Ende des Monats tritt Rolando Villazón beim Rheingau Musik Festival in Wiesbaden auf - Mit uns hat der Startenor vorab gesprochen
Vor Auftritt beim Rheingau Musik Festival in Wiesbaden: Rolando Villazón im RZ-Gespräch
Tenor Rolando Villazon wird 50
„Es ist immer fantastisch, auf der Bühne zu stehen“, sagt Rolando Villazón über die – kaum übersehbare – Begeisterung für seinen Job. Foto: Tobias Hase/dpa
Tobias Hase. picture alliance/dpa

Als Tenor wird Rolando Villazón international gefeiert, gilt zudem als eine der schillerndsten Figuren der Klassikszene. In Luxemburg erhielt der Opernstar zuletzt den Europäischen Kulturpreis; ein nächstes großes Projekt wartet mit den Mozartwochen 2025 ebenfalls auf ihn. Zuvor jedoch macht Villazón am 25. Juli um 20 Uhr noch einen Abstecher ins Wiesbadener Kurhaus, um dort mit dem Harfenisten Xavier de Maistre beim Rheingau Musik Festival aufzutreten. Grund genug für ein Interview.

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Herr Villazón, herzlichen Glückwunsch zum Europäischen Kulturpreis. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Natürlich ist es schön, und ich bin sehr dankbar für diesen Preis. Ich versuche, mit meiner Kunst Licht zu den Menschen zu bringen. Und wenn darüber gesprochen wird, freut mich das. Als der große Schauspieler Robin Williams gestorben ist, habe ich mich gefragt, was der Oscar für ihn bedeutet hat. So ein Preis ist wunderbar, es ist eine schöne Erinnerung, aber es ist nur ein kleiner Punkt, um den Leuten zu zeigen, was wichtig ist. Wirklich wichtig sind Kunst, Oper, Musik und die unsterblichen Werke, die ich interpretiere.

Sie wollen Licht geben und Menschen glücklich machen. Ist das das Entscheidende für Sie?

Das ist nicht das Ziel, aber die angestrebte Konsequenz. Das Ziel von mir als Sänger ist, eine Beziehung herzustellen zu dem Werk, das ich interpretiere. Aber egal, ob als Sänger, Schriftsteller oder künstlerischer Leiter der Mozartwoche: Ich will eine Philosophie haben, eine Beziehung zu dem, was ich mache. Das hat nichts mit meinem Ego zu tun. Und natürlich muss ein Künstler ein Narzisst sein. Ich kann nicht auf die Bühne gehen und sagen: „Der Applaus ist mir nicht wichtig.“ Sonst kann ich auch zu Hause singen. Wenn du diese Beziehung zu dem Werk hast und ganz ernst bleibst mit deiner Arbeit, dann hoffst du, dass du mit dieser Wahrheit eine Brücke bauen kannst zu den Menschen. Es geht darum, tief in dich reinzugehen. Schlimm ist, wenn etwas oberflächlich bleibt.

Lassen Sie uns über Mozart sprechen. Da haben Sie einiges zu erzählen, oder?

Oh ja. „Wolfgang Amadeus ich liebe dich Mozart“, so nenne ich ihn. Mozart ist ein ganz zentraler Punkt in meinem Leben, seit bald 15 Jahren, als ich meinen ersten Don Ottavio sang und dann Mozarts Briefe las. Seit 2019 bin ich Intendant der Mozartwoche und seit einigen Jahren auch künstlerischer Leiter der gesamten Stiftung Mozarteum. Und ich glaube, gemeinsam mit dem Team der Stiftung machen wir richtig gute Sachen für Mozart. Es ist ein großer Erfolg, und das freut mich. Es ist wichtig, Risiken einzugehen, sich selbst und seinen Ideen zu trauen, aber dann auch wieder Distanz und Perspektive zu gewinnen. Weil sonst siehst du nur dich. Und du kannst kein Programm für die Stiftung Mozarteum machen, wenn du nur dich im Spiegel siehst.

Ich brauche kein Google Maps, ich frage die Leute auf der Straße, wie ich da und da hinkomme.

Rolando Villazón

Sie sagten mal, dass Sie gar nicht strukturiert sind. Wie geht das bei Ihrem Arbeitspensum?

Ich bin ein kleiner Chaot, was meine Struktur betrifft. Ich bin keiner, der seinen Tag konkret plant. Aber zu Hause esse ich zum Frühstück immer dasselbe. Ich brauche eine flexible Struktur. Gewisse Termine müssen sein, wie etwa Zoom-Meetings. Und ich habe Leute um mich herum, die mir eine Struktur geben. Als Regisseur hast du eine Klavierhauptprobe, da musst du fertig sein.

Als Schriftsteller hast du mehr Flexibilität. Ein Manuskript ist nie fertig, du musst einfach nur zu dir sagen: „Jetzt ist es fertig, basta!“ Zielpunkte sind wichtig für mich. Ich denke jetzt schon über die Mozartwoche 2026 nach. Oder über eine Oper für 2027, das macht mir Spaß. Das ist meine Struktur. In der Kunst ist es gut, Disziplin zu haben. Und das ist auch Struktur. Das Leben ist voll mit Zielpunkten. Ich bin kein Freund von „Carpe diem“. Das ist zu einfach. Du musst viel denken, viele Fragen stellen und viele Antworten finden.

