Manchmal lässt sich eine Erfolgsgeschichte im Rückblick aus wenigen Worten herauslesen, wird in einem einzelnen Satz sichtbar, den, wie Frank Hoffbauer vermutet, viele treue Begleiter der Kunsttage Winningen „inzwischen auswendig kennen dürften“: Oft wurde er schon zitiert, verfasst hatte ihn nach der Erstauflage des Festivals 2008 ein Besucher, der sich im Gästebuch sehr angetan zeigte vom damals noch brandneuen Format und seine Hoffnung darüber ausdrückte, dass weitere Kunsttage folgen mögen.
Ein Wunsch, der wahr wurde, wie man heute weiß. Schließlich geht das im Zweijahresrhythmus aufgelegte Festival 2026 bereits in seine neunte Ausgabe. Und während es in den Anfängen noch schwierig gewesen sei, Kreative für die Kunsttage zu gewinnen, resümiert Hoffbauer als deren Vorsitzender, „werden wir mittlerweile von ehemaligen Teilnehmern empfohlen, weisen Galeristen auf unser Angebot hin, und die Vormerkliste für die übernächsten Kunsttage ist heute schon lang“.

Bevor die 2028 über die Bühne gehen, steht im kommenden Jahr jedoch zunächst noch Festival Nummer neun an. Und eben hierfür wurden in dem idyllischen Moselort nun bereits die teilnehmenden Künstler vorgestellt. Elf an der Zahl, die „auf gewohnt hohem Niveau an die bisherigen Veranstaltungen anknüpfen werden“, wie Hoffbauer verspricht – und damit, das legt der erste Eindruck der komprimierten Künstlerporträts nahe, wohl nicht enttäuschen dürfte:
Aufweisen werden die kommenden Kunsttage dabei auch eine stark religiös-naturbezogene Note – für die unter anderem Clare Celeste sorgt: Nachdem Teresa Diehl die Evangelische Kirche in Winningen im vergangenen Jahr noch mit einer eindrucksvollen, wenngleich bedrückenden Installation zum Thema Flucht bespielt hatte, wird sich Celeste dort nun sehr farbenfroh der Vielfalt (und Bewahrung) der Schöpfung widmen. Wobei die Installation der in Berlin lebenden US-Amerikanerin geprägt sein soll von Pflanzen und Tieren aus der Region, darunter auch solche, die akut vom Aussterben bedroht sind.

Während die menschliche Gefahr für die Natur bei Celeste also bereits anklingt, ist sie für Harald Gnade das zentrale Thema seines Schaffens. In seinen Gemälden abstrahiert der ebenfalls in Berlin wohnhafte Maler Landschaften, greift einzelne Aspekte heraus, zeigt Schönes und Zerstörtes nebeneinander. Moose, Schwämme und Gräser scheinen in den biomorphen Strukturen erkennbar; als potenzieller Urheber der Naturvernichtung wird durch die Spiegelung hochglänzender Lacke zuweilen auch der Betrachter selbst in jene Bilder integriert, die bei den Kunsttagen 2026 nun im Weingut Richter gezeigt werden sollen.
Mit der Natur – konkret: der Schönheit der Schöpfung – befasst sich als Dritter schließlich auch Steffen Diemer. Der ehemalige Kriegsfotograf aus Landau präsentiert im Kelterhaus der Gutsschänke Schaaf „wundervoll stille, oft meditativ wirkende Arbeiten“, so Hoffbauer, auf denen etwa Muscheln, Samenkapseln oder Blütenstände zu sehen sind. Das Besondere dabei: Diemer fotografiert besagte Motive im Nassplatten-Kollodium-Verfahren, das heute nur noch von wenigen beherrscht wird, und trägt die Bilder in der Folge auf Glasplatten auf.
Mit massiven Holzblöcken hingegen arbeitet der italienische Bildhauer Egon Digon, der dem Werkstoff mit feiner Technik die Schwere nimmt, ihn in eine „fließende Masse transformiert, die wie verwundener Schaumstoff oder zusammengeschnürte Stoffkissen anmutet“, umschreibt es Hoffbauer. Wobei die im Kubus des Weinguts Heymann-Löwenstein gezeigten Arbeiten stets auch versuchen, die Einengung der persönlichen Freiheit durch gesellschaftliche Konventionen symbolisch aufzubrechen.

