Eigentlich ging es dem TuS-Vorstand und den 100 anwesenden Mitgliedern im Lahnsteiner Wyndham Garden-Hotel wie meistens in erster Linie ums Geld. Gelhard und seine Mitstreiter verwiesen erneut voller Dankbarkeit auf die Großzügigkeit ihres ehemaligen Vorstandskollegen und Hauptgläubigers der TuS, Frank Linnig. Der hatte vor wenigen Tagen auf einen Großteil des ihm zustehenden Geldes verzichtet; von zwei Darlehen über 795.000 und 245.000 Euro will er nur knapp 30 Prozent, 280.000 Euro, zurückhaben, und das auch nicht zeitnah (die RZ berichtete). Linnig war nicht bei der Versammlung und hörte deshalb auch den herzlichen Beifall nicht, den ihm die Mitglieder spendeten.
Gelhard verwies indes erneut darauf, dass der Verein mit Linnigs Schuldenverzicht längst nicht aller Sorgen ledig ist: „Wir haben deshalb nicht einen Cent mehr auf dem Konto“, sagte der TuS-Präsident, „im Gegenteil: Unser Konto ist leer.“
Dirk Feldhausen, der „Finanzminister“ der TuS, belegte diese Aussage mit Zahlen. Die TuS schloss das Geschäftsjahr 2016/2017 zum 30. Juni mit einem Fehlbetrag von 273.000 Euro ab und reduzierte in der Folge die Personalkosten für Mannschaft, Trainerteam und weitere Angestellte um rund 15 Prozent oder 186.000 Euro auf 1,02 Millionen Euro. Trotzdem musste sich Gelhard bei einigen entschuldigen, die „ihr Geld nicht pünktlich bekamen“. Die Lage bleibt prekär; „wenn sich die Situation nicht ändert, werden wir Konsequenzen ziehen müssen“, sagte Feldhausen. Denn neben den Linnig-Schulden hat die TuS weitere Verbindlichkeiten im sechsstelligen Euro-Bereich, die kurzfristig zu bedienen sind: „Das müssen wir zahlen, sonst geht's nicht weiter“, orakelte Feldhausen.
Diesmal scheint es also wirklich ernst zu sein: Wenn sich die viel umworbenen potenziellen Sponsoren der TuS nach der Einigung mit Linnig weiterhin mit finanzieller Unterstützung zurückhalten, dann droht tatsächlich das Ende des Profifußballs beim Traditionsverein. „Die Region muss nun zeigen, ob sie Fußball will, wie wir ihn betreiben, oder nicht“, brachte Gelhard die Misere auf den Punkt. Mit dem Linnigschen Schuldenverzicht sei vom Verein „ein deutliches Signal“ ausgegangen, hoffte der Präsident. Allerdings haben die guten Nachrichten von der Schuldenfront bisher keine spürbaren Reaktionen gezeitigt: „Noch ist keiner mit einem Koffer voll Geld aufgetaucht“, sagte Vorstandsmitglied Hannes van Heesch.
Als Vorbild für potenzielle Gönner nannte Dirk Feldhausen den Trikotsponsor Möbel-Billi sowie die Bitburger Brauerei, die beide ihr Engagement bereits für die kommende Saison verlängert haben: „Beide machen das nicht als Hobby“, stellte Feldhausen klar, „die Unternehmen wollen und sehen einen Mehrwert für ihr Investment.“
Pit Arndt, dessen Sohn Jordi zwar zum Kader der Regionalligamannschaft gehört, bisher aber kaum Einsätze verzeichnen konnte, stellte in der anschließenden Diskussion provokante Fragen: Solle man nicht, um Geld zu sparen, die Jugendabteilung abschaffen? „Wir setzen ja eh nur auf fremde Spieler und bilden unsere für andere Vereine aus“, fasste Arndt seine Eindrücke zusammen. Der Widerspruch kam prompt mit dem Hinweis auf die „gesellschaftliche Verantwortung“ des Klubs. Feldhausen stellte zudem klar: „Wir haben manche talentierten Spieler, die den Aufwand für die Regionalliga scheuen und nicht unter Profibedingungen trainieren wollen.“ Trainer Petrik Sander verlangt von seinen Schützlingen nun mal, mehrmals am Tag zu trainieren, das passt nicht in den Lebensplan vieler junger Menschen. „Das ist eine Grundsatzentscheidung“, sagte Feldhausen. „Wollen wir uns das weiter leisten, unter Profibedingungen zu spielen?“
An der Jugendabteilung, soviel steht fest, wird also nicht gerüttelt. Nach fünfmonatiger Vakanz ist nun auch die Vorstandsposition für die Nachwuchsarbeit wieder besetzt. Der Koblenzer Gastronom Remo Rashica, dessen Sohn für die TuS-Jugend kickt, war auf Anfrage schnell bereit, das Amt zu übernehmen, das vor ihm der jetzige TuS-Präsident Arnd Gelhard innehatte. „Ich bin einer, der mit Herzblut an die Sache rangeht“, versprach Rashica – und bediente damit beste TuS-Tradition.
Von unserem Redakteur Stefan Kieffer