Der Begriff Schum ist eine Zusammenziehung der hebräischen Anfangsbuchstaben der historischen Stadtbezeichnungen Spira, Warmaiza, Magenza für Speyer, Worms und Mainz. Er steht für den schon im Mittelalter entstandenen Verbund der drei jüdischen Gemeinden. Die Gründungszeit der örtlichen Glaubensgemeinschaften lässt sich für Mainz auf die Mitte des 10. Jahrhunderts datieren, für Worms um das Jahr 1000, für Speyer spätesten auf 1084. Damit gehören diese drei Rheinstädte zu den ältesten jüdischen Gemeinden in Europa.
Wechselvolle Zeiten
Nicht zuletzt die bauliche Hinterlassenschaft teils inmitten der Städte bezeugt die frühe Präsenz des Judentums und seine Einbindung in die mittelalterliche Stadtkultur des für das Heilige Römische Reich so gewichtigen Zentralraumes der drei Städte am Strom. Ohne gebildete und international vernetzte Juden wären sie vor 1000 Jahren kaum große Handelszentren geworden. Nicht umsonst haben Wormser Juden früh Stadtbürgerrechte erhalten, haben christliche Herrschaften auch wiederholt versucht, in den jeweiligen Nachbarstädten Juden abzuwerben.
Es gab lange Phasen, während derer zwischen Christen und Juden ein gedeihliches Neben- oder Miteinander herrschte. Allerdings immer wieder unterbrochen durch antijüdische Übergriffe bis hin zu entsetzlichen Pogromen. Die Blütezeit der Schum-Gemeinden endete denn auch mit den großen Pestpogromen 1349. Es folgten wechselvolle Zeiten: Aus Speyer und Mainz waren Juden etwa im 15./16. Jahrhundert zeitweise völlig vertrieben.
Aus den Forschungen über die Schum-Stätten ergibt sich zugleich deren außerordentliche Bedeutung als quasi Wiege des ashkenasischen, des mittel- und osteuropäischen Judentums. Die Synagogen, Ritualbäder (Mikwen), Gemeindebauten und Friedhöfe in den drei Städten wurden den nachherigen jüdischen Gemeinden auf dem ganzen Kontinent vielfach architektonisches Vorbild. Zugleich entwickelte sich der Schum-Verbund zu einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit mit beträchtlichem Einfluss auf das Judentum weltweit. Eine Lobrede des Rabbi Isaak Or Sarua aus dem 12. Jahrhundert unterstreicht dies: „Wie sehr gehören unserer Lehrer in Mainz, in Worms und Speyer zu den Gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten. Von dort geht die Lehre aus für ganz Israel.“ Das macht auch verständlich, warum noch heute jüdische Besucher aus aller Welt mit Ehrfurcht etwa in den Lehrsaal der Wormser Synagoge treten: Hier wie in den damaligen Lehrhäusern Mainz und Speyer hatten legendäre Gelehrte vom 10. bis ins 14. Jahrhundert Thora und Talmud studiert und kommentiert, darunter Schlomo ben Jizchak, genannt „Raschi“, oder Gershom ben Jehuda, die „Leuchte des Exils“.
Dies sind einige Hauptaspekte, die von der für den Unesco-Welterbeantrag zuständigen rheinland-pfälzischen Projektgruppe gesammelt, teils neu erforscht, beleuchtet und für die Antragsbegründung systematisiert wurden. Getragen wird die Initiative gemeinsam vom Land Rheinland-Pfalz, der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), der jüdischen Gemeinde Mainz, dem Verein Schum-Stätten sowie den Kommunen Speyer, Worms und Mainz.
Was erhalten geblieben ist
Die Hoffnung ist nun, dass der Antrag den strengen Kriterien der Unesco genügt. Da ist beispielsweise der Nachweis zu erbringen, dass die betreffenden Orte einen „universellen Wert“ haben, dass sie internationalen Rang besitzen und sowohl für gegenwärtige wie auch für künftige Generationen der Menschheit von hoher Bedeutung sind. Zudem muss eine weltweite Einmaligkeit vorliegen, müssen auch materielle Relikte, Bauten etwa, von Dauerhaftigkeit vorhanden sein. Auf der materiellen Seite bringen die drei Städte folgende Elemente in den Antrag ein: In Mainz sind von der baulichen Substanz der mittelalterlichen Schum-Zeit nur noch jene Grabmäler erhalten, die 1926 zum Denkmalfriedhof an der Mombacherstraße vereint wurden. Worms ist mit einem Bezirk vertreten, bestehend aus der 1961 auf mittelalterlichen Resten rekonstruierten Synagagoge, Rashid-Lehrsaal, Mikwe von 1185 sowie dem rund 1000 Grabmäler umfassenden und wohl ältesten jüdischen Friedhof Europas. In Speyer ist es das Judenhof-Ensemble mit den baulichen Originalresten der anno 1104 eingeweihten Synagoge mit großer Frauensynagoge sowie der fast vollständig erhaltenen Mikwe.
Das alles sind keine Riesenbauten, neben den gewaltigen christlichen Domen der drei Städte nehmen sie sich bescheiden aus. Und doch handelt es sich bei den Schum-Stätten um überragende Zeugnisse der europäisch-jüdischen Kultur – die schon vor mehr als 1000 Jahren integraler Bestandteil der hiesigen Kultur geworden ist.