Wenn Lehrer scherzen, bleibt das Lachen oft aus – es sei denn, sie heißen Herr Schröder. Johannes Schröder, einst Deutsch- und Englischlehrer, ist heute als Comedian auf den Bühnen des Landes unterwegs. Unter dem Künstlernamen Herr Schröder verarbeitet er seine Erfahrungen aus dem Schulalltag humorvoll und pointiert. In seinem aktuellen Programm „Der Rest ist Hausaufgabe“ gewährt er augenzwinkernde Einblicke in den Klassenzimmerkosmos – mit analytischem Blick, trockenem Humor und einem Overheadprojektor als Requisite. Am 11. Oktober kommt Schröder nach Koblenz. Im Interview mit unserer Zeitung spricht der 50-Jährige vorab über das Bildungssystem, schulische Absurditäten und das Innenleben des Lehrerzimmers.
Herr Schröder, welcher Typ Lehrer waren Sie?
Ich war ein ganz klassischer Lehrer – sowohl äußerlich als auch innerlich. Ein Deutschlehrer der Herzen. Ein Deutsch- und Englischlehrer, wie man ihn sich vorstellt: mit braunem Cord-Sakko und taubenkotgrauer Hose.
Was war für Sie das Komischste am Schulalltag: die Schüler, das Lehrerzimmer oder der Lehrplan?
Es ist dieses ständige Klagen im Lehrerzimmer, die Stimmung und Atmosphäre dort. „Die in der 9a können das nicht, und wie soll das denn werden?“ Das hat mich wahnsinnig runtergezogen. Leider schauen wir zu sehr auf die Fehler. Wir betrachten immer nur, was andere nicht können. Es ist eine lange Liste von Defiziten und leider viel zu wenig „Wow, das habt ihr richtig toll hinbekommen!“
Wie kamen Sie auf die Idee, Ihren Lehrerberuf zur Grundlage Ihres Comedyprogramms zu machen?
Es war ein schleichender Prozess. Irgendwann sagten meine Schüler zu mir: „Herr Schröder, bitte keine schlechten Witze mehr, wir würden gern etwas lernen.“ Da dachte ich mir: „Jetzt könnte ich mein eigenes Bühnenprogramm starten.“ Hinzu kam, dass ich auch Leiter der Theater-AG war. Ich habe die Kinder gern auf die Bühne gebracht und sie motiviert, ihrer inneren Stimme zu folgen. Eines Tages meinte eine Kollegin dann zu mir: „Schrödi, du bist doch selbst eine Rampensau – dann mach es doch.“ Schließlich nahm ich ein Sabbatjahr – mit dem heimlichen Wunsch und Plan, Stand-up-Comedy auszuprobieren. Das war vor zehn Jahren, und ich habe es damals niemandem erzählt.
„Es ist auch mal schön, stille Momente auszuhalten. Man muss nicht immer einen Gag nach dem anderen raushauen.“
Johannes Schröder
Von da an war Schluss mit dem Lehrersein …
Ich bin dann direkt nach meiner Verabschiedung als Lehrer nach Kanada gereist. Dort habe ich in kleinen Comedyclubs das Gefühl für mich entdeckt, Gags zu schreiben, auf der Bühne zu stehen und mit Ängsten und Aufregung umzugehen. Jeden Abend wieder auf der Bühne zu sein – selbst wenn der Saal schwierig war und die Witze noch nicht gut –, das war das härteste Training.
Wie fühlen Sie heute, wenn Sie auf der Bühne stehen?
Gut. Ich habe auch Ängste. Es ist immer wieder die Frage: Gelingt die Kontaktaufnahme mit dem Publikum? Man will nicht einfach nur hingehen und labern – die Bühne ist eine kommunikative Situation. Man möchte das Publikum mit der eigenen Geschichte in den Bann ziehen. Ich bin auf der Bühne auch oft gescheitert. Diese Aufregung ist immer da – und das ist auch etwas Schönes. Dadurch fühlt es sich besonders an, und es ist der Respekt vor dem Publikum.
Sie hatten Angst, als Sie Ihre Comedykarriere gestartet haben?
Ja. Das ist eine Urangst auf der Bühne – die habe ich immer wieder. Es ist die Angst, den Erwartungen nicht gerecht zu werden und dass die Kommunikation mit dem Publikum nicht funktioniert. Die Angst vor der Stille und davor,bloßgestellt zu sein. Vor einer Menschenmenge zu sprechen, bekommt man nur teilweise in den Griff.
Sie sagen, Sie seien auch mal gescheitert. Inwiefern?
Ich hatte schon einige Auftritte, bei denen ich gemerkt habe, dass ich über die Leute hinweg rede. Ich bügle da einfach drüber. Dabei ist es auch mal schön, stille Momente auszuhalten. Man muss nicht immer einen Gag nach dem anderen raushauen.
Ich vermisse die ehrliche Spontaneität im Umgang mit Schülern. Dieses Leuchten in ihren Augen fehlt mir.
Johannes Schröder
War von vornherein klar, dass Sie den Lehrerberuf als Grundlage für Ihr Programm nutzen würden?
Nein, das war so nicht geplant. Aber nach meinem Sabbatjahr in Kanada kam ich zurück und dachte: „Das war jetzt alles lustig, ich habe meine Gags über den Deutschen an sich gemacht, aber die größere Herausforderung ist es doch, Comedy direkt vor der eigenen Haustür zu machen.“ Und dieses zwölfjährige Lehrerdasein war das, was mich am meisten beschäftigt hat: Hefte schleppen, Elternabende, Klassenfahrten und zu Hause hinter den Korrekturstapeln sitzen. Die Schüler zu erreichen und ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, schwächere Schüler zu motivieren – das sind großartige Themen, die eigentlich gar keine Comedy sind.
