer Kapitän an die Spitze der TuS-Proteste setzte. Der 31-Jährige gilt eigentlich als ruhiger Vertreter, der auf dem Platz deeskalierend auf die Kollegen einwirkt, „aber es ist in diesem Fall auch meine Pflicht, mich schützend vor meine Jungs zu stellen. Das war ein brutales Foul.“ Inwieweit er dann handgreiflich wurde, wollte er sich selbst noch einmal in den Videoaufzeichnungen ansehen.
Stahl hatte schon eine Vorahnung
Als unmittelbarer Augenzeuge der Aktion hatte TuS-Trainer Michael Stahl wohl schon so eine Ahnung gehabt. „Flavius und Igor Blagojevic hatten ja schon vorher ein paar Nickligkeiten, wahrscheinlich wollte er dann für seine Mannschaft ein Zeichen setzen, und es gab schon ein kleines Nachtreten“, so seine Sicht der Dinge, „es war wohl keine Rote Karte, aber ein überhartes Foul in einer Szene, wo nichts zu holen ist“.
„Wir haben jetzt keinen Sechser mehr.“
TuS-Trainer Michael Stahl
Fazit einer Aktion, die sich wohl im Graubereich zwischen Gelb und Rot bewegte: Beide Teams müssen in der Endphase der Saison auf eine Stütze ihrer Mannschaft verzichten – auch wenn noch offen ist, wie umfangreich die Sperren ausfallen werden. „Das ist eigentlich der einzige Makel“, sagte Stahl nach einem eigentlich rundum gelungenen Nachmittag aus Sicht der TuS, „wir haben jetzt keinen echten Sechser mehr.“ Weil in Marcel Wingender der Nebenmann von Mandt für den Rest der Saison verletzt ausfällt und Linus Schulte-Wissermann den Verein im Winter verlassen hat, fällt nun dem jungen Nic Alsbach eine Schlüsselrolle im Mittelfeld zu. Der 18-Jährige hat bei der TuS schon auf so ziemlich allen Positionen gespielt, für Akteure wie ihn hat Ex-Bundesliga-Trainer Lucien Favre einst den Begriff „polyvalent“ geprägt.
Idars Auftritt macht wenig Mut
Nicht viel besser stellt sich die Lage in Idar dar, wo Kakala in der heißen Phase des Abstiegskampfes sein Kapitän fehlt. Nimmt man die Eindrücke vom Sonntag zum Maßstab, steht es nicht gut um den SC Idar. „Wir wollten mutig spielen, aber man hat auch gesehen, dass uns das Selbstvertrauen fehlt“, fasste der Coach den Auftritt zusammen. Und nach der Pause, das gab er unumwunden zu, „da hat eigentlich nur noch TuS Koblenz gespielt“. Während sich die TuS nach den jüngsten Rückschlägen wieder ein bisschen Selbstvertrauen holen konnte, blieb in Idar für den Moment nur eine Durchhalteparole. Kakala: „Wir stehen noch über dem Strich, es sind noch zwölf Punkte zu vergeben.“