Schiri bei DFB-Pokalendspiel
Kempkes geht gelassen ins große Finale
Stets auf Trab – ob als Referee oder als Schiedsrichter-Assistent: Benedikt Kempkes.
Marco Bader/Imago. IMAGO/HMB-Media

Es wird der Höhepunkt seiner Karriere: Benedikt Kempkes wird am Samstag beim DFB-Pokalfinale in Berlin als Schiedsrichter-Assistent im Einsatz sein. Hier spricht er über seine Gefühle und die Vorbereitung

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Es wird feierlich in den nächsten Wochen und Monaten bei Benedikt Kempkes. Was auch daran liegt, dass der in Nienburg an der Weser geborene und im Rheinland aufgewachsene 39-Jährige beruflich polyvalent unterwegs ist. Unter der Woche als Zahnarzt in der Praxis Weichert und Kempkes in Lahnstein, an den Wochenenden in den Fußball-Stadien dieser Republik. Nicht nur als Dentist, auch als Schiedsrichter hat es Kempkes weit gebracht.

Vergleichsweise früh hat er dabei für sich erkannt, dass es ihn zu einem zufriedeneren Menschen macht, wenn er über das Einhalten der Regeln wachen, wenn er das Spiel leiten kann anstatt es zu spielen. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Weil er schnell gemerkt hat, dass der große Jugendtraum Profifußballer auf ewig ein Traum bleiben würde, beschloss Kempkes bereits im Alter von 16 Jahren, dass seine Talente woanders liegen müssen. Der frühen Erkenntnis folgte die schnelle Entscheidung, es fortan als Schiedsrichter zu versuchen. Eine gute Wahl. Es folgte ein rasanter Aufstieg. Die Entscheidung aus dem Jahr 2001 und ihre positiven Folgen, sie wurden zu einem festen Bestandteil der Vita von Benedikt Kempkes.

Motto: Keine halben Sachen

Noch mehr aber sagt dieser eher ungewöhnliche Richtungswechsel etwas über das Wesen, den Charakter eines Mannes aus, dessen Lebensmotto auch lauten könnte: Keine halben Sachen! „Das war schon immer so. Wenn ich etwas gemacht habe, dann richtig“, sagt Kempkes, der ab diesem Alter, in dem andere in der B-Jugend kicken, tatsächlich Karriere als Regelhüter machte und im nächsten Jahr auf 25 Jahre Schiedsrichterwesen zurückblicken kann.

Vorher, im August dieses Jahres, wird Kempkes im Kreis von Familie und Freunden seinen 40. Geburtstag feiern. Doch ob Schiri-Jubiläum oder runder Geburtstag – das größte Geschenk hat dem Wahl-Thürer der Deutsche Fußball-Bund (DFB) gemacht, als er in der vergangenen Woche Schiedsrichter Christian Dingert die Leitung des DFB-Pokalfinales am 24. Mai zwischen dem VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld übertrug – mit Benedikt Kempkes als Schiedsrichterassistent an der Seitenlinie. Klar, bis zum Erreichen der Altersgrenze, hier ist ein Alter von 47 Jahren der Orientierungswert, sind es noch ein paar Spielzeiten hin. Gleichwohl ist es für Kempkes „der Höhepunkt meiner Karriere“, wenn er am Samstag in Berlin maßgeblicher Teil eines großen Fußballfestes sein darf.

Natürlich hatte Kempkes das Pokalfinale schon länger auf dem Schirm. „Christian Dingert gehört zu den renommiertesten, erfahrensten Unparteiischen in der Bundesliga. Irgendwann musste die Wahl also mal auf ihn und damit auch auf mich fallen. Aber als es jetzt so weit war, war die Freude natürlich riesig“, sagt Kempkes. Im Rahmen dieses Fußballfestes feiert das Schiedsrichtergespann in Berlin nach getaner Arbeit sein eigenes kleines Fest. Kempkes hat dazu die Familie und Freunde eingeladen. Sein Partner in der Zahnarztpraxis, den er seit Studententagen kennt, und auch der Praxis-Manager sind dabei. Die Finalkarten für alle hat Kempkes organisiert und gekauft, die Hotels sind gebucht, die Plätze in einem Berliner Restaurant für die „After-Pokal-Party“ sind reserviert.

