Bei der Veröffentlichung Ihres Albums „Love & Blues in the City“ haben Sie Ihren eigenen Sound als „urbanen Sound“ bezeichnet. Trifft das auch heute noch zu?
Ja, auf jeden Fall. Je reifer ich werde, desto mehr sehe ich die Urbanität als wichtigen Teil meiner Musiksprache. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um die Hektik und die Nervosität, die in einer Metropole vorherrschen, sondern im Gegenteil um deren Abwesenheit. Auch das findet man in einer Stadt. Gleichzeitig liebe ich das pulsierende Leben, die Vielfältigkeit des urbanen Raums, in dem alles möglich scheint und in dem ich mich mit meiner Musik sehr wohlfühle.
Sie nähern sich ihrem 40-Jahre-Berufsjubiläum als Musiker – 1986 haben Sie mit dem Bundeswettbewerb „Jugend jazzt“ Ihren ersten wichtigen Wettbewerb gewonnen. Und vor 18 Jahren haben Sie ihr Debütalbum herausgebracht. Haben Sie rückblickend alles richtig gemacht?
Streng genommen habe ich dieses Jubiläum bereits hinter mir, ich hatte meine ersten öffentlichen Auftritte mit 14 Jahren (lacht). Ich weiß nicht, ob ich alles richtig gemacht habe – aber es gibt auf jeden Fall nichts, was ich bereue. Ich hatte auch nie einen Plan, sondern habe alles immer auf mich zukommen lassen. Was mir bis heute wichtig ist: Ich bin nie einem Trend hinterhergelaufen oder habe mich in meiner eigenen Tonsprache einengen lassen. Zum Glück kommt das bei den Leuten an, und auch bei den Streamingplattformen läuft es ziemlich gut, obwohl die Vergütung in Zukunft höher ausfallen sollte. Insofern bin ich mit meiner Musikerkarriere recht zufrieden.
Musikalisch stecken Sie zwischen Jazz, Soul, Funk und Blues, ohne sich um irgendwelche Schubladen zu kümmern. Wer hat Sie geprägt? Und wer prägt Sie heute noch?
Meine Triebfedern sind Jazz und Blues, daran habe ich nie gerüttelt. Das liegt an verschiedenen Einflüssen. Zunächst war das Radio für mich prägend, das mir in den 1980ern viele Welten geöffnet hat. Ganz wichtig war mein Vater, ein sehr engagierter Hobbytrompeter, der mich schon mit vier Jahren mit seinem Instrument vertraut gemacht und zu all seinen Proben mitgenommen hat. Er hat vor allem Kirchen- und Choralmusik gemacht – und ich glaube, dass mich dieser Klang bis heute prägt.
Ich stelle fest, dass immer mehr junge Musikerinnen und Musiker eher traditionelle Strömungen des Jazz schätzen.
Jeff Cascaro
Den Jazz hat mir eine Schülerband geöffnet, die ein Lehrer betreute. Wir haben in erster Linie Dixie gespielt, was ein bisschen ungewöhnlich war, aber großen Spaß gemacht hat. Gleichzeitig habe ich mit 13 oder 14 mit dem Singen angefangen, im Bundesjazzorchester unter Peter Herbolzheimer konnte ich diese Leidenschaft dann ausleben, und das Netzwerk ist mir bis heute wichtig. Ich hatte großes Glück, als Solist agieren zu können, so wie nach mir Roger Cicero. Heute setzt das Bundesjazzorchester eher auf Ensemblegesang.
Sie schreiben auch selbst immer wieder Stücke. Inwiefern hat sich Ihr Stil über die Jahre gewandelt?
Ich würde darauf gern mit einem einzigen Wort antworten: Reduktion. Die Konzentration auf das Wesentliche und auf das Charaktervolle werten meiner Meinung nach die meisten Stücke extrem auf. Außerdem nehme ich das Imperfekte auf, weil gerade das der Interpretation eine einzigartige Facette verleiht und ich damit viel authentischere Emotionen vermitteln kann. Ich merke bei meinem Publikum immer wieder, dass es einen Künstler will, der im Moment lebt und im Moment singt.
Sie haben mal gesagt: „Als Sänger sollte man immer eine Haltung haben, Position beziehen zum Lied und dessen Inhalt.“ Haltung ist derzeit in vielen Dingen gefragt – wirkt sich das auf Ihre Musik aus?
Ehrlich gesagt gar nicht. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich keine Haltung hätte und mich nicht politisch positionieren könnte – aber ich möchte auf der Bühne nicht agitieren, weil ich der Meinung bin, dass man für eine ernsthafte Diskussion über gewisse Themen mehr Zeit benötigt, als man sie in einem Konzert zur Verfügung hat. Zumindest kann ich das nicht. Es gibt Musiker, die dazu in der Lage sind, zum Beispiel Konstantin Wecker, den ich dafür sehr bewundere.
Die junge Jazzszene in Deutschland ist erstaunlich vielfältig, gleichzeitig kommen durch Sängerinnen wie Laufey vermehrt auch wieder Jugendliche zum Swing und zu den Songs des American Songbooks. Wie sehen Sie als Gesangprofessor mit 25 Jahren Berufserfahrung diese Entwicklung?
Diesen Trend kann ich bestätigen. Auch ich stelle fest, dass immer mehr junge Musikerinnen und Musiker eher traditionelle Strömungen des Jazz schätzen und etwa Titel aus dem Great American Songbook für ein Vorsingen vorbereiten oder in ihr Repertoire aufnehmen. Das finde ich gut, diese Stücke sind nicht ohne Grund zeitlos.
Es gibt viele Künstlerinnen und Künstler, aber leider zu wenige Auftrittsmöglichkeiten.
Jeff Cascaro
Worauf legen Sie bei jungen Sängerinnen und Sängern besonders großen Wert?
Mir ist wichtig, dass sie ihren eigenen Weg gehen. Wir müssen uns nichts vormachen: Sänger ist ein schwieriger Beruf, der mit sehr viel Arbeit verbunden ist und noch mehr Leidenschaft bedarf, um ihn auszufüllen. Ich bin seit 27 Jahren Professor für Gesang und eine der wichtigsten Aufgaben war es für mich immer, meinen Studierenden die Angst zu nehmen, auf die Suche zu gehen.
Ein Problem vieler Musikerinnen und Musiker, vor allem der unbekannteren, ist der Mangel an passenden Bühnen …
Ja, es fehlt an Formaten für den Nachwuchs. Anders gesagt: Es gibt viele Künstlerinnen und Künstler, aber leider zu wenige Auftrittsmöglichkeiten. Man muss sich das natürlich als Veranstalter auch leisten können. Auf Festivals könnte das zum Beispiel funktionieren, aber da haben es deutsche Musikerinnen und Musiker oft überraschend schwer. Ich würde mir wünschen, dass da mehr getan wird.
Beim Mittelrhein Musik Festival werden Sie im Camping Beachclub in Fachbach spielen. Was kann das Publikum erwarten?
Eine spielfreudige, dynamische Band und einen Sänger, der sich schon sehr auf den Abend freut.
Das Gespräch führte Thomas Kölsch
Jeff Cascaro spielt mit Billy Test (Klavier), Christian von Kaphengst (Bass) und Hans Dekker (Schlagzeug) am Donnerstag, 26. Juni, um 19.30 Uhr beim Mittelrhein Musik Festival auf der Wasserbühne in Fachbach an der Lahn. Tickets sowie Infos zu Anfahrt und Parken unter Tel. 0651/979 07 77 oder online.