Florian Zimmer ist schon eine coole Socke. Am Ende einer hochemotionalen Woche, die für den SC Idar-Oberstein mit dem Tod von Präsident Hans Dieter Krieger so furchtbar begonnen hatte, im dicksten Oberliga-Abstiegssumpf in der Nachspielzeit zu einem extrem wichtigen Elfmeter anzutreten – und das entgegen aller gängigen Fußballweisheiten auch noch als gefoulter Spieler – das muss man erst einmal fertigbringen. „Ich habe nicht hingeguckt“, gab Tomasz Kakala freimütig zu. Der Trainer des SC Idar-Oberstein verpasste Großes, sah nicht, wie Zimmer Keeper Franjo Serdarusic in die falsche Ecke schickte und flach, links unten, das 2:1-Siegtor für den SC beim FV Engers erzielte – in der 94. Minute.
„Drei Punkte nur für dich. Wie gerne würden wir jetzt mit dir feiern“, postete die Idarer Mannschaft in den einschlägigen sozialen Netzwerken aus der Kabine in Engers und meinte natürlich Hans Dieter Krieger. „Der SC Idar-Oberstein hatte Hilfe von ganz oben“, sagte Gastgeber-Trainer Sascha Watzlawik und stützte damit jenen SC-Fan, der unmittelbar nach dem Schlusspfiff meinte: „Den Elfmeter hat der Hans gepfiffen.“ Auf jeden Fall hätte der Schlussakkord dem verstorbenen und von allen so sehr verehrten SC-Präsidenten gefallen. Der verwandelte Strafstoß hat die Wahrscheinlichkeit, dass der SC Idar-Oberstein, Hans Dieter Kriegers Lebenswerk, auch in der kommenden Saison in der Oberliga spielt, deutlich erhöht.
Zimmer profitiert von Meinerts plumper Grätsche
Wobei der entscheidende Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Torben Huss vom FC Beckingen zurecht erfolgte. Florian Zimmer hatte ihn nach einem Befreiungsschlag von Luca Baderschneider erzwungen, aber er hatte auch Glück. Der SC-Torjäger setzte sich zunächst so robust gegen Gastgeber-Kapitän Christian Meinert durch, dass er relativ alleine in Richtung Tor davonziehen konnte.
Meinert verfolgte Zimmer und schaffte es sogar, den Angreifer im Strafraum nach außen abzudrängen. Die Chance, jetzt noch zu treffen, war für Zimmer nicht mehr sonderlich groß. Doch Meinert beurteilte die Gefahrenlage offensichtlich komplett anders. Es gibt nämlich sonst keine nachvollziehbare Erklärung für die höchst unsinnige Grätsche, die er nun ansetzte und auch noch ziemlich plump ausführte. Und selbst wenn der FVE-Spielführer außer Zimmers Gräten auch noch irgendwo ein bisschen Ball getroffen haben sollte, blieb dem Referee gar nichts anderes übrig als Elfmeter zu pfeifen. „Das ist halt Flo“, kommentierte Kakala den anschließend Siegtorschuss vom Punkt aus. Zum 22. Mal in dieser Saison hatte der Zimmer-Service geliefert – und nie war die Lieferung wichtiger. „Ich bin stolz auf die Mannschaft“, sagte Kakala. In den Augen des Trainers schimmerte es dabei verdächtig feucht. Auch für Kakala war diese Woche extrem.
„Der Sieg des Gegners war glücklich und alles andere als verdient“
FVE-Trainer Sascha Watzlawik
Dass diese Woche für den SC ein gutes Ende haben würde, war in Engers zunächst nicht abzusehen. Die Idarer traten nervös, fahrig, fehlerhaft und durcheinander auf. Und sie steckten früh ein schlimmes Gegentor ein. Meinerts Freistoßflanke fand den völlig ungedeckten Manuel Simons, der zum 1:0 für den FV Engers einköpfte. „Es gibt nicht viele Mannschaften, die sich von so einem Schock erholen würden, aber meine Mannschaft lebt“, sagte Kakala.
Zur Wahrheit gehört allerdings, dass ziemlich viel Glück und der fahrlässige Umgang des FV Engers mit Torchancen im Spiel waren, damit die Idarer nicht einigermaßen aussichtslos ins Hintertreffen gerieten. Simons war alleine vor Tobias Edinger im SC-Kasten zunächst zu zögerlich (18.) und traf dann – von Edinger nach außen abgedrängt – das freie Idarer Gehäuse nicht (25.). Es war zwar hart, aber durchaus nachvollziehbar, dass FVE-Coach Watzlawik später knurrig festhielt: „Der Sieg des Gegners war glücklich und alles andere als verdient.“
Kakala sah das freilich ganz anders – und auch das war in Ordnung so. Der Idarer Coach erklärte: „Wir haben nach dem Gegentor gekämpft, sind mutig geblieben, haben oft vorne schon angegriffen und haben uns am Ende belohnt. Ich finde, wir haben uns diesen Sieg erarbeitet.“
„Es gibt nicht viele Mannschaften, die sich von so einem Schock erholen würden, aber meine Mannschaft lebt“
SC-Trainer Tomasz Kakala
Es dauerte allerdings bis zur 32. Minute, ehe der SC erstmals gefährlich vor dem Engerser Kasten aufkreuzte. Malik Yerima scheiterte nach einem Doppelpass mit Zimmer an Serdarusic. Im Gegenzug mussten die SC-Anhänger schon wieder zittern, als Justin Klein eine Flanke von Vadym Semchuk volley über den Kasten knallte (32.). Der FV Engers schien alles im Griff zu haben, während der SC ruderte, um sich über Wasser zu halten.
