Ehemaligentreff in Betzdorf
Von Aufstiegen, einer Trainer-Ära und dem einen Rivalen
Rund 80 Spieler und Trainer aus vergangenen Tagen fanden den Weg auf den Betzdorfer Bühl, um in Erinnerungen zu schwelgen.
Andreas Hüsch

Rund 80 ehemalige Spieler und Trainer der SG 06 Betzdorf trafen sich abermals auf dem Bühl, um an frühere Zeiten zurückzudenken. Auch eines der letzten Statistikgeheimnisse des Fußballverbandes konnte gelüftet werden. Von der Hauptperson persönlich.

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Geburtstagsfeiern gehören zu den beliebtesten Anlässen, um sich einmal wieder zusammen zu finden. Egal ob privat oder auch auf Vereinsebene. So einen Geburtstag feiert bald auch die SG 06 Betzdorf. Seit fast 120 Jahren, davon allein fünfzehn in der Oberliga Südwest, gehören die Grün-Weißen zu den erfolgreichsten Fußballklubs im nördlichen Verbandsgebiet.

Von alledem erzählten sich die Gäste des Ehemaligentreffens der SG, welches Manfred Schermoly und Uli Weber, selbst Aktive in dieser Zeit, mittlerweile zum vierten Mal organisierten. 1998 versammelten sie erstmals die alten Mitstreiter zum Treffen am altehrwürdigen Betzdorfer Sportgelände. „Was 1998 aus Eigeninitiative entstanden ist, wird mittlerweile von Vereinsseite ganz toll mit organisiert“, freute sich Schermoly auch dieses Mal über die große Hilfe aus dem Verein, aber auch aus den Reihen des SG-Vorstandes.

80 Spieler und Trainer vergangener Tage

Rund 80 Spieler und Trainer aus verschiedenen Epochen waren bei hochsommerlichen Temperaturen der Einladung gefolgt und feierten bei kühlem Pils mit vielen Anekdoten ihr Wiedersehen im Betzdorfer Stadion „Auf dem Bühl“. Gut 100 Ehemalige hatten ihre Anreise angekündigt: „Die hohen Plusgrade haben sicherlich noch alte Mitspieler abgehalten, heute hier anzureisen. In dem Alter ist manches eben beschwerlicher als vor 50 Jahren“, weiß Schermoly auch, dass gesundheitliche Bedenken dazu geführt haben, doch noch abzusagen. Die „Alten“ vor Ort freuten sich auf jeden Fall über das Wiedersehen und nutzten die Gelegenheit, um alte Geschichten Revue passieren zu lassen und auch eines der letzten Statistikgeheimnisse des FV Rheinland teilweise zu lüften.

Viele Erinnerung wurden bei den Besuchern wach, während die Betzdorfer Ehemaligen die Fotos aus vergangenen Zeiten durchforsteten (von links): Manfred Schermoly, Lothar Muhl, Udo Esser und Hermann-Josef Wahner.
Tom Hardt

In der Saison 1966/67 standen am Ende der Punktrunde drei Teams (SSV Bad Hönningen, SV Langenhahn und eben Betzdorf) punktgleich in der Tabelle und kämpften gegen den letzten Abstiegsplatz. Nach der ersten Runde zwischen den Klubs waren alle drei Vereine punktgleich (das Torverhältnis wurde nicht herangezogen). So musste eine zweite Runde ausgespielt werden. Nach dieser zweiten Runde waren nun alle Teams sogar tor- und punktgleich. Also folgte Runde drei. Hier setzten sich dann Betzdorf und Hönningen durch. Es entschied am Ende ein Tor. „Ein Freistoß“, strahlt noch heute Manfred Hönnecke über sein Kabinettstückchen von vor fast 60 Jahren. „Ich gehörte als A-Jugendspieler des ältesten Jahrganges bereits mit zum Kader. Dies war schon etwas Besonderes, da ein- und auswechseln möglich war, dies änderte sich erst zu Saison 1967/68. In Montabaur gelang mir das Tor des Tages und wir hatten uns somit in der dramatischen Runde den Ligaerhalt gesichert.“

„In Montabaur gelang mir das Tor des Tages und wir hatten uns somit in der dramatischen Runde den Ligaerhalt gesichert.“
Manfred Hönnecke gehörte in der Saison 1967/68 als A-Jugendlicher zur ersten Mannschaft der SG 06 Betzdorf.

Viel zu erzählen hatte auch Günter Borr, Wegbereiter des Betzdorfer Aufschwungs in den achtziger Jahren. Borr entspringt einer Westerwälder Fußballerfamilie. „Bereits als Schüler habe ich mir als Platzwart in Mudersbach ein paar Mark dazu verdient“, erinnert sich der Erfolgscoach über seine Anfänge. Den Fußballvirus hatte er von Vater Willi geerbt. Dieser feierte mit Germania Mudersbach als Spieler 1952 die Rheinlandmeisterschaft. Sohn Günter hatte auch auf dem Platz einiges von dem Talent des Vaters mitbekommen und stand beim VfB Wissen viele Jahre als Abwehrrecke (264 Spiele) auf dem Platz. Meistertitel im Seniorenbereich feierte er aber erst als Trainer in Betzdorf.

