Erinnerung an Günter Hübinger
Mit Ecken und Kanten, aber immer für die Sache
Auch zehn Jahre nach seinem Ausscheiden als Vorsitzender des Kreises Westerwald/Wied war Günter Hübinger für den Fußball im Einsatz. Vor allem die Vereine waren dem Niederelberter wichtig, sie für das Geleistete auszuzeichnen, war ihm bis zuletzt ein großes Anliegen.
René Weiss

Den Kreis Westerwald/Wied hat er über Jahrzehnte geprägt und dabei den Verantwortlichen beim Verband in Koblenz selbstbewusst die Stirn geboten. Mit Ecken und Kanten, aber stets für die Sache. Der Fußball trauert um Günter Hübinger.

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Ziemlich genau zehn Jahre ist es her, als Günter Hübinger zu sich nach Niederelbert einlädt. Einen Tag vor dem Kreistag in Niedererbach, an dem er die Geschicke für „seinen“ Fußballkreis Westerwald/Wied in die Hände seines Nachfolger Mike Leibauer legen wird, zieht der Vorsitzende nach 21 Jahren im Amt Bilanz. „Im Chaos gekommen, in Harmonie verabschiedet“, wird später eine Zeile in unserer Zeitung lauten, die aus dem Besuch auf der Terrasse folgt. Launige Gespräche wie dieses zwischen Funktionär und Redakteur wird es nicht mehr geben. Im Alter von 84 Jahren ist Günter Hübinger gestorben.

„Bruch“ ist mehr als ein Spitzname

„Einen wie ihn gibt es nicht mehr“, sagt einige Tage nach Hübingers Tod dessen Nachfolger. Mike Leibauer hat das Amt im Jahr 2015 übernommen, passgenau in die Fußstapfen seines Vorgängers zu treten, war dabei nie sein Ansatz. An der Nachahmung des Niederelberters wäre nicht nur er gescheitert. Denn „Bruch“, wie man ihn nannte, war mehr als ein Spitzname – Ecken und Kanten zeichneten Hübinger aus. Wenn er etwas sagte, konnten die Worte sitzen, doch wenn er etwas versprach, war darauf Verlass.

Eigentlich sei er froh, dass die Zeit jetzt zu Ende ist, meint Hübinger am Tag vor seiner Amtsübergabe im Juni 2015. „Es war insgesamt eine schöne Zeit, in der es aber auch manchen Ärger gab“, bilanziert er damals und kündigt an: „Ich freue mich, einen Nachfolger gefunden zu haben, den ich auch gerne noch unterstütze.“ Wohl wissend, dass es an der Zeit sei, kürzerzutreten, wie er damals meint, hält er sich in den folgenden Jahren an sein Versprechen und ist weiter da, wenn er gebraucht wird.

Vertrauen der Vereine steht an erster Stelle

Als Realist, der er sein Leben lang gewesen ist, erkennt Hübinger zum Ende seiner Amtszeit im lange als schwierig verschrienen Kreis Westerwald/Wied, dass ihm die „Geschwindigkeit, mit der Neuerungen kommen und umgesetzt werden sollen“, zu hoch ist. „Dazu bin ich nicht mehr bereit“, stellt er klar. Mit der Einführung des Internets seien die Vereine zur Nummer geworden, bemängelt er. Jene Vereine, für die ein Kreisvorsitzender immer da zu sein habe – und deren Vertrauen ihm von den ersten Tagen an ein enorm hohes Gut sein soll.

Am Ende seiner Amtszeit ist für Hübinger „eigentlich nichts mehr mit dem zu vergleichen, wie es mal war“, so seine Bestandsaufnahme im Juni 2015. Der reine Fußball, wie er ihn seit Kindheitstagen kenne, sei doch fast zur Nebensache geworden, meint er und begründet seine Einschätzung so: „Es kommen immer neue Aspekte dazu, für die man immer neue Leute braucht – die man aber kaum noch findet. Der Arbeitsaufwand ist um ein Vielfaches gestiegen. Das ist schwer zu leisten“, erkennt er damals.

„Ein Kreis meldet sich zurück“

Er will nicht vom Gegenteil überzeugt werden, sondern trägt einfach seinen Teil bei, um der geliebten Sache weiter zu dienen. Rückzug ist für den aktiven Ehrenamtler, der in mehr als drei Jahrzehnten als Vorsitzender auch seinen Heimatverein SV Blau-Weiß Niederelbert geprägt hat, keine Option. „Es gibt kein Amt, das er nicht übernommen hat, wenn sich kein anderer fand“, bringt Hübingers Nachfolger Leibauer dessen Wirken im Fußball auf den Punkt.

Als Günter Hübinger am Tag vor der Amtsübergabe als Westerwald/Wied-Vorsitzender auf seiner Terrasse in Niederelbert zurückblickt, erzählt er von Schulden in Höhe von 10.000 D-Mark, die der Kreis beim Verband hatte. Jeder habe abgerechnet, wie er lustig war, berichtet er von „Riesenärger um fast gar nichts“ bei nahezu wöchentlichen Sitzungen des Kreisvorstands. „Mir war klar: Wir mussten das Vertrauen der Vereine zurückgewinnen, denn die hatten unter dem Theater gelitten“, erzählt er und verweist auf eine Botschaft, die ihn an diesem Tag, also auch 21 Jahre später, mit Stolz erfüllt. „Ein Kreis meldet sich zurück“, habe er nach einiger Zeit im Verbandsorgan „Fußball im Rheinland“ geschrieben.

Anekdoten auf der Terrasse

Das dem so ist, spüren als Präsidenten erst Theo Zwanziger und dann Walter Desch, dem Günter Hübinger entschlossen die Stirn bietet, wenn es um das Wohl „seines“ Kreises geht. „Ich wollte ihn schon mal verklagen“, erzählt er damals auf seiner Terrasse. „Aber dann hat man mir gesagt, dass ich das nicht kann. Das habe ich als Demokrat akzeptiert und es gelassen.“ Einen Tag, nachdem Hübinger diese Anekdote erzählt, stehen beide beim Kreistag in Niedererbach nebeneinander. Desch überreicht dem aus dem Amt scheidenden Kreisvorsitzenden die Dankurkunde mit Plakette. Im Chaos gekommen, in Harmonie verabschiedet – und dazwischen viel bewirkt: Einer wie Günter Hübinger wird dem Fußball fehlen.

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