Zero-Mitbegründer Otto Piene war einer der Protagonisten der abstrakten Nachkriegskunst - Das Arp Museum widmet ihm eine Überblicksschau
Wenn das Licht malt
Otto Piene (1928–2014) schuf viele seiner abstrakten Werke durch das Entzünden brennbarer Flüssigkeiten auf Leinwand oder Papier. 63 seiner Werke aus allen Schaffensphasen sind jetzt bei einer großen Überblicksausstellung im Arp Museum Rolandseck versammelt.  Foto :Arp Museum Rolandseck/ Peter Müller
Peter Müller

Hinter Glas ein Werk, das aussieht, als habe es bei einem Wohnungsbrand nur schwer beschädigt gerettet werden können: rußverschmiert, die Leinwand angesengt, Farbe und Lack blasig, die Oberfläche vom Feuer aufgerissen. Doch ist, was da im Hauptsaal des Richard-Meier-Baus an der Wand hängt, nicht das Überbleibsel eines Unglücks. Vielmehr handelt es sich um eines der Feuerbilder, mit denen Otto Piene in den 1960ern das Ausdrucksspektrum der zeitgenössischen Kunst erweitert hat. Dem 2014 verstorbenen Künstler widmet das Arp Museum jetzt eine hochkarätige Ausstellung unter dem Titel „Otto Piene – Alchemist und Himmelsstürmer“.

Nach K. O. Götz, Bernhard Schultze, C. O. Paeffgen und Gotthard Graubner ist Piene der fünfte bedeutende, eng mit dem Rheinland verbundene Gegenwartskünstler, der hier mit einer eigenen Präsentation gewürdigt wird. Der 1928 im Laasphe (NRW) geborene Maler, Bildhauer, Keramiker, Installationskünstler war schon einmal im Künstlerbahnhof Remagen-Rolandseck zu Gast. Allerdings nicht mit einer Ausstellung, sondern in persona. Das war 1966 und der Anlass nicht eben der freudigste: Die von Piene und Heinz Mack ins Leben gerufene Künstlergruppe Zero, zu der nachher auch Günther Uecker stieß, trug sich da am Rhein mit einem großen Fest acht Jahre nach Gründung selbst zu Grabe.

Aus allen Schaffensphasen

Die jetzige Schau im Richard-Meier-Bau umfasst 63 Exponate aus allen Schaffensphasen Pienes bis kurz vor seinem Tod und sind überwiegend Leihgaben der More Sky Collection. Acht Werke allerdings stammen von Lucio Fontana (1899–1968), dem von Piene, Uecker und Mack verehrten Freund und Kunstrevolutionär. Von ihm bezogen die Zero-Mitglieder manche Entwicklungsanregung, wie Gegenüberstellungen im Arp Museum verdeutlichen. So hängt zwischen zwei der frühen Rasterbilder Pienes – „Geschichte des Lichts“ (1955) und dem berühmten silbrigen Zero-Urbild „Frequenz“ (1957) – ein „Conutto Spaziale“ Fontanas aus dem Jahr 1949. Die Arbeiten beider haben eine Gemeinsamkeit: Sie durchbrechen die zweidimensionale Oberfläche der Leinwand. Anders jedoch als Fontana, der den Untergrund von vorn oder hinten buchstäblich durchlöchert, quetscht Piene Farbe durch gezielt strukturierte Rastersiebe auf die Leinwand, schafft so zart in den Raum ragende Muster – die sich je nach Lichteinfall zu bewegen scheinen. Schon bei diesen Werken sind zwei von Pienes Vorlieben bemerkbar: die Kreisform sowie die Farben Gold und Silber. Letztere stehen für das Licht, mit dessen Wirkungen sich der Künstler zeitlebens auseinandersetzt bis hin zur Schaffung multimedialer Lichtchoreografien. Eine davon, der „Lichtraum Jena“ von 2007 ist im Seitenkabinett als begehbares Kunstwerk installiert.

Auch der Kreis als auf den Kosmos verweisende Kernform begleitet das gesamte Schaffen Pienes. Seine Rasterbilder zeichnen Kreise. Ausgangspunkt fast aller Feuerbilder ist ein Kreis. Den sprüht der Künstler mit schwarzem Lack auf Leinwand oder Papier, behandelt ihn mit brennbaren Fixativen. Dann entzündet er die Fläche, bewegt sie auf mannigfache Arten, bläst schließlich die Flammen aus. Derart entstehen auf schier alchemistischem Weg völlig unterschiedliche abstrakte Arbeiten. Denen gab Piene Titel, die sowohl zum sichtbaren Charakter der Ergebnisse passen als auch auf den Kosmos verweisen. Etwa „Komet“ oder auch „Die Geburt des Regenbogens“.

Konzentration auf die Elemente

Feuer, Erde, Luft: Korrespondierend zu seiner kosmologischen Betrachtungsweise beschäftigt sich Piene intensiv mit den Elementen. Erde – speziell Ton aus dem Westerwald – ist die Basis seiner keramischen Reliefs und Skulpturen. Zu sehen sind Tonplatten, in die mit Draht abstrakte Muster eingeschnitten wurden, daneben halb kugelige, schalen- oder sternförmige Skulpturen. Mal wurden die Stücke nach dem Brand gold- oder platinfarben bestrichen. Mal geschah das vorher, veränderten die Oberflächen dann während des Brennprozesses und Wasserentzugs ihr Aussehen auf oft ganz unerwartete Weise. Und sie verändern ihr Antlitz auch in der Schau – je nach Blickwinkel des Betrachters und Lichteinfall im zur Umgebung weithin offenen Meier-Bau.

Auf der rückwärtigen Freiterrasse wartet noch eine Überraschung: Der sieben mal sieben Meter große Nachbau des weißen „Inflatable Paris Star“ von 2008 als Beispiel für die großen, luftgefüllten Skulpturen aus Spinnakertuch, die Piene jeweils für diverse „Sky Events“ schuf. Was bei dieser Ausstellung ebenfalls nicht fehlen darf: Im Obergeschoss gibt es einen kleinen Dialog zwischen Piene-Werken und Arbeiten der Hauspatrone Hans Arp sowie Sophie Taeuber-Arp. Und siehe, die klassische Moderne der Arps und die Moderne Pienes weisen interessante Verbindungen auf – in deren Kreuzungspunkt der Kreis steht.

Andreas Pecht

Bis zum 5. Januar 2020, Infos unter www.arpmuseum.org