Auf der breiten Palette an Techniken und Formen, den hiermit aufgegriffenen Themen basiert derweil auch die Konzeption der Schau: „Die gezeigten Arbeiten sind so unterschiedlich“, sagt die Direktorin des Keramikmuseums, Nele van Wieringen, „dass wir uns dazu entschlossen haben, sie in fünf verschiedenen Themenbereichen zu präsentieren.“ Die Kategorien reichen dabei von „Keramik als Narrativ“ bis hin zu „Bauen“ – Irina Razumovskaya allerdings, die diesjährige Gewinnerin des Ersten Preises, ist im Bereich „Natur“ zu finden.
Aus offensichtlichen Gründen, schließlich wirkt ihre Arbeit „Bleed“ von außen wenig tönern, erscheint vielmehr wie ein in den Raum gepflanzter Birkenstamm. Die Jury habe bei ihrer Entscheidung vor allem die komplexe, vielschichtige Aufbereitung des Werks überzeugt, erklärt van Wieringen und ergänzt: „Razumovskaya nutzt für ihre Arbeit den gedrehten Zylinder, also die Grundform der Keramik, verziert diese aber mit verschiedensten Glasuren, sodass eine Art Rinde entsteht.“ Eine rissige Oberfläche, aus der hier und dort blutrote Farbe drängt, verborgener Schmerz, der als Symbol für die vom Menschen zerstörte Natur zu deuten wäre. Gleichwohl aber auch für das Leiden der russischstämmigen, in London lebenden Künstlerin selbst, als Ausdruck ihres komplizierten Verhältnisses zur eigenen Heimat.
Nicht weniger kunstvoll zeigt sich indes auch die mit dem Zweiten Preis bedachte Arbeit Nora Arrietas. Eine Skulptur, aus deren undefinierbarer, dunkler Masse allerlei Gegenstände hervorblitzen: Schuhe, Kuscheltiere, Handys, Kinderroller. Gedrängt im Überfluss, versammelt auf einer kunstvoll gearbeiteten „Toteninsel“, mit der Arrieta auf die nie abreißende Bilderflut in der heutigen Medienrealität anspielt – und damit ganz unverkennbar auch Kritik übt am Habitus der sozialen Netzwerke.
Während die digitale Überwältigung des Menschen hier also in eine detailreich-verspielte Form gerät, dominieren bei Bodil Manz vor allem die klaren Linien. Die dänische Keramikerin ist für ihre dünnen, transluzenten Porzellanzylinder bekannt, hat sich für den Westerwaldpreis jedoch mit 80 Jahren erstmals an den für die hiesige Region typischen Salzbrand gewagt – mit Erfolg. Für ihre massiven zylindrischen Steinzeuggefäße, versehen mit der charakteristischen bräunlich-glasierten Oberfläche, wurde sie mit dem Preis der Stadt Höhr-Grenzhausen ausgezeichnet. „Durch die grafischen Linien und Farbfelder“, urteilt van Wieringen, „tragen die Arbeiten zwar die klare Handschrift der Künstlerin, zugleich hat sie aber auch die Eigenschaften des Salzbrands ganz selbstverständlich genutzt.“
Unterschiedliche Stile und Merkmale, die schließlich auch Beate Gatschelhofer in ihrer mit dem Förderpreis prämierten Skulptur verbindet. Deren geschwungene Formen sind mit bandageartigen Aufklebern bedeckt, die glatten Einschnitte an den Rändern rosa und blau bemalt. „Gatschelhofer versteht sich als diverse Person“, erklärt van Wieringen mit Blick auf die oft männlich und weiblich konnotierten Farben. Die hier letztlich ebenso wandelbar auftreten wie die kaum definierbaren Formen der Skulptur selbst, die aus verschiedenen Blickwinkeln immer wieder andersartig erscheinen.
Wobei neben den preisgekrönten Arbeiten auch noch viel unprämiert Sehenswertes gezeigt wird: Keiyona C. Stumpfs prunkvoll glasierte Ornamentarbeiten etwa oder die wundersamen Gebilde Alice Fyles', für die sie den Schiefer im Ofen so lange brennt, bis dieser sich aufbläht – und ungekannte Konturen annimmt. Der „Altar der Gefäße“, wie van Wieringen ihn humorvoll nennt, präsentiert derweil klassische Keramikerzeugnisse in allen nur vorstellbaren Formen, während Justina Monceviciute die ganze Kunstfertigkeit des Handwerks in einer Ansammlung winziger Keramikperlen vereint, die sich – durch Fäden verbunden – in Ebenbilder zerknüllter Handtücher verwandeln.
“Das war's, Leute"
Was sich hier bereits andeutet, greift die Schau zum Abschluss auch noch einmal in einem separaten Themenbereich auf: die Möglichkeit, mithilfe der Keramik ganze Geschichten zu erzählen. Wie es etwa Frank Jimin Hopp tut mit seiner Miniaturfestung, aus deren eingerissenen Mauern rote Flammen schlagen. Der zeitgemäß-dystopische, gesellschaftskritische Titel der Arbeit liefert zugleich auch das Schlusswort zur Ausstellung: „That's all Folks“, „Das war's, Leute“.
Die Ausstellung wird am Freitag, 27. September, um 19 Uhr im Keramikmuseum eröffnet und ist dort in der Folge bis zum 15. Juni 2025 zu sehen. Am Samstag, 28. September, ist ab 10 Uhr zudem ein Symposium geplant. Weitere Infos gibt's auch hier.