Hans Dieter Krieger ist tot
Der SC Idar-Oberstein ist sein Lebenswerk 
Hans Dieter Krieger herzt vor einem Jahr voller Freude Flavius Botiseriu, nachdem der SC Idar-Oberstein in die Oberliga aufgestiegen war. Den Verein hat der Unternehmer geprägt wie sonst niemand. Der SC ist Hans Dieter Kriegers Lebenswerk.
Joachim Hähn

Eine der größten Persönlichkeiten Idar-Obersteins ist gestorben. Hans Dieter Krieger starb in der Nacht von Sonntag auf Montag im Alter von 86 Jahren. Heimatverbundenheit und Freundschaft waren entscheidend für den Präsidenten des SC Idar-Oberstein.

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Als Hans Dieter Krieger am frühen Samstagabend die Sportgaststätte im Haag betrat, da war seine fußballerische Gefühlswelt zwiegespalten. Er war einverstanden mit der Leistung, die sein SC Idar-Oberstein kurz zuvor gegen den 1. FC Kaiserslautern II abgeliefert hatte, dass aber am Ende eine 0:1-Niederlage stand, das schmeckte ihm nicht. „Verlieren kratzt mich immer“, sagte er. Dass er nur noch einen Tag leben, dass er keinen Sieg seines SC mehr genießen würde, ahnte niemand, als er eine Stunde später ging und das Lokal prompt viel leerer wirkte, obwohl die Tische noch recht gut besetzt waren. In der Nacht auf Montag verstarb Hans Dieter Krieger im Alter von 86 Jahren.

Hans Dieter Krieger gehörte zu den Menschen, die eine besondere Präsenz ausstrahlten. Wenn er im Raum war, dann war der Raum voll. Er alleine konnte Säle füllen, wenn er sie betrat. Das ist umso bemerkenswerter gewesen, weil Hans Dieter Krieger sich nicht in den Vordergrund drängte. Seine Präsenz war nicht dröhnend, sondern piano, und sie hatte gerade deshalb Wucht. Hans Dieter Krieger war ein stiller Anführer. Er benötigte nicht zwingend das höchste Amt, um sich Gehör zu verschaffen.

Ein Patriarch im besten Sinne

Es hat tatsächlich ziemlich lange gedauert, bis er auch nominell die Nummer eins im Verein, bis er 1. Vorsitzender und Präsident des SC Idar-Oberstein war. Das lag nicht an den Mitgliedern, die ihn sicher schon viel früher in diese Spitzenposition gewählt hätten. Hans Dieter Krieger hat Vereinsarbeit nicht der Pöstchen wegen geleistet, auch nicht, weil er sich eine besondere Anerkennung oder gar einen besonderen Vorteil von ihr versprach. Kriegers ganzes Engagement, egal ob es finanzieller Natur war oder aus unzähligen ehrenamtlichen Stunden bestand, kam aus tiefster Überzeugung. Für ihn war ein Verein wie der SC Heimat mit – wie er selbst zum hundertjährigen Bestehen des Klubs geschrieben hat – „Zielen, Werten, Inhalten, Menschen und Freunden“. Die Gemeinschaft, die Freundschaften, die in einem Klub, wie es der SC Idar-Oberstein nun einmal ist, entstehen, sie waren ihm wichtig.

Gelenkt und beeinflusst hat Hans Dieter Krieger den SC Idar-Oberstein gleichwohl immer, seit er beschlossen hatte, sich in besonderer Weise zu engagieren und 1987 dem neu gegründeten Förderverein beizutreten. Ob gewollt oder ungewollt. Er war immer der Kopf, die wichtigste Person. Schöne Stunden mit Freunden in einem Verein zu erleben, schlossen ja nicht aus, auch besonders erfolgreich zu sein. Im Gegenteil: Hans Dieter Krieger hat seinen Verein an der Spitze sehen wollen. Herausgekommen ist ein Lebenswerk. Hans Dieter Krieger war im besten Sinn der Patriarch des SC Idar-Oberstein. Die wirklich wichtigen Dinge wurden bis zum Schluss nie ohne seine Zustimmung entschieden. Dabei hat er immer an den Vorteil des Klubs gedacht. Und so ist es auch typisch, dass in der Sterbeanzeige der Familie Krieger „anstelle von freundlich zugedachter Blumen“ eine „Spende an den SC Idar-Oberstein“ erbeten wird. Hans Dieter Krieger hätte dazu wohl verschmitzt gelächelt und kurz – wie zur Ermunterung – genickt.