„Und dann kriegen wir so ein unmögliches Ei“, schimpfte FVE-Trainer Watzlawik. Treffenderweise übrigens, denn eigentlich herrschte keine Gefahr, als Yerima von rechts flankte. Eigentlich war der Ball ein Geschenk für einen guten Torhüter. Doch Franjo Serdarusic pflückte die Kugel – wie er es hätte tun müssen – nicht aus der Luft, sondern klebte im Kasten fest und ließ sich das Spielgerät von Alessandro Marino zum 1:1 über die Linie stochern. Der SC-Linksaußen hatte die Chance gerochen, war durchgelaufen und bekam die Fußspitze vor dem Keeper an den Ball – 1:1 (45.+2). „Der Ausgleich ist zu einem glücklichen Zeitpunkt gefallen“, fand auch Kakala.

Den SC beflügelte dieses 1:1. Die Partie schien in der ersten Hälfte der zweiten 45 Minuten in Richtung Idar zu kippen. „Der letzte Ball hat uns aber oft gefehlt“, kritisierte Kakala. Tatsächlich schlossen die Idarer bis zum Elfmeter in der Nachspielzeit nicht einmal gefahrvoll ab. Und sie ließen im zweiten Teil des zweiten Abschnitts zu, dass der FV Engers wieder auf- und dem erneuten Führungstreffer nah kam. Aber Keeper Edinger wurde wieder einmal zur Wand, als Justin Willma nach einem verunglückten Freistoß von Niklas Baus alleine vor ihm auftauchte. Mit der linken Pranke parierte er den Schuss des Engerser Einwechselakteurs (68.).
Vier Minuten später wurde es dann besonders kitzlig für den FVE. Schiri Huss hatte eine Abwehraktion Yerimas, die in Edingers Händen landete, als unerlaubten Rückpass gewertet und auf indirekten Freistoß im Fünfmeterraum entschieden. Doch nicht jede Mannschaft hat – wie einst der FC Bayern München in Hamburg – einen Patrick Andersson, der eine solche Möglichkeit mit Urgewalt zu verwerten weiß. Beim Hochbetrieb, der bei einer derart seltenen Situation vor dem Kasten herrscht, ist ein erfolgreicher Torschuss auch nicht einfach. Der FV Engers schoss nicht einmal, sondern verfing sich im Gewirr aus Körpern, Beinen und den Tentakelarmen Edingers (72.).
Und so kam der SC zumindest einem Teilerfolg wieder ein Stück näher. Einem Remis, das Betreuer Fritz Röhrig vor dem Spiel durchaus unterschrieben hätte. „Ich wäre auch mit einem Punkt zufrieden“, hatte die Idar-Obersteiner Fußball-Ikone gesagt. Dass am Ende dann doch drei Zähler herauskamen, dagegen hatte Röhrig natürlich auch nichts einzuwenden.
Sieg am Sonntag gegen Herxheim führt zum Klassenverbleib
Am Sonntag beim Heimspiel gegen den drei Punkte schlechteren Mitaufsteiger SV Viktoria Herxheim hat der SC Idar-Oberstein nun die Chance, schon am vorletzten Spieltag den Klassenverbleib fix zu machen. Seit Samstagabend steht nämlich fest, dass es aus der Regionalliga keine Absteiger in die Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar geben wird, was in weiterer Konsequenz bedeutet, dass aus der Oberliga maximal drei Mannschaften absteigen werden. Im Falle eines Sieges am Sonntag kann der SC nicht mehr auf einen der drei letzten Ränge abrutschen. Angesichts der sportlichen Sorgen zuletzt und des Schocks des Todes von Hans Dieter Krieger wäre das ein riesiger Erfolg.
Florian Zimmer hat den Weg geebnet. Übrigens ließ er, nachdem er umgegrätscht worden war, überhaupt keinen Zweifel aufkommen, dass er den Elfmeter selbst schießen würde. Zimmer stand auf, ging sich den Ball holen, prellte die Kugel zwei-, dreimal auf, legte sie auf den Punkt, lief an und verwandelte. Er ist wirklich eine coole Socke...
FV Engers – SC Idar-Oberstein 1:2 (1:1)
FV Engers: Serdarusic – Schmitten, Eberhardt, Meinert, Semchuk – Stoffels (59. Kesikci), Thewalt – Klein (59. Willma), von Haacke (46. Arbursu), Müller (59. Göcer, 64. Splettstößer) – Simons.
SC Idar-Oberstein: Edinger – Yerima, Kraus, Baus, Baderschneider – Hill, Amidon (76. Bambach), Rafisamii (85. Stallbaum), Marino (68. Do. Bauer) – Schneider (68. Fuchs), Zimmer.
Schiedsrichter: Torben Huss (FC Beckingen).
Zuschauer: 198.
Tore: 1:0 Simons (9.), 1:1 Marino (45.+2), 1:2 Zimmer (90.+4 Foulelfmeter).
Beste Spieler: Klein, Simons, Thewalt – Zimmer, Edinger, Yerima.
Nächste Aufgabe für den SC: Am Sonntag (15 Uhr) gegen Viktoria Herxheim