Es grenzt an ein kleines Wunder, dass Farah Ossouli zur Eröffnung ihrer Ausstellung im Max Ernst Museum anwesend sein kann: Inmitten der jüngsten Kämpfe in der iranischen Hauptstadt Teheran ist sie auf Umwegen über Aserbaidschan nach Deutschland gereist. Der Andrang zur Pressekonferenz im Vorfeld zeigt: Auch hierzulande stößt die 1955 geborene Künstlerin auf Interesse, deren Werke in bedeutenden Museen und Sammlungen weltweit zu finden sind. Ossouli ist auch in der Region keine Unbekannte. Vor 20 Jahren stellte sie im Ludwig Museum Koblenz aus, gemeinsam mit ihrer in der Nähe lebenden und ebenfalls als Künstlerin wirkenden Schwester Firouzeh Görgen-Ossouli hat sie in Koblenz zweimal ein iranisches Frauenfilmfestival veranstaltet.
Nach Brühl verschlägt es Farah Ossouli durch die Direktorin des Max Ernst Museums: Madeleine Frey hatte vor fünf Jahren eines der Bilder der Teheraner Künstlerin kennengelernt, und sie erinnert sich an den typischen Aha-Effekt angesichts der Werke Ossoulis: „Beim ersten Blick denkt man vielleicht vor allem: Das ist ja sehr traditionell. Doch wenn man genau hinsieht, erkennt man viele Details, die ganz neue Welten eröffnen.“ Wie Ossouli die persische Kulturtechnik der Miniaturmalerei mit europäischer Kunstgeschichte verwebt, faszinierte die Museumsdirektorin – und über die sozialen Netzwerke kam ein intensiver Kontakt zustande, der in eine Einladung nach Brühl mündete.

Durch diesen Kontakt kam Farah Ossouli mit dem Collageroman „La semaine de bonté“ des Surrealisten Max Ernst von 1934 in Berührung. Aus viktorianischen Illustrationen zusammengestellt, verhandelt er drastisch Themen wie Gewalt und Macht, Sexualität und Begierde oder Religion und Mythos. Diese Collagen haben Farah Ossouli zu 15 Arbeiten inspiriert – in Brühl sind einige davon jetzt in direkter Korrespondenz mit den jeweiligen Ernst-Werken zu sehen.
Das schlägt produktive Funken, weil Ossouli zentral ebenso drastisch die Stellung der Frau ins Zentrum setzt. Naheliegend für eine Iranerin, sollte man meinen – aber damit greift man viel zu kurz. Denn der Künstlerin geht es um einen sehr breiten Blick auf die Weltgeschichte. Sicher: Wenn sie immer wieder das Haar der Frauen thematisiert, denkt man unweigerlich an den Streit um die Kleidervorschriften im heutigen Iran. Aber als starkes Symbol hat das Frauenhaar über Jahrtausende und Kulturen hinweg eine Rolle gespielt – und Einflüsse aus vielen dieser Stationen finden sich in den meisterlich gezeichneten Bildern, von Ossouli zusammengeführt zu einer großen Uneindeutigkeit, die doch mitten ins Herz der Sache zielt.

Jedem der Bilder sind Verse von Forough Farrokhzad (1934–1967) beigegeben. Die iranische Dichterin und Regisseurin wird bis heute als wichtige Stimme des Feminismus wahrgenommen, sie behandelte offen Themen wie Liebe, Körperlichkeit, Freiheit - und eben die Rolle der Frau. Ihre Worte gehen eine intensive Verbindung ein mit den feingezeichneten Bildern Ossoulis.
Besonders erschütternd gelingt so „Der Sündenfall“, in dem Ossouli ein Bild von Max Ernst aufgreift, auf dem ein Mann eine Frau aus dem Fenster zu stoßen scheint. Derselbe Moment ist bei ihr durch den Titel und ihre Ausführung mehrfach aufgeladen: Der Sündenfall kann auf religiöse Vorstellungen verweisen, die den Menschen wegen vermeintlicher Sünden aus einem Paradies verbannen. Auffällig ist aber auch, dass im Gegensatz zu anderen Darstellungen von Männern als Krieger oder im mythischen Heldengewand dieser Täter in historischer Alltagskleidung auftritt – ein Verweis auf Zivilmilizen aller unterdrückerischen Systeme. Der Körper der Frau wurde eben schon immer zur Kampfzone gemacht – und über allem steht eine traurige Gewissheit, ausgedrückt durch einen einzigen Satz von Forough Farrokhzad: „Der Erlöser schläft im Grab.“
Vom 27. Juni bis zum 5. Oktober, zur Vernissage am 26. Juni um 19 Uhr sowie zum Gespräch mit Buchvorstellung am 5. September um 17 Uhr ist die Künstlerin anwesend. Infos: www.maxernstmuseum.lvr.de