Der Rasenplatz auf dem Valwigerberg (im Hintergrund die mehr als 600 Jahre alte „dicke Eiche“) ist seit 2012 Geschichte.
Das ist alles Geschichte, aber der SV Valwig – der 1966 seinen größten sportlichen Erfolg genau in dem Jahr gefeiert hat, als der Rasen auf dem Valwigerberg eingeweiht worden ist – und die FZM Schinkendorf liefern noch genügend Geschichten, um ihren längst vergessenen Sportplatz in bester Erinnerung zu behalten.
„Liebe Valwiger im Tal und auf der Höhe“ – so hat der ehemalige Ortsbürgermeister Burkhard Schneemann (mittlerweile verstorben) immer die Einwohner des 480-Seelen-Orts an der Mosel begrüßt. „220 unten, 260 oben“, so skizziert Schneemanns Sohn Christian die Einwohnerverhältnisse im zweigeteilten Dorf. Die „unten“ an der Mosel trennen 210 Meter Höhenunterschied von denen „oben“ auf 300 Meter Höhe – oder zehn Minuten zu Fuß. Christian Schneemann wohnt „unten“, der 49-Jährige ist seit fast 25 Jahren der Vorsitzende des SV: „Mein Vater hat damals gesagt: Der Christian kann das machen.“ Gespielt hat Schneemann selbst – und zwar für den SSV Ernst auf der anderen Moselseite, weil der SV Valwig zwischen 1983 und 2008 25 Jahre im Spielbetrieb pausiert hat.
Viele Geschichten von der früheren Zeit hier „oben“ können der SV-Vorsitzende Christian Schneemann (links) sowie die bisher beiden einzigen Vorsitzenden der FZM Schinkendorf, Ewald Zenz und Klaus Zucchet, erzählen.
Fußball ist dennoch auf dem Valwigerberg mindestens einmal im Jahr gespielt worden – dank des zweiten Vereins im Ort, der 1978 gegründeten FZM Schinkendorf. In den 43 Jahren hat es lediglich zwei Vorsitzende der immer noch 64 Mitglieder starken Freizeitmannschaft gegeben – von 1978 bis 1993 hat Klaus Zucchet den Vorsitz inne gehabt und seitdem Ewald Zenz. Zucchet (Jahrgang 1951) hat noch in den 70er-Jahren für den SV Valwig gestürmt, Zenz (Jahrgang 1957) zum Ende seiner Karriere in den 80er-Jahren in der SG mit Ernst.
Davor hat Zenz mit seinem Zwillingsbruder Gerd Ende der 70er-Jahre beim damaligen Landesligisten SV Strimmig für Furore gesorgt, später folgt noch ein Gastspiel beim Verbandsligisten SV Untermosel Kobern. „Zucchet und Zenz – ZZ Top“, sagt Schneemann über das Duo vom Valwigerberg, das nach dem Ende der Glanzzeit des SV Valwig durch das FZM-Sportfest von 1978 bis 2012 34 Jahre lang den fußballerischen Glanz auf den Rasen direkt neben der 600 Jahre alten und unübersehbar großen „dicken Eiche“ zurückgebracht hat.
Treueste Anhängerin: Gundi Fiedermann war bei jedem Spiel des SV Valwig früher dabei.
Dass der SV „Mosella“ Valwig eine Fußballmacht an der Mosel in den 50er- und 60er-Jahren gewesen ist, daran erinnert sich niemand besser als die 75-jährige Gundi Fiedermann. Sie ist von Kindesbeinen der größte Fan der Mannschaft gewesen, die 1966 mit der Meisterschaft im Altkreis Cochem ihren größten Erfolg gefeiert hat. „Ich war immer dabei, Fußball war unser Leben“, lacht Gundi Fiedermann, die mit Stürmer Hans Fiedermann (später auch Valwiger Bürgermeister, 2010 verstorben) verheiratet gewesen ist.
