Zurück ins Jahr 1981. Wir schreiben den 16. Mai, es ist ein Samstag. Das wird an diesem Wochenende eine Rolle spielen, denn damals wurden die beiden letzten Spieltage nicht zeitgleich ausgetragen. Zumindest nicht in der D-Klasse Rhein, in der die Bickenbacher spielten. Mit 41:3 Punkten führt der SV das Feld an, der SV Lieg folgt mit 40:4 Punkten. Alles läuft auf ein heißes Duell am letzten Spieltag in Lieg hinaus. Doch es kommt anders. Bickenbach schlägt den Lokalrivalen Hausbay-Pfalzfeld mit 3:1 nach 0:1-Rückstand. Günter Winkels Doppelpack noch vor der Pause sorgt für Beruhigung, Jürgen Boos macht später den Deckel drauf zum 3:1-Sieg.
Dieser Jürgen Boos schlendert fast 40 Jahre später über den Bickenbacher Rasen und weiß noch ziemlich genau, wie die Geschichte weiter ging Mitte Mai 1981. „Wir sind dann sonntags nach Bad Salzig gefahren, um zu gucken, wie Lieg spielt“, erzählt Boos. Es gab Schützenhilfe vom Dritten, die Bad Salziger Reserve siegte 4:1, Bickenbach war Meister.
Natürlich brachen spontan die Dämme. Daran erinnert sich auch Günther Liesenfeld gut, der wie Boos aus Thörlingen kommt, dort Teile der Dorfchronik verfasst hat und ebenso wichtiger Bestandteil der damaligen Mannschaft gewesen ist: „Es waren unheimlich viele Leute mit in Salzig, wir hatten Trompeten und Fahnen dabei und haben schön Tam-Tam gemacht.“ Das half. In Lieg wurde noch 4:0 gewonnen, der FSV holte sich ungeschlagen mit 45:3 Punkten und 79:22 Toren den Titel und stieg in die C-Klasse auf. „Wir haben hier am Platz später eine offizielle Meisterfeier gemacht, der Männergesangsverein kam mit einem Meisterschild hoch und hat gesungen, ich habe ja jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke, da hat das ganze Dorf verrückt gespielt“, sagt Boos.
Mit Dorf meint er Dörfer. Bickenbach, Niedert und auch Mühlpfad stellten in der Regel die Spieler bei den Senioren – und natürlich Thörlingen. Von dort kamen viele und gute Akteure beim FSV, Boos und Liesenfeld zum Beispiel. Boos war in besagter Saison der beste Torschütze der Bickenbacher, 26 Buden machte er, mit 14 Treffern folgte Thomas Weber – ebenfalls ein Thörlinger.
„Mit Thomas habe ich mich auf dem Platz gut verstanden, er hat rechts gespielt und viele Tore super vorbereitet“, reicht Boos die Lorbeeren weiter. Auch an den Trainer, Hermann Schön aus Laudert. „Unter ihm hat es uns Spaß gemacht.“ Die Übungsstunden in frühester Jugend haben beim Duo Boos/Weber ihren Teil zum Verständnis beigetragen. „Ranzen in die Ecke, Tore gebaut aus paar Stangen und halb im Hang Fußball gespielt, jeden Tag, das war unser Ein und Alles“, berichtet Boos, „das war früher so.“
Was früher auch noch so war: Vieles wurde handschriftlich für die Nachwelt erfasst. Und genau das tat Alois Will, Liesenfelds Schwager und ebenfalls Mitglied der Meistermannschaft. Fein säuberlich hat er die ganze Saison notiert in einem kleinen orangenen DIN-A5-Rechenheft. Jedes Spiel mit der taktischen Aufstellung, mit Wechseln, mit den eigenen Torschützen und nebendran die Tabelle des jeweiligen Spieltags aus unserer Zeitung.
