Frankfurts Kommunikationsmuseum hat dem privaten und politischen Zwist eine eigene Schau gewidmet
Warum Streit oft bereichernd ist: Museum für Kommunikation in Frankfurt hat dem Zwist eine Schau gewidmet
Ausstellung STREIT. Eine Annäherung
Mit rund 150 Werken nähert sich die Schau dem Thema Streit, darunter Viktoria Sorochinskis „Silent Dialogues, Brague & Magnus“.
Viktoria Sorochinski/Museum für

Warum streiten wir eigentlich? Was passiert währenddessen in unserem Gehirn? Und wie unterscheidet sich das Phänomen in Kunst und Liebe, aber auch in Macht- und Geldangelegenheiten? Diesen und weiteren Fragen geht das Museum für Kommunikation in Frankfurt derzeit in einer eigenen Ausstellung nach - und kommt dabei zu dem Schluss, dass Streit gar nichts Schlechtes ist.

Ausstellung STREIT. Eine Annäherung
Mit rund 150 Werken nähert sich die Schau dem Thema Streit, darunter Viktoria Sorochinskis „Silent Dialogues, Brague & Magnus“.
Viktoria Sorochinski/Museum für

Über Gartenzwerge kann man nicht streiten, sie wirken harmlos. Über die schwarzen Exemplare Ottmar Hörls allerdings kann man das sehr wohl, denn der Künstler hat die sonst so braven Zwerge in naive Mitläufer verwandelt, die allesamt den rechten Arm zum Hitlergruß heben. Vermutlich dienen ihm die Nazizwerge als drastisches Symbol für Deutschlands dunkelste Jahre. Das mag sein. Aber große Kunst? Nein, definitiv nicht.

Diese Meinung wird manch anderen Kunstliebhaber empören, und er beginnt möglicherweise eine Diskussion über hässliche Kunst, die durchaus ihren Zweck erfüllt. Damit wären wir rasch mitten in einem Streit – und über Kunst, besonders über moderne Kunst, lässt sich bestens streiten. Das zeigen neben Hörls Giftzwergen auch andere Werke im Frankfurter Museum für Kommunikation, etwa von Emil Nolde, Joseph Beuys oder Martin Eder. Letzterer malt idyllische Bilder von Haustieren, die man gut und gern als schwülstig bezeichnen darf – aber viele Menschen mögen solche Klischees.

Streit zwischen Liebe und Geld

Eine kluge Idee, eine Ausstellung über das Thema Streiten gerade mit moderner Kunst zu beginnen – schließlich ist Kunst oft mit persönlicher Wahrnehmung verbunden. „So kann man gut ins Diskutieren kommen“, meint Kurator Florian Schütz. Er wählte zusammen mit seiner Kollegin Laura Schmidt rund 150 Bilder, Fotos, Medien oder andere Objekte aus und gliederte die Schau in die vier Themen „Kunst“, „Liebe“, „Macht“ und „Geld“.

Doch zuerst geht es um eine klare Begriffstrennung zwischen Streit, Debatte, Diskurs und Kontroverse – beim Streiten schwingen meist auch Emotionen mit. An einem Modell eines Gehirns wird deutlich, dass beim Streiten eine Hirnregion aktiv wird, in der auch Ärger, Wut, Angst, Verzweiflung, Frustration und Resignation angesiedelt sind. Ohnehin hat der Streitbegriff einen negativen Beigeschmack, was die Kuratoren stört. Sie verstehen ihn vielmehr positiv und in einem sehr weiten Sinn.

Streit. Eine Annäherung Ausstellungsansicht Das goldene Blatt MKF
Mit Blick auf Streit und gesellschaftliche Debatten wird in der Schau auch die Rolle der Medien beleuchtet. Hier zu sehen: Boulevardtitelseiten zum vermeintlichen Eheaus zwischen Prinz Charles und Camilla.
Stefanie Koesling. Stefanie Koesling/Museum für Kom

Denn Streit kann auch bereichernd sein und dabei helfen, das Gegenüber besser zu verstehen. „Streit hat etwas Befreiendes, danach ist oft die Luft geklärt“, sagt Florian Schütz. Doch bevor der Besucher zum nächsten Kapitel kommt, kann er sich für ein Streittier entscheiden, für Affe, Eule, Wolf, Fuchs oder Schildkröte. Die Tiere sollen ihm verraten, welcher Streittyp er ist – streitlustig, sanftmütig, selbstbewusst, listig oder zurückhaltend. Glücklicherweise geht es im Liebebereich nur nebenbei um klassische Streitthemen wie die ständig offene Zahnpastatube oder die vielen Haare im Waschbecken. Das Kapitel dreht sich zwar auch um die Paarbeziehung, aber mehr noch um die Bindungen zu Familie, Freunden und Nachbarn.

Der Schwerpunkt der Schau liegt jedoch auf dem Machtkapitel. Im ersten Teil geht es um Streit in Politik und Demokratie, von der ersten deutschen Nationalversammlung 1848 in der Frankfurter Paulskirche bis hin zu heutigen Demonstrationen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der oft unterschätzten Bedeutung der Medien. Sie können eine gesellschaftliche Debatte stark beeinflussen, entweder anheizen oder versachlichen. Das belegt die Künstlerin Anke Stiller an einer Wand mit stilisierten Schlagzeilen aus der „Bild“-Zeitung.

Provokation als Unternehmensmodell

Auf das eher amüsante Thema rund um die Liebe folgt also das ernstere Kapitel über Macht und Politik. Und relativ nüchtern geht es auch im letzten Kapitel über das liebe Geld zu. „Bei Geld hört die Freundschaft auf“, besagt ein populäres Sprichwort. Aber die Schau hält sich nicht lange bei privaten Dingen auf, sie stellt historische und neuere Arbeitskämpfe und Streiks vor, aber auch bewusste Provokationen. Mit Letzteren lässt sich schnell Geld verdienen, von der roten Baseballkappe für Trump-Anhänger bis zum „Querdenker“-Pulli.

Wer sich beim Rundgang etwas mehr Zeit lässt und die interaktiven Spiele mitmacht, nimmt viel für den eigenen Alltag mit. So lernt man, andere Meinungen und auch Streit auszuhalten. Immerhin lautet der Ausstellungstitel sehr bewusst „Streit. Eine Annäherung“. Wer sich um diese bemüht, sollte allgemeine Schuldzuweisungen übrigens tunlichst vermeiden. Sie sind Gift für jede Beziehung, ebenso das ständige Unterbrechen. Immer sein Gegenüber ausreden lassen – das ist die wichtigste Maxime, die der Besucher mitnimmt. Gilt übrigens im Alltag wie in der Politik.

Die Ausstellung läuft bis zum 25. August 2024, weitere Infos auch online