Schiri-Dasein als Charakterschulung

Auch in dem Punkt kennt der Rheinländer keine halben Sachen. Aus gutem Grund. „Das ist für mich eine gute Gelegenheit, all jenen ,Danke’ zu sagen, die es mir in den vergangenen Jahren möglich gemacht haben, dass ich Familie, Beruf und Schiedsrichterdasein unter einen Hut bringen konnte“, freut sich Kempkes darüber, etwas zurückgeben zu können. Das macht ihn zufrieden.

Und Zufriedenheit ist für ihn ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Marker in seinem Leben. Die fast 25 Jahre als Schiedsrichter sieht der 39-Jährige dabei als eine Form der Charakterschulung. Kempkes ist ein leidenschaftlicher Anhänger klarer Strukturen. Ob in der Praxis oder auf dem Fußballplatz, „überall gibt es bestimmte Abläufe. Es gibt Regeln, die eingehalten werden und Aufgaben, die gemeinsam mit anderen gemeistert werden müssen. Funktioniert das und sind wir im Team dabei erfolgreich, gibt mir das ein gutes Gefühl.“

Kempkes ist gut damit gefahren, nicht etwa überehrgeizig und verbissen, sondern mit einer gewissen Lockerheit, einer ihm eigenen lässigen Souveränität die Aufgaben anzugehen – und zu dieser inneren Zufriedenheit zu gelangen. „Egal, was passiert, wir müssen alle gemeinsam dadurch“, hält er fest. Im Gespann mit Dingert und Assistent Nikolai Kimmeyer ist Kempkes das beruhigende, deeskalierende Moment, wenn die Situation auf dem Rasen droht, hektisch oder unübersichtlich zu werden. Kempkes entspannt, beruhigt die Gemüter via Headset, über das Dingert und seine Assistenten verbunden sind.

Aufregung trotz Routine

Im Laufe der Jahre, nach mehr als 100 Spielen in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga als Schiedsrichter und Schiedsrichterassistent, hat sich bei Kempkes eine gewisse Routine eingestellt. Und doch gibt es immer diese Spiele, bei denen „der Puls etwas hochgeht“, wie er es ausdrückt. Das wird gewiss auch in Berlin der Fall sein. Die Kulisse, Familie und Freunde auf der Tribüne, ein Millionenpublikum vor den Fernsehern – das muss ausgeblendet werden. Dann gilt es, nicht zu verkrampfen, sondern „abgeklärt und gelassen“ an die Sache heranzugehen.

Ob Kempkes die Stimmung im ausverkauften Berliner Olympiastadion tatsächlich registrieren und bewusst miterleben wird, darüber ist er sich im Vorfeld nicht so recht im Klaren. „Ich werde wahrscheinlich so im Tunnel sein, dass ich die Außenwelt kaum wahrnehme. Vielleicht kommt das erst später. Aber so oder so: Ein deutsches Pokalfinale, ein volles Stadion, eine tolle, friedliche Atmosphäre: Das dürfte ein einmaliges Erlebnis werden“, blickt Kempkes erwartungsfroh auf den kommenden Samstag.

Und ganz besonders freut er sich auf den Moment, wenn das Schiedsrichtergespann gemeinsam mit den Mannschaften den Rasen betritt, wenn die Fan-Seele voller Erwartung kocht und der Lärm ohrenbetäubend wird. Dann wird sein „Chef“ Christian Dingert dem Team sagen, was er bei außergewöhnlichen Spielen in solchen Augenblick stets zu sagen pflegt, bevor dann der Ball rollt: „Männer, jetzt einmal genießen!“

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