Gleich nebenan, im Hof des Weinguts sollen im kommenden Jahr derweil auch die Werke von Wolfgang Flad zu sehen sein. Die aus Styrodur bestehenden Wandarbeiten der Reihe „Dark Side of the Moon“ zum Beispiel, die der Berliner Künstler mittels Aceton oder Lösungsmittel in Kraterlandschaften verwandelt. Oder auch seine biomorphen Skulpturen, die laut Hoffbauer „keine eindeutige Schauseite haben“ und den Betrachter auf diese Weise dazu anregen, „im Umschreiten der Arbeit und genährt durch persönliche Erfahrungen seine eigenen Perspektiven zu entdecken“.
Sehr konkret erscheinen im Kontrast hierzu wiederum die aus Feinbeton geformten, meist farbig gefassten Menschenfiguren Gabriele Köblers. Frieda Kahlo steht hier neben einer lebensgroßen Schwimmerin, eine Astronautin präsentiert stolz ihre volle Weltraummontur. In einer Runde, die starr ist und doch lebendig wirkt, die „mal an mumifizierte Pharaonen erinnert, mal an Menschen wie du und ich“, so Hoffbauers Eindruck von jenen Arbeiten, die die in Haßloch lebende Bildhauerin bei den Kunsttagen im und rund um das Haus der Eheleute Mischke-Riedrich aufstellt.

Eine ganz ähnliche Analogie wie bei den Naturthemen ist schließlich auch zwischen Susanne Immer und Faxe Müller erkennbar. Beide nämlich verstehen es meisterhaft, aus harten, von Grund auf unnachgiebigen Materialien filigrane Formen zu entwickeln. Bei der aus Reutlingen anreisenden Immer sind es Metallbänder, die sie erhitzt, um ihnen fließende Formen voller Verschlingungen und Verknotungen abzuringen – daneben zeigt die Künstlerin im Evangelischen Gemeindezentrum allerdings auch tänzelnde Aluminiumplastiken und Papierarbeiten. Faxe Müller indes zieht Cortenstahl zu langen linearen Gebilden, verdreht und verschweißt sie zu Skulpturen, „die bei aller Monumentalität elegant und voller Dynamik erscheinen“, wie Hoffbauer findet.
Womit zum Abschluss noch ein Trio bliebe, das ebenfalls teils verknüpfte, aber doch sehr individuelle Ansätze verfolgt: Zum einen die Italienerin Valeria Patrizi, die Rohbaumwolle mit einer Mischung aus Bologneser Kreide und natürlichen Klebstoffen bearbeitet, hier und da auch Seife oder Honig verwendet, um auf der so bereiteten Leinwand mit Kaffee, Farbe oder Tusche bevorzugt Frauenfiguren aufzubringen. Eindringliche Werke, die Wandteppichen ähneln und während der Kunsttage im Winninger Rathaus präsentiert werden.

Um Menschen geht es daneben zwar grundsätzlich auch Reinhard Voss – ihn jedoch interessiert mehr der Aspekt der Vielfalt, wie er kommendes Jahr auch in der Vinothek des Winninger Spitals demonstrieren wird. Dort nämlich zeigt der in Wissen (Kreis Altenkirchen) wirkende Bildhauer höchst nuancenreiche Gesichter, die er aus Hölzern zusammenfügt und mit Tusche oder Acrylfarbe bemalt. Wohingegen sich Kristina Weiss künstlerisch vor allem von der Musik inspirieren lässt, die Klänge farblich übersetz in ihren Gemälden, daneben aber auch eine Werkauswahl aus ihrer Serie „rough“ präsentiert: oft an Blumen erinnernde Motive, die die Berlinerin auf Buchbinderkarton aufträgt, innerhalb eines hölzernen Rahmens montiert und sie in der Kombination aus alledem scheinbar schwerelos schweben lässt. Ein illusionistischer Anblick, der während der Kunsttage 2026 im Weingut Knebel zu erhaschen ist.
Weitere Infos zu Künstlern und Kunsttagen gibt es auch online unter www.kunsttage-winningen.de