Eine Tribüne für den Haag und elf Sekunden über hundert Meter

Wenn sich für den SC Idar-Oberstein eine Chance ergab, dann war Hans Dieter Krieger zur Stelle. Er hatte ein untrügliches Gespür für den richtigen Moment. Wie 1997 etwa, als in geselliger Runde im Haag der damalige DFB-Schatzmeister Karl Schmid erzählte, dass der DFB noch einen Austragungsort für das U-21-Länderspiel gegen Russland suche. „Machen wir es doch im Haag in Idar-Oberstein“, sagte Hans Dieter Krieger und dem Vernehmen nach soll das weniger wie ein Vorschlag, sondern eher wie eine Aufforderung geklungen haben. Abzubringen von dem Gedanken war „HDK“, wie er durchaus ehrfürchtig genannt wurde, sowieso nicht mehr. Auch nicht, als der hohe DFB-Funktionär einwarf, dass es im Haag ja nicht einmal eine Tribüne gebe. „Dann bauen wir eine“, konterte Hans Dieter Krieger – und so wurde es dann auch gemacht. Hans Dieter Krieger konnte sich auf seine Mitstreiter und Freunde beim SC Idar-Oberstein verlassen. Die Tribüne – noch ohne Dach, das folgte dann zwei Jahre später – wurde in Rekordzeit fertiggestellt, und im Haag sahen 5500 Zuschauer, wie Michael Ballack und Co Russland 2:4 unterlagen.

Dass sich Hans Dieter Krieger so stark für den SC Idar-Oberstein engagierte, war natürlich kein Zufall. Für einen der beiden Vereine, die 1971 zum SC fusionierten, den 1. FC Idar, lief er selbst auf. Hans Dieter Krieger war in seiner Jugend ein talentierter, ehrgeiziger Sportler. Seine Leistungen waren nicht nur auf dem Fußballplatz bemerkenswert, er war auch ein außergewöhnlich guter Leichtathlet. Den gleichaltrigen Olympiasieger Bernd Cullmann, der Anfang des Jahres verstorben ist, nannte er einen „lebenslangen Freund“ – nicht ohne schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern darauf hinzuweisen, „dass ich ihn früher über 100 Meter geschlagen habe“. Heinz Hofmann, der große Leichtathletik-Experte und selbst früher ein großartiger Sprinter, bestätigt die Meisterschaft Hans Dieter Kriegers in dieser Disziplin: „Er konnte die hundert Meter in elf Sekunden laufen.“

2014 wurde Hans Dieter Krieger mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die damalige stellvertretende Ministerpräsidentin Eveline Lemke überreichte es dem Kopf des SC Idar-Oberstein.
Nahe-Zeitung. NZ

Im Grunde seines Herzens ist Hans Dieter Krieger Sportler geblieben – auch, als er einen Stock zum Gehen benötigte. Unter Sportlern hat er sich wohlgefühlt – und eine ganze Reihe von Talenten auch außerhalb des Fußballs hat er unterstützt. Gesehen hat er sich selbst aber als Teamplayer, als Mannschaftssportler. „Ich persönlich kann mir kaum eine Schulform vorstellen, die mit mehr Freude und Unterhaltung – quasi im Spiel – so viele Grundwerte und Ideale für Körper und Geist vermitteln kann wie der Mannschafts- und Vereinssport“, hat er in einer Festschrift geschrieben.