Sie haben kein Smartphone. Wie geht das?

Ich brauche keins. Ich habe Internet, da schaue ich rein, wenn ich aufwache, und abends beantworte ich meine Mails. Ich brauche auch kein Google Maps, ich frage die Leute auf der Straße, wie ich da und da hinkomme. Oft schaue ich dann in verdutzte Gesichter. Mir reichen SMS und Telefonieren. Ich schaue auch kein Netflix. Ich habe ein wundervolles Team um mich herum. Wenn es ein Problem gibt, rufe ich einfach meine Managerin oder andere Personen an.

„Genies haben die Fähigkeit, das Herausragende aus dem Vorangegangenen zu begreifen und zu synthetisieren“, haben Sie mal gegenüber dem BR-Klassik gesagt. „Sie können dem sie umgebenden Zeitgeist ihre Stimme und Form geben und, mehr noch, neue Wege der Konstruktion, neue Verbindungen, neue Resultate schaffen.” Was genau meinten Sie damit?

Es gibt so viele wunderbare zeitgenössische Komponisten, und was sie machen, klingt wie Mozart, ist aber nicht Mozart. Er ging in die Vergangenheit und hat all diese tollen Ideen genommen und fühlte sich von anderen Komponisten inspiriert. Mozart wollte kein revolutionärer Komponist sein. Er fand mit seiner Individualität eine neue Antwort. Mozart wollte einfach der beste Komponist sein, und er wusste, dass er der Beste seiner Zeit war. Er bewunderte Haydn, aber er wusste, dass er selbst etwas ganz Besonderes hat.

Ich habe nicht mehr die Ambition, auf der Karriereleiter immer höher zu klettern. Ich bin da, wo ich bin. Und da bin ich glücklich.

Rolando Villazón

Mozart ist das Ergebnis einer ganzen Geschichte und seiner eigenen Kunst. Der Zeitgeist ist so wichtig. Mozart war die Quelle für all die andere wunderbare Musik. Er hat die Seele der Menschen verstanden. Bei Musik kommen Kunst und Wissenschaft zusammen. Ein Genie ist nicht plötzlich da.

Sind Sie denn ein Genie?

Nein. Wirklich nicht. Ich liebe alles, was ich mache. Ich mache es mit Freude. Ich glaube, ein Genie zu sein, ist ganz schwierig. Ein Genie ist ganz allein für sich im Leben. Man versteht ihn oder sie nicht. Ich bin gern nur bei mir, liebe es aber auch, mit anderen Menschen zusammen etwas zu machen wie bei der Mozartwoche. Ich sehe mich nicht als Genie. Das Genie weiß immer sofort eine Lösung. Ich bin nicht zufrieden mit gewissen Dingen, die ich mache. Aber ich bin eher ein Perfektionist, ohne perfekt zu sein. Denn das ist nicht menschlich. Kritik ist wichtig in unserer Gesellschaft.

Ende des Monats spielen Sie auf dem Rheingau Musik Festival, eines der größten seiner Art in Europa. Was bedeutet Ihnen das?

Es ist immer fantastisch, auf der Bühne zu stehen. Ich will nicht darüber nachdenken, wie groß die Location ist. Ich werde so viele wunderbare Konzerte singen in diesem Jahr. Am Ende geht es darum, eine Brücke zum Publikum zu bauen. Ich habe nicht mehr die Ambition, auf der Karriereleiter immer höher zu klettern. Ich bin da, wo ich bin. Und da bin ich glücklich. Ich habe keinen Traum, den ich mir noch erfüllen muss. Ich freue mich einfach, auf den größten Bühnen der Welt zu singen und weiter das beste Mozart-Programm zu machen. Es ist eine große Verantwortung. Und eine riesige Freude. Ich will weiter mein Bestes für das Werk geben. Und ich hoffe, das Publikum ist weiterhin zufrieden.

Wenn ich zu Hause bin, kann es auch mal sein, dass ich zwei Tage nur im Pyjama bleibe.

Rolando Villazón

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf einer großen Bühne stehen?

Dann verbringe ich am liebsten Zeit mit meiner Frau und meinen Kindern. Und ich lese gern. Ich lese ein Buch pro Woche. Außerdem liebe ich es, privat zu schreiben. Ich spiele auch gern kleine Wortspiele mit meiner Frau in der „New York Times“. Und ich gehe furchtbar gern spazieren. Wenn mich die Leute ansprechen, ist das okay. Ich fahre auch gern U-Bahn. Manchmal lese ich dabei, und manchmal fahre ich ziellos mit der Metro durch Paris. Das ist herrlich. Oder ich trinke ein Bier. Dann kommen mir tolle Ideen.

Letztens habe ich mir eine kleine Zinnfigur gekauft. Und was ich auch noch gern mache: Ich verbringe stundenlang in einer Bücherei. Wenn ich zu Hause bin, kann es auch mal sein, dass ich zwei Tage nur im Pyjama bleibe. Doch insgeheim denke ich dann auch über neue Programme und neue Inspirationen nach und rufe Dirigenten an. Es gibt viel zu planen für die Mozartwoche. Es ist Arbeit, aber sie macht mir Spaß. Ich kann aber auch mal gar nichts machen, dann liege ich einfach faul auf dem Sofa.

Das Gespräch führte Reinhard Franke

Karten für Villazóns Auftritt in Wiesbaden und weitere Infos gibt's hier.