Mit dem direkten Wiederaufstieg in die Regionalliga ist es für die TuS Koblenz nichts geworden. Doch das war angesichts eines in der Rückrunde dezimierten Kaders und der Stärke der Konkurrenz letztlich eher Wunschdenken als ein realistisches Ziel. Wie blickt Trainer Michael Stahl auf die abgelaufene Saison? Und wie stellt er sich ein mögliches Personaltableau für die kommende Spielzeit vor?
Herr Stahl, Sie haben nach dem abschließenden Spiel gesagt, dass die Saison noch weitergehen könnte. Ist Ihr Akku gar nicht leer?
Doch, schon. Aber das war mehr dieses Gefühl, dass mir die Arbeit mit der Mannschaft unheimlich viel Spaß gemacht hat und ich das einfach fortsetzen will. Was den Zusammenhalt anging, was die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft anging, das war herausragend gut. Ich glaube, das war auch einer der Schlüssel, warum wir trotz der fehlenden Kaderbreite und wegen vieler Widrigkeiten überhaupt so viele Punkte holen konnten. Aber klar, die Saison hat geschlaucht. Man braucht eine Pause, auch wenn sie kurz ist.
Mit welchen Gedanken blicken Sie auf die Saison zurück? Wie fällt die erste Analyse aus?
Erstmal glaube ich, dass wir als Sportler immer das Maximum wollen. Wenn wir im DFB-Pokal in ein Spiel gegen den VfB Wolfsburg gehen, dann weiß ich natürlich, dass nur an einem von 100 Tagen vielleicht eine kleine Chance besteht, weiterzukommen. Aber ich gehe halt in das Spiel und glaube daran, dass dieser eine Tag heute ist. Genauso haben wir in der Liga immer daran geglaubt, dass wir bereit sein müssen, wenn sich eine Chance ergibt, doch noch angreifen zu können. Die Kunst ist, realistisch einschätzen zu können, wozu wir in der Lage sind – und sich trotzdem hohe Ziele zu setzen. Umgekehrt muss man eben auch den Moment des Scheiterns einordnen.
Was den Zusammenhalt anging, was die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft anging, das war herausragend gut.
Michael Stahl über das TuS-Team der abgelaufenen Saison
Wir hatten in der gesamten Saison keinen superbreiten Kader, der zudem im Winter nochmal ausgedünnt wurde. Und dann haben wir noch Verletzungsprobleme obendrauf bekommen. Wir haben zwischendurch mit zwei 18-Jährigen auf der Sechs gespielt und sind immer wieder drangeblieben und haben immer noch so ein Stück weit gehofft. Wir wollten einfach das Maximum aus der Saison herausholen. Ich hätte es uns allen gegönnt, im Pokal im Finale zu stehen. Ich hätte es uns allen gegönnt, in der Liga ein Finale um Platz zwei zu haben. Das haben wir nicht geschafft. Aber es liegt nicht daran, weil wir einen schlechten Job gemacht haben, ganz im Gegenteil. Und dann kommen wir halt zu Dingen, die wir nicht beeinflussen konnten. Wenn Verletzungen kommen, kann man mit dem Kader nicht erwarten, dass wir das schaffen.

Die TuS hatte im Winter Platz zwei vor Augen, musste dann aber etliche Abgänge verkraften, hinzu kam die Verletzung von Dylan Esmel? War dieses Ziel überhaupt realistisch?
Okay, wir haben uns ein sehr hohes Ziel gesetzt, aber haben wir auch alles dafür getan. Dass wir jetzt am Ende dieses Ziel nicht erreicht haben, ist kein Scheitern, wenn man auf die personelle Situation blickt. Aber wir sind bei der TuS, trotz aller Widrigkeiten, sagen wir nicht, dass am Ende auch ein siebter Platz okay ist. Und dafür stehe ich auch nicht. Deswegen war es mir auch wichtig, dass wir bis zum Ende auf dem Gaspedal bleiben. Ich mag das nicht, wenn man in ein Spiel geht und sagt: Heute geht es um nichts. Aber am Ende muss natürlich alles passen. Und es hat nicht alles gepasst. Wir konnten zum Beispiel im Winter nicht nachlegen, das Budget hat es nicht hergegeben.
Die Tabelle gibt der TuS im Nachhinein recht, das Trio Schott, FCK II und Pirmasens hat sich an der Spitze als sehr konstant erwiesen.
Natürlich muss es für uns das Ziel sein, dass wir kein sportliches Wunder oder ein ständiges Überperformen brauchen, um um den Regionalliga-Aufstieg mitzuspielen. Das ist natürlich ein Fernziel, das der Verein haben muss. Für den Moment ist aber die einzige mögliche Handlungsweise, eben kein Risiko einzugehen. Auch nicht mit anderen Vereinen in ein Wettbieten zu gehen. Wenn es vor ein paar Jahren ein Angebot für, sagen wir Dylan Esmel, gegeben hätte, hätten wir es wahrscheinlich überboten. Und das Resultat aus den Dingen von einst ist bekannt: Das ist in Insolvenzen gemündet. Wenn jetzt Summen aufgerufen werden, wo wir aussteigen müssen, dann steigen wir halt aus.