Gundi Fiedermann ist eine geborene Göbel, ihre Eltern haben eine Gaststätte gehabt – und das ist zudem das Vereinslokal des SV gewesen. Bei „Göbels“ hat sich das „Leben“ des Klubs abgespielt. „Freitags war die Spielersitzung bei uns im Büro, da haben sich immer 15, 16 Mann reingequetscht“, lacht Gundi Fiedermann: „Nach den Spielen kamen alle immer in unsere Kneipe mit ihren verdreckten Klamotten, Duschen gab es ja noch keine. Das war eine Sauerei, die wir Mädchen immer wegmachen mussten.“
Aber die „Mädchen“, sie und ihre drei Geschwister, haben das gerne gemacht. Ihre Mutter Franziska Göbel ist in der Zeit nicht nur die Vereinswirtin, sie wäscht auch montags die Trikots der SV-Recken. „Fußball hat die ganze Woche bei uns bestimmt“, sagt Gundi Fiedermann. Sonntags ist sie natürlich auf dem Platz, der damals noch am Moselufer unterhalb des heutigen Hotels Fritz liegt. „Ich habe nie ein Spiel verpasst, und mir auch nichts gefallen gelassen“, erinnert sie sich an „heiße“ Duelle vor allem später gegen die Hunsrückmannschaften: „Das war immer schön, aufregend und emotional.“
Und das hielten auch viele andere Spielerfrauen so.
Der SV Valwig, von 1953 bis 1963 bis auf eine Saison (1960/61) immer in der A-Klasse, kann nicht immer in heimischen Gefilden antreten. Hochwasser und die Schäden danach macht oft ein Spielen unmöglich, es wird ins Cochemer Moselstadion oder nach Ernst ausgewichen. „Nach dem Hochwasser musste immer wieder frisch eingesät werden“, erinnert sich Gundi Fiedermann. Auch der damalige Teenager Klaus Zucchet erinnert sich an den „anfälligen“ Rasenplatz: „Nach dem Hochwasser mussten wir Schüler immer die Steine vom Platz aufsammeln.“ Der SV hat durch das berühmte Weinfest immer ordentlich Geld in der Kasse, deshalb wird 1964 die Entscheidung getroffen, einen neuen Rasen zu bauen – und zwar „oben“ auf dem Valwigerberg, um dem Hochwasser zu entkommen.
In die Bauphase fällt die größte Zeit des eigenständigen SV Valwig. Die Saison 1965/66 ist das Jahr des SV. „Wir hatten eine tolle Mannschaft“, erinnert sich Gundi Fiedermann. Vor allem der Dreiersturm um ihren Mann Hans, ihrem Zwillingsbruder Helmut Göbel und Winfried Meurer, die das Gros der 113 Tore in 22 Spielen (38:6 Punkte) markieren. Die Verpflichtung von Trainer Günter Schumann, der Sportlehrer am Gymnasium Cochem ist, gibt in der Winterpause noch einen Schub. Mit dem TuS Düngenheim kämpft der SV Valwig um die Meisterschaft in der 1. Kreisklasse. Das entscheidende Spiel, wieder auf dem Ausweichplatz in Ernst, gewinnt Valwig. Der Titel ist perfekt. „Der ganze Ort stand Kopf“, sagt Gundi Fiedermann: „Wir haben zwei Fackelzüge durchs Dorf gestartet, einen Sonntagsabends nach dem Spiel, und einen einen Tag später, so ausgiebig haben wir die Meisterschaft gefeiert.“
Richtig was los war immer auf dem Sportfest der FZM Schinkendorf.
