Der Blick nach vorn ist bei Reifenscheidt eng verknüpft mit dem Blick zurück: In den sieben Jahren als Trainer seines Heimatvereins aus Nentershausen gelang dem A-Lizenz-Inhaber in der Saison 2018/19 der Aufstieg von der Rheinland- in die Oberliga, wo er mit der Mannschaft nach zwei abgebrochenen Corona-Spielzeiten eine starke Saison 2021/22 hingelegt hat. Als Neunter der Qualifikationsrunde Nord verpasste Reifenscheidt mit den Sportfreunden zwar den bis zum Ende der Qualifikationsphase möglichen Einzug in die Meisterrunde, behauptete sich dann aber souverän als Zweiter in der Abstiegsrunde.
Trennung im verflixten siebten Trainerjahr
Danach, so schien es, war die Luft etwas raus. Im verflixten siebten Jahr konnten die Eisbachtaler mit ihrem Trainer nicht an die Leistungen der Vorsaison anknüpfen und stiegen am Ende der Saison 2022/23 in die Rheinlandliga ab. Reifenscheidt selbst erlebte dieses Kapitel aus der Ferne und nicht mehr auf der Trainerbank. Hatte er in der Winterpause bereits angekündigt, am Ende dieser Saison seine Tätigkeit bei den Eisbachtaler Sportfreunden zu beenden, war nach dem 0:2 in Jägersburg am 25. März 2023 vorzeitig Feierabend. Gemeinsam mit Co-Trainer Paul Lauer bot Reifenscheidt seinen Rücktritt an, wie es damals von Vereinsseite kommuniziert wurde.
Dass der 43-jährige Westerwälder in der fünfthöchsten Spielklasse einiges an Erfahrung gesammelt hat, haben sie in Worms offenbar nicht vergessen. Nach dem Rücktritt von Peter Tretter und Co-Trainer Benny Früh habe man „einen Nachfolger gesucht, der die Oberliga oder den Verein gut kennt und uns für eine externe Lösung entschieden“, wird der Sportliche Leiter Aydin Ay in einer Mitteilung der Wormatia zitiert. Marco Reifenscheidt kenne die Oberliga und passe mit seiner Spielidee zudem zum jungen Kader des Traditionsvereins. „Nachdem er die Mannschaft näher kennengelernt hat, werden wir gemeinsam die Kaderplanung für die Rückrunde besprechen“, kündigt Ay an.
Pause fällt deutlich kürzer aus
Den ersten intensiven Kontakt mit seinem neuen Team, das in der Tabelle als Siebter hinter den Ansprüchen des Vereins und des Umfelds sowie den Erwartungen der Konkurrenz herhinkt und zuletzt beim FK Pirmasens mit 0:6 unter die Räder kam, hat Reifenscheidt am Mittwochabend, wenn er zum ersten Mal das Training beim Eisbachtaler Ligakonkurrenten leiten wird. An seiner Seite weiß der gebürtige Nentershausener den verletzten Stefano Maier, der ihn als Co-Trainer unterstützen soll. Nach seiner Tätigkeit bei der U 19 des 1. FC-TSG Königstein in der A-Junioren-Hessenliga habe er sich eigentlich ein Jahr Zeit geben wollen, ehe er einen neuen Trainerjob annimmt, erzählt Reifenscheidt im Gespräch mit unserer Sportredaktion. Als vor eineinhalb Wochen die Anfrage aus Worms kam, geriet dieser Plan aber ins Wanken.
„Ich kenne Aydin Ay aus meiner Zeit bei Eisbachtal als Trainerkollegen. Wir haben uns immer geschätzt“, erklärt er. Als Ay Kontakt aufnahm und fragte, ob sich der frühere Eisbachtaler vorstellen könne, in Worms einzusteigen, begann das Abwägen mit der Familie, „die nicht nur begeistert war“, so Reifenscheidt. „Letztlich war das aber eine der Anfragen seit Sommer, auf die ich richtig Bock habe.“ In der Mitteilung der Wormser erklärt Reifenscheidt, dass er die „Wormatia als gegnerischer Spieler und auch Trainer kennengelernt“ habe und dementsprechend wisse, was ihn erwarte. „Ich bin stolz, dass die Wahl auf mich gefallen ist und werde die Aufgabe mit Demut und Herzblut angehen“, zitiert der Verein seinen neuen Trainer.
Zunächst gilt es, weniger Gegentore zu kassieren und die Zuschauer mitzunehmen.
Marco Reifenscheidt, Trainer Wormatia Worms
Im Gespräch mit unserer Zeitung wird Reifenscheidt konkreter. „Die Mannschaft ist hinter den Ansprüchen zurückgeblieben“, weiß er. „Die Fans sind enttäuscht, aber noch relativ ruhig.“ In seiner ersten Station „als Feuerwehrmann“ gelte es nun im ersten Schritt, „weniger Gegentore zu kassieren und die Zuschauer mitzunehmen“, sagt der neue Wormatia-Coach.
Bis zur Winterpause wolle er sich dann ein Bild davon machen, welche Spieler bereit sind, den Weg mitzugehen „und in einer schwierigen Phase auch gegen Widerstände anzukämpfen“. Auch wenn attraktiver Fußball das grundsätzliche Ziel sei, müsse „vor allem gekämpft werden“, um den Fans, die Eintritt zahlen, etwas zurückzugeben.
Wiedersehen mit alten Bekannten beim Debüt
Die erste Aufgabe für Reifenscheidt und die Wormatia hat es gleich in sich: Am Samstag (14 Uhr) kommt die TuS Koblenz nach Worms. „Mit der TuS kommen Zuschauer, klar freue ich mich darauf“, sagt der 43-Jährige. Auch das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Eisbachtaler Spieler Lukas Tuchscherer und dem Koblenzer Trainer Michael Stahl verleiht dem Debüt als Wormatia-Coach eine besondere Note.
Bis zum Anpfiff des Heimspiels gegen Koblenz gelte es, seiner neuen Mannschaft „einen Plan an die Hand zu geben“, betont Reifenscheidt. „Ich denke, die Rollen für dieses Duell sind noch nicht klar verteilt“, ergänzt er vor seiner Rückkehr in die Oberliga nach einem Jahr und sieben Monaten.