Aufgrund der Personalnöte haben in der Rückrunde etliche jüngere Spieler sehr viele Spielanteile bekommen. Sind sie nun schon so weit, um mit ihnen höhere Ziele anzupeilen?
Dass sich die jüngeren Spieler so präsentieren konnten, war nur möglich, weil wir schon einen weiten Weg zurückgelegt hatten. Weil diese Mannschaft in der Hinrunde ein starkes Fundament gelegt hatte. In kritischen Momenten ist es unheimlich wichtig, dass man ein festes Gerüst mit ein paar erfahrenen Spielern hat. Wir hatten dann in der Rückrunde keinen echten Druck mehr, und gerade deshalb ist es auch wichtig und richtig für unseren Verein, dass wir Spielern wie Nic Alsbach oder Chris Opitz, der eine bemerkenswerte Entwicklung genommen hat, auch Möglichkeiten geben, auf Spielzeit zu kommen. Es ist ein Mittelweg, den wir finden müssen. Wenn wir höhere Ziele erreichen wollen, müssen wir die Leistungsträger adäquat ersetzen.
„Ich würde kein Innenverteidiger-Duo in der Liga gegen meines tauschen.“
Michael Stahl über Damir Grgic und Daniel von der Bracke
Kapitän André Mandt geht weg, der Wechsel von Dylan Esmel stand schon länger fest. Lukas Tuchscherer wiederum hat seinen Vertrag verlängert. Haben Sie für die neue Saison eine Achse im Kopf?
Natürlich. Mit Torwart Michael Zadach sind wir in Gesprächen, es ist kein Geheimnis, dass wir ihn gern halten wollen. Aber wir sind auch in Gesprächen mit anderen Spielern, falls er das Angebot nicht annimmt. Das ist einfach auch unsere Pflicht. In der Abwehr hat Damir Grgic ja noch einen Vertrag, mit Daniel von der Bracke sind wir in Gesprächen. Er ist natürlich ein wichtiger Identifikationsfaktor für diesen Verein, er ist jetzt zehn Jahre da. Ich würde kein Innenverteidiger-Duo in der Liga gegen meines tauschen. Im Mittelfeld ist Marcel Wingender ein Spieler, der in dieser Saison nochmal einen Schritt nach vorn gemacht hat. Er ist auch jemand, dem ich eine Führungsrolle zutraue. Und klar, auf der Zehn ist Igor Blagojevic ein wichtiger Faktor. Die Stürmerposition ist natürlich sehr, sehr wichtig, da gibt es noch eine Vakanz.
Gute Stürmer, die zuverlässig zweistellig treffen, sind in allen Ligen rar. Wie sind Ihre Gedanken, um den Abgang von Dylan Esmel zu kompensieren?
Dylan hat immer zwei Innenverteidiger auf sich gezogen. Und er hat oft Tore geschossen, wo man sich gefragt hat: Wie ist das jetzt passiert? Wir haben mehrere Kandidaten, mit denen wir reden. Ob wir das am Ende realisiert bekommen, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Sie haben es bereits angedeutet, dass sich ein Umbruch anbahnt. Dabei ist Kontinuität ja eigentlich die Grundlage des Erfolgs. Wie will die TuS diesen Spagat meistern?
Wir haben das ja auch vor dieser Saison gemeistert. Ich glaube, sportlich gute Spieler zu finden, das kann gelingen. Die entscheidende Frage wird sein, ob wir es schaffen, dass alle Charaktere zusammenpassen. Dieses große Wir-Gefühl, das müssen wir neu erzeugen.
„Bei uns gibt es nicht das meiste Geld.“
Michael Stahl
Die TuS steht im Wettbewerb mit etlichen Vereinen in der näheren Region, die zum Teil wohl auch mehr Geld in die Hand nehmen. Mit welchen Argumenten kann man einen Spieler für die TuS überzeugen?
Ich glaube, es geht viel um Begeisterung. Ich bin ein großer Freund davon, direkt beim ersten Termin für unser hochintensives Spiel zu werben. Und eben auch zu sagen, wir sind ambitioniert, auch wenn wir das nicht zahlen können, was andere zahlen. Es muss eine Entscheidung für uns sein. Für unsere Stärken, aber auch für unsere Schwächen. Allein die TuS-Raute, das Flair, das Stadion. Wir haben fast 1100 Zuschauer im Schnitt gehabt. Das kann kein anderer Verein in der Region bieten. Kein anderer Verein schafft es, an einem Montagabend gegen Wolfsburg 9500 Zuschauer ins Stadion zu locken – und davon 8500, die für deine Farben sind. Das müssen wir herausstellen. Bei uns gibt es nicht das meiste Geld.