Wegbereiter des Betzdorfer Aufschwungs in den achtziger Jahren: Günter Borr (links) gab einen ausführlichen Einblick in seine erfolgreiche Trainerära.
Andreas Hüsch

Meistertrainer Borr unterstütze einst Otto Rehagel 

Diese Erfahrung nutzte später unter anderem auch Otto Rehhagel während der Europameisterschaft 2008. Hier unterstützte der damals in Erndtebrück engagierte Trainer in der Sommerpause, Hubert Neu – seinen Spezi aus Lauterer Zeiten – beim Scouting für Otto Rehhagel während der EM 2008. „Diese Anekdote sollte normal nie öffentlich werden“, so der Erfolgstrainer zum Einstieg seiner Erzählungen. „Ich hatte zuvor für Mainz und den FCK gescoutet. Angefangen hat alles beim FSV. Ich hatte deren Trainer Wolfgang Frank beim gemeinsamen Trainerlehrgang in Köln kennengelernt. Für ihn war ich oft unterwegs. Und so entstand der Kontakt zum FCK beziehungsweise Hubert Neu, der ja in Lautern bei Rehhagel als Co-Trainer fungierte. Bei der Euro erhielt ich dann die Anfrage von Neu, ob ich ihn beim Spiel Schweden gegen Spanien unterstützen würde, was ich natürlich gerne annahm. Rehhagel selbst habe ich aber nie kennengelernt“, schmunzelt Borr im Rückblick.

Begonnen hatte die Trainerlaufbahn von Borr aber bei der SG 06 Betzdorf. Und dies nicht gerade erfolgreich. Gleich in einer Debütspielzeit mussten die Grün-Weißen – zum zweiten Mal nach dem Krieg – den bitteren Gang in die A-Klasse antreten. Ein Unfall wie sich herausstellen sollte. Denn als Borr nach zweieinhalb Jahren den Verein erstmals verließ, stand Betzdorf nach zwei Meisterschaften in Folge bereits in der Landesliga. Danach stagnierte der Aufschwung kurzzeitig, um nach seiner Rückkehr aus Hamm, 18 Monate später, sich weiter fortzusetzen.

Erinnerungen an die Aufstiegsrunden

Der Landesligameisterschaft 1989 folgte der Oberligaaufstieg 1994. Somit hat Günter Borr in seinen Jahren bei der SG 06 Betzdorf ein Drittel aller Aufstiege mitgeprägt. „Im ersten Jahr in der Oberliga legten wir einen tollen Saisonstart hin. Zum Auftakt besiegten wir Wirges durch zwei Treffer von Oliver Daggenius mit 2:0 und waren sogar, gemeinsam mit den Sportfreunden Eisbachtal, sofort Tabellenführer. Die Mannschaft spielte eine überragende Hinrunde. Erst als wir in unserem letzten Heimspiel vor der Winterpause bei Schneegestöber mit 0:1 verloren, haben wir ein wenig den Anschluss zur Tabellenspitze verloren“.

Ob der Trainer hier seinem Spieler von früher noch taktische Anweisungen gibt? Achim Zils (links) stieg 1985 unter Trainer Günter Borr (rechts) von der A-Klasse in die Bezirksliga auf.
Tom Hardt

Dies miterlebt hat auch Jürgen Ermert, der rund zwanzig Jahre als Betreuer den jeweiligen Trainern zu Seite stand. „Tolle Jahre waren das mit vier Aufstiegen“, wie er eindrucksvoll betont. Immer wieder präsent vor allem die Aufstiegsrunden. „1994 schafften wir es als Tabellendritter der Rheinlandliga in die Relegation. Diese war, durch die neu geschaffene Regionalliga notwendig geworden. In Kisselbach besiegten wir Viktoria Herxheim mit 1:0 und traten damit eine richtige Euphoriewelle in Betzdorf los“, schwärmt er auch heute noch von diesen erfolgreichen Jahren.

Unvergessene Duelle mit Sportfreunden Herdorf

So eine Euphoriewelle erlebte der Verein auch ein Vierteljahrhundert zuvor, als die SG im April 1971 auf die Bezirksligameisterschaft zusteuerte. „Bis zum vorletzten Spieltag hatten wir uns mit den Sportfreunden Herdorf ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Meisterschaft geliefert. Am vorletzten Spieltag mussten wir noch nach Herdorf reisen. Vor fast 5000 Zuschauern gewannen wir mit 2:1 und versemmelten den Herdorfern ihre bereits vorbereitete Meisterfeier. Eine Woche später besiegten wir Asbach mit 4:0 und hatten somit selbst die Bezirksmeisterschaft eingefahren“, weiß Lothar Muhl zu berichten. „Spiele gegen Herdorf gehörten sowieso immer, neben Spielen gegen Wissen oder Daaden, zu den Saisonhöhepunkten. Selbst in unserer schwersten Spielzeit 1975/76, als wir sang- und klanglos in die A-Klasse absteigen mussten, holten wir unseren einzigen Sieg der Saison in Herdorf“, ergänzt Hermann-Josef Wagner, langjähriger Vorsitzender der SG 06 Betzdorf.

So verstrich die Zeit für die Anwesenden wie im Flug. Es wurde noch viel geplauscht und vor allem in den mitgebrachten Fotoalben, in denen Bilder auch aus den Anfangsjahren zu finden sind, geblättert. Am Ende freuten sich alle, ihre alten Weggefährten von vor über 50 Jahren wieder getroffen zu haben. Diese Wiedersehensfreude merkte man bei Erzählungen der Teilnehmer an, wenn sie ihre Anekdoten hervorbrachten. Aus Zeiten, in denen Geld nicht das Thema waren. Es gab vielmehr „nur“ den Fußball als Hauptthema.

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