Wenn Boos heute in dem Tor steht, in das er den Ball des Öfteren hineinwuchtete, fällt zum einen auf: Auf der gegenüberliegenden Seite steht gar kein Tor mehr – und in dem noch vorhandenen ist ein veritabler Knick im rechten Pfosten. „Da ist bestimmt jemand dagegengefahren, hier ist schon mit Autos oder Quads drübergefahren worden“, schüttelt Boos den Kopf. Ein Einbruch in das Umkleidegebäude, das 1990 gebaut wurde, ist ebenfalls noch nicht lange her. Vor allem tut das den „Altgedienten“ weh, wenn man bedenkt, wieviel Eigenleistung beispielsweise darin steckte, überhaupt Wasser „hoch“ zu bekommen.
Von der Firma Altenweg aus, die zwischen Ort und Rasen liegt, wurde alles fast in Eigenleistung und finanzieller Unterstützung der Gemeinde bis nach oben gegraben, Anschluss ans Wasser- und Stromnetz gab es ab 1998. Weihwasser gab es schon früher, nämlich am 23. Juli 1977, als Pastor Josef Sonntag den Rasen bei der Einweihung segnete. Vorher war der Rasen wie erwähnt gedreht worden, da er nicht über die nötigen Maße verfügte. Die Gemeinde stellte zusätzliches Waldgelände von fast 3000 Quadratmetern zur Verfügung, das ebenfalls unter Mithilfe der Vereinsmitglieder abgeholzt wurde. Durch die Hanglage wurde viel Erde bewegt und planiert, bis die Tore nicht mehr Richtung Bickenbach und Hunsrückhöhenstraße standen, sondern eben gedreht. Die Gesamtkosten betrugen 20.770 Mark. Boos kennt das Bild von der Einweihung gut, sein viel zu früh verstorbener Vater Arthur steht neben Sonntag, Arthur Boos war damals Vorsitzender des FSV. Jürgen Boos selbst war es später auch, neun Jahre lang zu SG-Zeiten mit Leiningen.
Auch wenn nicht mehr gespielt wurde in Bickenbach, so wird der Platz doch genutzt. Im Sommer finden regelmäßig Ferienlager statt. Die Jugend feiert den 1. Mai dort, wovon ein leerer, aufgebockter Getränke-Anhänger zeugt, der am Waldrand steht. Dass irgendwann kein Fußball mehr auf dem Rasen gespielt werden würde, war abzusehen. Gerade mit Beginn der SG-Zeiten. „Das war auch besser so. Wenn der Winter rum war, waren viele Maulwurfhügel hier, die Wildschweine waren oft drauf. Der Aufwand, den Platz immer wieder zu machen, stand in keinem Verhältnis zum Ertrag“, sagt Liesenfeld, der im FSV Schriftführer gewesen ist.
Dieser FSV hat heute rund 200 Mitglieder, der Vorsitzende ist der Thörlinger Dieter Stahl. Mit Alex Pies, Niklas Kneip und Marvin Vogt spielen immerhin drei „waschechte Biggebächer“ in der Bezirksliga-Ersten der SG.
Fußball wird auf dem Bickenbacher Rasen hingegen wahrscheinlich nie mehr gespielt, auch wenn sich die Wildschweine längst nicht mehr so breit machen, seit ein Bauzaun das Gelände umgrenzt. Pläne für dieses Terrain gibt es aber. Bickenbachs Bürgermeister Marco Mohr sagt: „Es ist eine Idee, dort einen Grillplatz zu errichten, eine Grillhütte, vielleicht für den Dörferverbund Bickenbach, Thörlingen, Niedert und Mühlpfad. Das ist aber alles noch nicht spruchreif, die Gemeinde hat das im Blick. Es geht dabei nicht um den Invest, sondern die Unterhaltung muss gewährleistet sein.“ Es könnte sich also durchaus noch mal was drehen auf dem Bickenbacher Rasen. Wenn auch nicht um 360 Grad. 90 reichen ja manchmal.