Wie groß war Ihre Sorge, nicht mehr in den Lehrerberuf zurückkehren zu können, wenn das mit der Comedy schiefgegangen wäre?
Ich habe mich zunächst für sechs Jahre beurlauben lassen – immer ein Jahr mehr, das ist in Baden-Württemberg möglich. Und jedes Mal, wenn ich einen schlechten Auftritt hatte, dachte ich abends: „Gott sei Dank bin ich noch verbeamtet.“ Seit vier Jahren bin ich nun ganz raus, und wenn ich heute zurückblicke, habe ich das Gefühl: Mit etwas Klarheit und Mut hätte ich schon früher sagen können, dass das mein neuer Weg ist. Ich bin also sechs Jahre lang zweigleisig gefahren. Irgendwann war es schon mein neues Leben, und ich habe es gar nicht bemerkt.
Was hätten Sie selbst denn gemacht, wenn Sie einen Lehrer wie Herr Schröder gehabt hätten?
Gute Frage. Manchmal ist es schön, einen Lehrer zu haben, der einen wirklich anschaut. Das Beste, was ich in meinen zwölf Jahren als Lehrer konnte, war, die Schüler so anzusehen, wie sie sind – sie zu motivieren, ihnen dieAngst zu nehmen und ein wenig dafür zu sorgen, dass sie an sich glauben.
Was vermissen Sie aus Ihrer Zeit als Lehrer?
Ich vermisse die ehrliche Spontaneität im Umgang mit Schülern. Dieses Leuchten in ihren Augen fehlt mir. Auch das gemeinsame Lachen mit ihnen. Nichts ist stärker als ein kindlicher Geist, der Feuer gefangen hat. Der Spaß, den man haben kann und der einen selbst ansteckt – das vermisse ich schon manchmal. Man kann mit Schülern viel machen, und sie freuen sich, wenn man mal vom Unterrichtsalltag abweicht.
Eine Schulstunde zum Thema KI vorzubereiten, ist wie Kochen mit dem Thermomix.
Johannes Schröder
In Ihrem Programm üben Sie auch Bildungs- und Gesellschaftskritik: Ist das Humor mit Bildungsauftrag?
Ich glaube schon. Die Leute zum Lachen zu bringen, ist schön. Lachen ist eine gute Energie. Und wenn man dann noch zeigen kann, wie das Schulsystem gerade aussieht, dass man im Lehrerzimmer viel zu defizitorientiert ist, und was passiert, wenn wir Grundschüler schon benoten und ihnen damit Druck aussetzen, dann ist das gut.
Wie denken Sie, wenn Sie Kinder sehen, die den ganzen Tag in ihre Handys starren?
Ich sehe das durchaus mit einer stärkeren Sorge. Ich erlebe die Kinder ja im Alltag, und wir verlieren sie so an diese Social-Media-Welt. Deshalb sind KI und soziale Netzwerke ein riesiges Thema. Was haben Jugendliche dem entgegenzusetzen? Was macht ihnen Freude? Analoge, echte Erlebnisse sozialer Art sind wichtig. Eine App ist dagegen völlig unwichtig.
Haben Sie Angst, dass Ihnen der Schulstoff für Ihre Gags ausgeht – oder liefert das Bildungssystem verlässlich Nachschub?
Ja, diese Angst treibt mich um, und ich muss immer wieder schauen, was mich bewegt. Sonst funktioniert es nicht. Ich muss wirklich Lust darauf haben. Ich suche mir Themen, die mit Menschen zu tun haben. Zum Beispiel habe ich gerade eine längere Nummer zum Thema Pubertät. Pubertät sieht nach außen hin nicht besonders schön aus, ist aber für die Entwicklung von Jugendlichen essenziell wichtig. Eltern können ihrem Kind keinen größeren Gefallen tun, als ihm eine gründliche Pubertät zuzugestehen. Geht mir der Stoff aus? Ich bin nicht mehr jeden Tag im Klassenzimmer, aber Themen wie Pubertät oder KI werden immer relevant bleiben. Eine Schulstunde zum Thema KI vorzubereiten, ist wie Kochen mit dem Thermomix.
Gibt es auch Lehrer, die sich darüber aufregen, was Sie da jetzt machen?
Ja, die gibt es. Man muss nur manche Bewertungen im Internet durchlesen. Einige regen sich darüber auf, warum ich bestimmte Themen noch nicht angesprochen habe. Es gibt viele Themen im Schulkontext, die ich noch zu wenig behandelt habe, wie etwa Migration oder Integration.
Was dürfen wir in Ihrem aktuellen Programm „Der Rest ist Hausaufgabe“ erwarten – neue Schulstreiche oder doch eine Exkursion ins Erwachsenenleben?
Es geht in dem aktuellen Programm zwar auch um die Schulstreiche und Pauker von früher. Aber vor allem um das, was jetzt im Klassenzimmer übrig bleibt, wenn die Künstliche Intelligenz uns das Denken abnimmt. Denn das ist unser aller Hausaufgabe.
Karten für den Auftritt von Herr Schröder am Samstag, 11. Oktober, um 20 Uhr in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle gibt es online unter www.eventim.de