Seine eigene Sportlerlaufbahn hat Hans Dieter Krieger hinten angestellt, als er 1964 nach dem plötzlichen Tod seines Vaters die Diamantschleiferei der Familie übernahm. Zwei Jahre vorher hatte er die Prüfung zum Diamantschleifermeister bestanden. Wer Hans Dieter Krieger „nur“ als großen Sportmäzen sieht, wer ihn vor allem im Fußball verortet, verkennt, welch herausragender Unternehmer er war. Unter seiner Führung entwickelte sich die Schleiferei zu einer weltweit führenden Manufaktur für feinste Juwelen mit einem exklusiven Kundenkreis rund um den Globus. Der Aufstieg des SC erscheint ein wenig wie ein Abziehbild des Aufstiegs seiner Firma. Für seinen Unternehmergeist, aber vor allem für sein Engagement für die Gesellschaft in Rheinland-Pfalz wurde Hans Dieter Krieger 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Aus der A-Klasse in die Regionalliga

Sein Betrieb, seine Arbeit, sein Erwerb ermöglichten es Hans Dieter Krieger erst, als Sponsor und Gönner aufzutreten. Er tat es in allen Bereichen. Der Musikliebhaber, der bis zuletzt auch immer wieder als Sänger im Kreis der „Bachwagge“ auftrat, rettete – zusammen mit einigen anderen Unternehmern – zum Beispiel auch das Parkhotel. In der Öffentlichkeit weniger bekannt ist, dass er sich nahezu 50 Jahre lang für die deutsch-israelische Freundschaft eingesetzt hat. Häufig reiste er nach Israel, 1996 auch mit den Oberliga-Fußballern seines SC Idar-Oberstein.

Sein Verein war damals gerade zum ersten Mal in die Oberliga aufgestiegen. Aus der A-Klasse ging es stetig nach oben. Zusammen mit seinen längst verstorbenen Freunden Georg Berg, Angelo Milisenda und Wolfgang Klein bildete Hans Dieter Krieger ein Quartett, das zum Gesicht des SC Idar-Oberstein wurde und maßgeblich die Verantwortung trug, dass es der Klub bis in die damals drittklassige Regionalliga schaffte.

Ein großes Herz und Hilfsbereitschaft in schwierigen Situationen

Bei allen Erfolgen – immer waren Heimatverbundenheit und Freundschaften zentrale Taktgeber von Hans Dieter Kriegers Wirken – gerade beim SC Idar-Oberstein. Gefährten, die ihn auf dem Weg begleitet und unterstützt haben, vergaß er nie und zollte ihnen mindestens Respekt. Die Verbindung zu Michael Dusek beispielsweise war nicht unkompliziert. Doch als der Trainer, der den SC zweimal in die Regionalliga führte, vor zwei Jahren starb, da war auch Hans Dieter Krieger bei der Beerdigung in Kaiserslautern. In strömendem Regen saß er da und nahm an der Zeremonie teil.

Der SC Idar-Oberstein, die Fußballmannschaften sowie das Gelände rund ums Haag-Stadion, zeugen von Hans Dieter Kriegers Engagement und Haltung. Auseinandersetzungen suchte und brauchte der Präsident nicht, aber wenn es sein musste, dann scheute er sie auch nicht – beispielsweise bei aus seiner Sicht unangebrachter Kritik. „Mit dir treffe ich mich zum Boxen“, beschied er einst einem Redakteur unserer Zeitung. Natürlich kam es nicht so weit. Wirklich nachtragend war Hans Dieter Krieger nämlich nicht. Denn über den Sport hinaus war eines wirklich bemerkenswert: sein großes Herz, seine Hilfsbereitschaft in schwierigen Situationen. Und auch, wenn er Niederlagen mit Haltung zu nehmen wusste – Hans Dieter Kriegers letztes Spiel des SC Idar-Oberstein hätte mit einem Sieg enden sollen.

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