Dem Höhepunkt folgt wenige Wochen später der nächste. Im Juni 1966 wird der neue Rasenplatz auf dem Valwigerberg eingeweiht, das erste Spiel bestreiten der frischgebackene Kreismeister SV Valwig und der Bezirksligist Spvgg Cochem. Auch auf dem Valwigerberg ist die Unterstützung für den SV groß, doch nach drei guten Jahren in der A-Klasse beginnt allmählich der sportliche Abstieg. Mit Ortsnachbar Bruttig wird 1969 eine Spielgemeinschaft gebildet, im ersten Jahr nach der Kreisreform steigt Bruttig/Valwig 1971 als Letzter aus der A-Klasse Hunsrück/Mosel ab.
„In den 50er- und 60er-Jahren lief der SV Valwig auf Hochtouren, ab 1970 ist es dann weniger geworden“, erinnert sich Gundi Fiedermann. Nach dem schnellen Ausstieg aus der SG 1972 mit Bruttig geht es für den SV bergab bis in die D-Klasse. Nur eine SG kann den SV vor der Abmeldung vom Spielbetrieb retten, 1977 wird die Verbindung mit dem SSV Ernst eingegangen. Ohne Niederlage geht es 1979 in die C-Klasse hoch, aber immer weniger Valwiger identifizieren sich mit dem Fußball. 1983 stellt der SV-Vorstand die „Vertrauensfrage“ an seine Kicker, doch zu einer Sitzung um den Fortbestand des Spielbetriebs kommen nur zwei ältere Kicker. Dem Rest ist es egal, der SV meldet sich vom Spielbetrieb ab. „Das ist der Tiefpunkt in unserer Historie“, heißt es 1983 in den handschriftlichen Aufzeichnungen des SV.
34 Mal (von 1978 bis 2012) war Ende Juli der Valwigerberg ein Zuschauermagnet.
25 Jahre später, nachdem der SSV Ernst 2008 aus der SG mit Cochem/Klotten ausscheidet und einen Neuanfang machen will, wagt der SV Valwig unter dem Vorsitzenden Christian Schneemann ein „Comeback“ mit Ernst. Der Ball soll wieder regelmäßiger – und nicht nur am FZM-Sportfest einmal im Jahr – auf dem Valwigerberg rollen. Vier Jahre besteht die SG mit Ernst, 2012 ist Schluss. Das letzte Spiel in Valwig ist im August 2011, ein 1:9 in der C-Klasse gegen Auderath. „Die jungen Kerle wollten alle in Ernst auf dem schönen Rasen spielen, keiner mehr in Valwig, das hat dann keinen Sinn mehr für uns gemacht“, sagt Schneemann.
Rund ein Jahr nach dem letzten offiziellen Spiel in Valwig findet Ende Juli 2012 auch das 34. und letzte Sportfest der FZM Schinkendorf statt. Die Wühlmäuse haben letztlich dem Rasen den Garaus gemacht. „Es waren dann zu viele Löcher auf dem Platz, die Verletzungsgefahr zu groß“, sagt der FZM-Chef Ewald Zenz. In den Jahren und Jahrzehnten davor ist das Geläuf immer top gepflegt gewesen zum Sportfest. „Wir als SV konnten das nicht mehr leisten, auch weil jahrelang hier kein Spiel stattgefunden hat, deshalb hat die FZM die Platzpflege übernommen – und der Rasen war immer gut in Schuss“, sagt Schneemann. Und die Freizeitmannschaft um die beiden einzigen Vorsitzenden in den vier Dekaden, Zucchet und Zenz, macht noch mehr.
Die erfolgreichste Mannschaft des SV Valwig auf zwei Bildern: Hier die Mannschaft, die 1966 den Meistertitel im Altkreis Cochem holte: (stehend, von links) Werner Boos, Hans-Günter Jobelius, Horst Göbel, Helmut Göbel, Hermann-Josef Jobelius, Hansi Lenz, Winfried Meurer, Rolf Kömmet, Trainer Günter Schumann, der Vorsitzende Theo Moog sowie (kniend, von links) Hans Fiedermann, Manfred Jobelius, Franz Mertes, Torwart Johann Schranz und Walter Mertes.
