Wann ein Sportplatz als „längst vergessen“ bezeichnet wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab und liegt in erster Linie im Auge des Betrachters. Oft ist bei Ortsbesuchen noch genauestens ersichtlich, wo früher einmal der Ball rollte. In manchen Fällen wiederum müssen Chroniken oder alte Fotos als primäre Quellen zu Rate gezogen werden. Als Beispiel für letztere Gattung dient der ehemalige Sportplatz in Rückeroth, wo bis in die 1950er-Jahre hinein Fußball gespielt wurde.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden sich auch in der heute rund 480 Einwohner zählenden Gemeinde einige Enthusiasten, die sich für den damals neu aufgekommenen Fußballsport begeistern konnten. 1923 wurde in der Rückerother Gemarkung „Unter dem Langen Weg“ schließlich ein Spielfeld angelegt. „Die Gemarkung liegt auf halbem Weg zwischen Rückeroth und Goddert“, weiß Wilfried Göbler, der sich in der Historie des Orts bestens auskennt und 2009 die Chronik zum 750-jährigen Bestehen schrieb, zu berichten. Er fügt an: „Auch der Fußballverein war eine Gemeinschaft zwischen Rückerother und Godderter Spielern.“
Bereits im Jahr 1921 war der Sportverein „Edelweiß“ gegründet worden, der sich zunächst in erster Linie auch dem Fußball verschrieben hatte. „Die Vereinsgründung war ein Verdienst des damaligen Rückerother Lehrers Wilhelm Humrich, dem auch eine glückliche Hand mit der sportbegeisterten Jugend bescheinigt wird“, erläutert Göbler. Größere Erfolge waren in den Anfangsjahren nicht zu verzeichnen, doch das Vereinsleben blieb bestehen und wurde auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder aufgenommen.
„Sogar eine Damenabteilung wurde neu gegründet, die sich dem Handballsport widmete“, betont Göbler. Die Mannschaft feierte zwei Kreismeisterschaften, löste sich aber bereits 1949 wieder auf, da es schlicht und ergreifend an Gegnern mangelte.
Die Fußballer wurden im Zuge einer Ligenreform nach der Saison 1947/1948 von der 1. in die 2. Kreisklasse zurückversetzt, sicherten sich dort aber 1951 in der Staffel Nord den ersten Platz und den Wiederaufstieg. Zum Saisonabschluss – gewissermaßen passend zum 30-jährigen Bestehen des Vereins – gab es auf dem heimischen Sportplatz einen 6:0 (3:0)-Heimsieg gegen Marienhausen zu feiern. Im erfolgreichen Jubiläumsjahr wurde zudem ein großes Sportfest ausgetragen, in dessen Rahmen nicht nur die Rückerother Mannschaft eine Ligapartie gegen Sessenbach-Wirscheid bestritt, sondern auch die Landesligisten SC Wirges und Eintracht Höhr-Grenzhausen in Freundschaftsspielen jeweils auf Auswahlmannschaften trafen.
200 bis 300 Zuschauer, so Göbler, waren bei den Begegnungen auf dem Rückerother Sportplatz zugegen – sicherlich ein Höhepunkt in der Geschichte des Vereins, der seinen Namen ebenfalls 1951 in Sportverein „Edelweiß“ Rückeroth-Goddert änderte.
„Damit wurde den Vereinskameraden aus Goddert berechtigterweise Rechnung getragen, weil sie in der ersten Mannschaft den überwiegenden Anteil an Spielern stellten“, erklärt Göbler, der noch Kindheitserinnerungen an die Zeiten hat, als in Rückeroth Fußball gespielt wurde: „Aus dem Dorf hat dann immer ein kleiner Pilgerspaziergang stattgefunden. Es gab auf jeden Fall eine kleine Tribüne, und an einem Baum war sogar eine Lautsprecheranlage angebracht.“
Diese dürfte auch am 7. August 1949, also zwei Jahre vor den Jubiläumsfeierlichkeiten, zum Einsatz gekommen sein, als der SV Rückeroth ein großes Fußballturnier mit zwölf teilnehmenden Mannschaften austrug. Auch die Rhein-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 10. August über den Wettbewerb, der folgendermaßen umschrieben wurde: „Das Turnier selbst verlief bei sommerlicher Hitze recht spannungs- und abwechslungsreich. Eine große Zuschauermenge war dem Veranstalter dankbar für die Verpflichtung solch guter Mannschaften, die in hartem, aber fairem Einsatz um den Turniersieg kämpften.“
Interessante Spiele fanden auf dem Rückerother Sportplatz also einige statt – dazu gehörte in dieser Zeit auch eine Freundschaftspartie gegen eine Auswahl der TuS Neuendorf (heute TuS Koblenz), die die gastgebenden Rückerother, wie Göblers Recherchen ergaben, sogar für sich entscheiden konnten. Das genaue Ergebnis lässt sich gleichwohl nicht mehr nachvollziehen, und ob die TuS mit ihrer ersten Mannschaft antrat, ist auch fraglich. „Es bleibt mir nur, diesen Sieg als Legende in die Rückerother Vereinsgeschichte einfließen zu lassen, die aber immerhin eine Ahnung vom Leistungsvermögen der Mannschaft vermittelt“, erläutert Göbler.
Heute ist vom Sportplatz in Rückeroth nicht mehr viel übrig geblieben. Im Zuge einer Flurbereinigung in den 1970er- und 1980er-Jahren verschwand das Spielfeld, das zuvor schon einige Jahre brach lag und von der Natur zurückerobert wurde. Fußballspiele dürften hier letztmals Mitte der 1950er-Jahre ausgetragen worden sein, ehe sich die Abteilung wegen Spielermangels auflöste. Diejenigen, die noch Fußball spielen wollten, verteilten sich auf die Nachbarvereine. Heute wird das Gelände „Unter dem Langen Weg“ landwirtschaftlich genutzt. Was also bleibt, sind Erinnerungen an Zeiten, in denen selbst kleinere Ortschaften wie Rückeroth oder Goddert eigene Mannschaften stellen und zumindest für einige Jahre in der heimischen Fußballlandschaft ihre Spuren hinterlassen konnten...
Zur Serie: Längst vergessene Sportplätze der Region
„König Fußball“ zieht auch in unserer Region die Massen an. Ob nun im höherklassigen Bereich oder beim B-Klasse-Derby: Die Zuschauerzahlen können sich oftmals sehen lassen. Doch vielerorts rollt das runde Leder schon lange nicht mehr − und genau darum geht es bei unserer Serie „Längst vergessene Sportplätze der Region“. Wir schauen in losen Abständen auf Orte, in denen früher mal Fußball gespielt wurde, betrachten deren Geschichte und lassen alte Erinnerungen noch einmal aufleben. Denn auch in unseren Gefilden gibt es einige (ehemalige) Sportplätze, auf denen vor Jahren noch hoch herging, die nun aber verwaist sind oder anderen Zwecken dienen. In dieser Serie stellen wir einige von ihnen vor.
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