Zehn Jahre ist es her, dass das Theater Koblenz das Puppentheater als vierte Sparte – nach Oper, Tanz und Schauspiel – in sein Angebot aufgenommen hat. Mit aufgebaut hatte die Sparte der junge Puppenspieler Stephan Siegfried, der nach einem Wechsel ans Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen zur Leitung der dortigen Puppentheatersparte seit vergangener Spielzeit wieder in Koblenz engagiert ist – diesmal als Spartenleiter. Und er ist auch zu erleben in den beiden letzten Produktionen dieser Spielzeit, die aufgrund der Sanierung des Großen Hauses des Koblenzer Theaters in verschiedenen Spielorten in der Stadt gezeigt werden.
Da ist einmal die musikalische Puppentheaterkomödie „Wölfchenverschwörung – Ein Grimminalgericht“, die im Justizzentrum neben dem Großen Haus Premiere feierte und gleich an allen geplanten Terminen ausverkauft war. Wegen des großen Erfolges sind zwei Vorstellungen im Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein für den 7. und 10. Juli angesetzt.

Sozusagen in der Titelrolle führt Stephan Siegfried, der das Stück geschrieben hat, seine dienstälteste Puppe: Wölfchen, jenen harmlosen und grundsympathischen Verwandten aller bösen Märchenwölfe. Doch er muss vor Gericht: Gleich zehn Morde werden ihm zur Last gelegt: Zwei kleine Schweinchen, sechs Geißlein sowie eine Großmutter samt Enkelin soll er zu Tode gebracht haben – all das streitet er ab.
In der temporeichen Inszenierung von Nora Otte wird die Untersuchung vom ungleichen Polizistenpaar Hahn und Kater geführt. Sie haben die Anzeigen der Hinterbliebenen auf- und Wölfchen gefangen genommen, und sie begleiten auch die Gerichtsverhandlung durch den Schafrichter (genau, ein Schaf mit Perücke und Robe), der ungewöhnlich voreingenommen gegen Wölfchen wirkt. Erzählt wird immer wieder in der Rückblende, was die Handlung ebenso spannend strukturiert und auflockert wie die zahlreichen herzigen Liedeinlagen, in denen sich das sehr spielstarke Ensemble (Stephan Siegfried mit Sophia Walther, Tanja Linnekogel, Hendrika de Kramer, Robert Richter, Tizian Steffen, Dietmar Bertram und Katharina Koenig) auch sängerisch profilieren kann.

Gespielt werden – abgesehen vom kleinen Wölfchen – Torsopuppen, die im Kostüm mit den Menschenkörpern der Spielerinnen und Spieler verbunden sind (Bühne, Kostüme und Puppenbau: Christof von Büren): Das ermöglicht raumgreifendes Spiel und ist schon für sich ein Erlebnis.
Viel intimer, aber nicht minder durchschlagskräftig ist Stephan Siegfrieds Soloabend „Godow und Somorrha“, der auf der Bühne der Schauspielschule Koblenz im Stadtteil Ehrenbreitstein gezeigt wird. Als Nachfolger des Erfolgsabends „Warten in Godow“ über eine Ostseeinsel, die auf die Zuweisung von Geflüchteten wartet und darüber liebenswerte Marotten der Insulaner ebenso abarbeitet wie zentrale Themen der Menschlichkeit und Solidarität, ist „Godow und Somorrha“ vor Jahren als Reaktion auf die Corona-Zeit entstanden.

Und war der erste Teil des „Gedöns vonne Insel“ schon ein Bravourstück für einen versierten Puppenspieler, so legt dieser zweite Abend in der Regie von Richard Koppermann (Bühne und Kostüme: Jörg Jansing, Puppenbau: Stephan Siegfried und Nicole Schulze) noch eine Schippe drauf. Gleich 13 verschiedene Handpuppen spielt Stephan Siegfried diesmal in dem kleinen Bühnen-„Fernseher“ in einem bewundernswerten Parforceritt, lässt die Szenen mit Dutzenden Requisiten noch schneller hin- und herwechseln zwischen Dorfkneipe, Krankenhaus, Strand und Inselkirche.

Die Themen sind mit Klimakrise und drohendem Untergang der Insel, den Beschwernissen des Lockdowns und allerhand Zwischenmenschlichem breiter gestreut als in Teil eins und verlieren sich gegen Ende des zweistündigen Abends auch ein bisschen ins Ungefähre. Trotzdem bleiben mehr als genug Cliffhanger übrig, aus denen heraus in der kommenden Spielzeit ein dritter Teil entstehen soll. Sein Titel: „Godowdämmerung“. Man darf gespannt sein.
Termine und Tickets für beide Stücke online unter www.theater-koblenz.de