„Die Wildschweine haben hier immer gewütet“, erzählt Zucchet, der in den 1990er-Jahren auch Bürgermeister in Valwig ist: „Wir haben uns eine Straßenwalze gekauft und fünf Lastzüge mit Mutterboden-Bims-Gemisch auf den Platz gefahren, um die Löcher wegzubekommen.“ Doch auch ein Maschendrahtzaun hält die Wildschweine nicht davon ab, den Valwigerberg zu stürmen. 2006 wird mit finanzieller Hilfe der Gemeinde ein massiver Zaun für 12.000 Euro gebaut. Das Umfeld auf dem Valwigerberg wird immer besser, obwohl es nie ein Sportheim mit Kabinen gibt. Deshalb baut die direkt am Platz wohnende Familie Berns Duschen in ihre Garage, die schon vorher als Umkleide genutzt wird. „Das war ein ganz feiner Zug von Familie Berns“, bedanken sich Zucchet und Zenz noch heute. So können die Mannschaften am FZM-Sportfest immerhin duschen.
... und hier das Team mit den fast gleichen Protagonisten, das Wochen später im Juni 1966 gegen die Spvgg Cochem das Eröffnungsspiel auf dem Rasenplatz auf dem Valwigerberg bestritt.
Und auf dem Valwigerberg ist ab 1978 immer etwas los. Die Zahl der teilnehmenden Freizeitmannschaften steigt schnell, in den 80er-Jahren hat das Turnier hohes Niveau, auch aus Holland und Belgien kommen Teams. „Etliche Cracks haben hier mitgespielt, hier wollte jeder gewinnen, unser Turnier wurde das Wimbledon der FZM-Turniere genannt“, erinnern sich Zenz und Zucchet: „Mit der Zeit wurde es dann zum Spaßturnier, so wie es auch sein sollte.“ Samstags Spaß beim FZM-Turnier (Zenz: „Der Zapfhahn ist durchgelaufen“), sonntags ist ab Ende der 90er-Jahre richtig „Programm“ angesagt.
Auch die Europameisterin Martina Müller (rechts, 101 Länderspiele),war 2001 auf dem FZM-Sportfest mit dem SC Bad Neuenahr zu Gast.
Spitzenmannschaften aus der Region zeigen ihr Können alljährlich – Verbandsligisten wie der TSV Emmelshausen, Landesligisten wie die ehemalige Spvgg Klotten und 2001 auch Frauen-Bundesligist SC Bad Neuenahr mit Europameisterin Martina Müller geben sich kurz vor dem Saisonstart die Ehre bei der FZM Schinkendorf auf dem Valwigerberg. Warum eigentlich FZM Schinkendorf? „Das hat mit dem direkt benachbarten Landgasthof Kaster zu tun, das für seine Schinkenbrote bekannt gewesen ist“, antworten Zenz und Zucchet. Ihr Sportfest ist rund drei Jahrzehnte Ende Juli der Anlaufpunkt für Fußballer aus Nah und Fern. 2012 ist dann alles vorbei.
64 Mitglieder zählt die FZM noch, man trifft sich zu Wanderungen, Familienausflügen oder Fahrradtouren. Auch der SV Valwig hat sportlich nichts mehr zu bieten, die Mitglieder müssen seit Jahren keine Beiträge bezahlen. „Es ist von früher von den Weinfesten noch Geld da“, sagt SV-Chef Schneemann. Deshalb unterstützt der Sportverein viele Aktionen, aber mehr kann und will er nicht mehr leisten. „Es ist alles Geschichte hier“, sagen Schneemann, Zenz und Zucchet „oben“ auf dem Valwigerberg: „Der Fußball, der Sportplatz, das FZM-Turnier.“ Aber die drei Dinge haben den Valwigern genug Geschichten geliefert. „Ich könnte den ganzen Tag von früher erzählen“, lacht die treue Anhängerin Gundi Fiedermann: „Erinnerungen, die ich nie vergessen werde.“