Rückblick: Der Fußballverband Rheinland (FVR) kündigte vor einigen Monaten an, den Jugendfußball neu strukturieren zu wollen. Der Plan: Ab der Saison 2024/25 sollen ab der Rheinlandliga keine Jugendspielgemeinschaften (JSG) mehr antreten dürfen. „Durch JSGs sollen Vereine zusammengeführt werden, die alleine keine Jugendmannschaft stellen können“, erklärt Peter Lipkowski, Vorsitzender des Jugendausschusses des Fußballverbandes Rheinland, die Hintergründe. Der Fokus einer JSG liege dabei weniger auf leistungsorientiertem Fußball, sondern eher im Angebot für die Allgemeinheit. „Die Grundidee einer Jugendspielgemeinschaft ist es, Kindern und Jugendlichen, das Fußball spielen zu ermöglichen.“
Der FVR sah in dem Konstrukt JSG jedoch die Gefahr, dass Vereine Kooperationen eingehen könnten, um leistungsstärker zu werden und entsprechende Tabellenplatzierungen zu erreichen. „Starke Spieler werden gefördert, schwache Spieler fallen aufgrund fehlender Zweit- oder Drittmannschaften hinten runter“, sagt Lipkowsi. „Das wollen wir natürlich vermeiden.“ Aus diesem Grund spielte der Verband mit dem Gedanken, ab der Rheinlandliga keine JSGs mehr zuzulassen. „Dann müssten Vereine zum Beispiel als Jugendförderverein (JFV) antreten.“ Doch nun rudert der FVR mit seinen Überlegungen zurück: „Aufgrund der Folgen für die Vereine haben wir uns schließlich gegen die Pläne entschieden und belassen es bei der bisherigen JSG-Regelung“, betont Lipkowski.
Vereine blieben nur zwei Optionen
Welche Folgen eine solche Umstrukturierung für Vereine bedeutet hätte, weiß Torsten Breitenbach, Vorstandsmitglied der Wiedbachtaler Sportfreunde in Neitersen, nur zu gut. „Mit einer Neuregelung wären dir nur zwei Optionen geblieben. Entweder die Gründung eines Jugendfördervereins oder der Verzicht auf eine Teilnahme in der Rheinlandliga“, sagt Breitenbach.
Für die Neiterser, die gemeinsam mit Weyerbusch und Altenkirchen eine Jugendspielgemeinschaft bilden und deren B- und C-Jugend in der Rheinlandliga spielen, wäre ein Verzicht ein schwerer Schlag für die Jugendarbeit gewesen. „Deswegen konnten wir das gar nicht glauben, dass der Fußballverband so etwas vorhat“, zeigte sich Breitenbach damals regelrecht geschockt, als der FVR mit den Plänen um die Ecke kam.
Gründung eines Jugendfördervereins stellt Klubs vor Herausforderungen
Auch die Gründung eines JFV ist alles andere als leicht, wie Philipp Barth, Jugendleiter der JSG Mittelrhein, ein Zusammenschluss des SC Bendorf-Sayn und des FV Engers, die aktuell in der Rheinlandliga der B-Junioren vertreten ist, weiß: „Seit der Ankündigung des FVR haben wir uns intensiv mit der Option JFV beschäftigt.“ Die Schaffung eines Jugendfördervereins sei jedoch mit großem bürokratischem Aufwand verbunden. „Es muss ein komplett neuer Verein samt Vorstand und Satzung gegründet werden.“ In Zeiten von mangelnden Ehrenamtlern eine große Herausforderung. Darüber hinaus hätten alle Pässe der Jugendspieler, die bis dato auf den SC Bendorf-Sayn oder den FV Engers liefen, auf den JFV umgeschrieben werden müssen.
Im Falle der JSG Mittelrhein wäre ein JFV die einzige Möglichkeit gewesen. „Andernfalls hätten wir die Kooperation mit Engers auflösen müssen und alleine in der Rheinlandliga antreten können. Dann allerdings deutlich geschwächt.“ Barth sah durch eine mögliche Neuregelung zudem eine große Gefahr. „Spieler, die bei uns nicht mehr höherklassig spielen können, hätten den Verein womöglich verlassen.“ Somit wären höherklassige Klubs unter Umständen bestärkt, kleine Vereine geschwächt worden. Umso erleichterter sind Torsten Breitenbach und Philipp Barth, dass die aktuelle JSG-Regelung bestehen bleibt: „Das ist sehr positiv und eine gute Nachricht für betroffene Vereine.“
Neue JSG-Regelung bei anderen Fußballverbänden gang und gäbe
In anderen Fußballverbänden Deutschlands, zum Beispiel bei unseren Nachbarn Hessen, sind die nun verworfenen Pläne des FVR dagegen bereits gang und gäbe. „Bei uns dürfen ab der Hessenliga keine JSGs mehr antreten“, erklärt Carsten Well, Vorsitzender des Verbandsjugendausschusses des Hessischen Fußballverbands (HFV). Seit zehn Jahren bestehe die Regelung des HFV. „Bei der Einführung damals gab es nur wenig Gegenwehr und wir haben bisher gute Erfahrungen gemacht“, sagt Well.
Er weise jedoch darauf hin, dass der Fußball in Hessen anders geprägt sei wie im Rheinland. „In Ballungszentren wie Frankfurt, Fulda oder Kassel kommen Vereine problemlos ohne Jugendspielgemeinschaften aus. Auf dem Land ist das schon deutlich schwieriger.“ Letzteres trifft auch auf den Fußball in Rheinland-Pfalz zu. „In einem sehr ländlich geprägten Fußballverband wie bei uns im Rheinland gestaltet es sich für die meisten Vereine sehr schwierig, eigenständig Jugendmannschaften zu stellen“, weiß Lipkowski. Zudem habe sich diese Vereinsform über Jahrzehnte etabliert und sei über die Jahre gewachsen. „Das wollen wir natürlich ungern aufreißen.“
All diese Gründe haben den Fußballverband Rheinland schließlich dazu bewogen, von einer Neuregelung abzusehen. Zudem habe ein offenes Gespräch mit betroffenen Rheinlandligisten über die Idee des FVR ein deutliches Stimmungsbild gebracht. „60 Prozent der betroffenen Vereine sprachen sich gegen die Pläne aus“, berichtet Lipkowski.
Unterschied zwischen JSG und JFV
Eine Jugendspielgemeinschaft (JSG) ist ein Zusammenschluss von zwei oder mehreren Vereinen, die alleine keinen Spielbetrieb ermöglichen können. Bei einer JSG liegt der Fokus auf einem Fußballangebot für die breite Masse. Ein Jugendförderverein (JFV) ist ein eigenständiger Verein mit Vorstand und Satzung, der die Ausbildung junger Talente in der Nähe gewährleisten soll. Im Gegensatz zur JSG liegt der Fokus des JFV auf dem Leistungsbereich. fab