Achtes Anrechtskonzert
Vom Herzen der Moldau in die klassische Moderne
Julian Steckel spielt von Anfang an klar, voll und warm tönend im achten Anrechtskonzert: Sein Cello singt, entfaltet schier violinistische Melodik, eine wahre Freude ist die Korrespondenz zwischen Orchester und Solist unter dem Dirigat von Benjamin Shwartz.
Arek Glebocki

Osteuropäische Seele trifft auf amerikanische Energie: Das achte Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz erzählt von Tradition und Aufbruch und punktet mit dem starken Cellisten Julian Steckel und einem grandiosen Dirigat von Benjamin Shwartz.

Zwei Werke der Hochromantik aus tschechischen Federn, dazu eines der klassischen Moderne von einem Ungarn: Das Programm des 8. Anrechtskonzerts beim Musik-Institut Koblenz führte am Wochenende nach Osteuropa – landete am Ende indes mit Béla Bartóks Konzert für Orchester Sz 116 biografisch und klanglich quasi in den USA der 1940er.

Die Rheinische Philharmonie unter Benjamin Shwartz eröffnet den Abend mit einer berühmten sinfonischen Dichtung: „Die Moldau“. Deren majestätisches, auf eine selbstbewusste Volksliedmelodie bauendes Hauptthema kann in Tschechien bis heute jedes Kind pfeifen – und könnte wohl auch in der proppevollen Rhein-Mosel-Halle auf jedem Platz mitgesummt werden. Bedrich Smetana schuf das Stück in den 1870ern als Teil seiner Tondichtung „Mein Vaterland“. Zeitlebens war er kompositorisch wie auch kulturpolitisch um die Entwicklung einer die Unabhängigkeit seiner Heimat vom Habsburgerreich fördernden tschechischen Nationalkultur bemüht. 1848 stand Smetana beim Prager Pfingstaufstand gegen die Wiener Vorherrschaft mit auf den Barrikaden.

15 gemütsbewegende Minuten

„Die Moldau“ ist für uns heute eine Viertelstunde schöner, das Gemüt bewegender Musik. Die braucht vor allem zwei Dinge: Das Continuo des wellig dahinströmenden Flusses und einen weiten Atem für die in Musik gegossene Liebe zur Landschaft nebst den Menschen an den Ufern desselben. Die Rheinische lässt die Wasser munter strömen, arbeitet Klänge von fern und nah fein heraus, lässt das Volk tanzen. Passt, gefällt.

Erstauntes Aufmerken beim Einsetzen des Solisten im Folgestück, dem Cellokonzert h-Moll von Smetanas Landsmann Antonín Dvořák. Oft hat man diese Stelle als ruppig-knarzenden, wuchtigen Einstieg des Cellos gehört. Julian Steckel macht das in Koblenz anders. Auch er greift kraftvoll zu, hält sein Spiel indes vom Start weg klar, voll und warm tönend. Sein Cello singt, entfaltet schier violinistische Melodik. Was im weiteren Verlauf des Werkes zu wunderbarer, das Herz bewegender Innerlichkeit in zumeist slawischer Färbung führt. Eine Freude ist die Korrespondenz zwischen Orchester und Solist: Harmonisch fließende Übergaben der Führungsstimmen, sorgsamer Lautstärkeausgleich, intensives Dialogspiel zwischen Steckel und etwa Flöte, Horn, Klarinette.

Wohl abgewogen ist die Balance aus orchestralem Pathos und beseelter Intimität in Antonìn Dvořáks Cellokonzert im achten Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz.
Arek Glebocki

Wie schon bei der Moldau übertreibt es Shwartz diesmal nicht mit den fortissimo aufwallenden Passagen. Wohl abgewogen ist die Balance aus orchestralem Pathos und beseelter Intimität, die Dvořák am Ende eines mehrjährigen USA-Aufenthaltes in dieses Werk geschrieben hat – das von argem Heimweh nach den tschechischen Landen wie von der Trauer um die verstorbene Jugendliebe kündet.

Ebenfalls in den USA entstanden ist Bartóks Konzert für Orchester. Der Komponist war 1940 aus Ungarn vor den Nachstellungen faschistischer Kräfte ins damalige „Land der Freiheit“ geflüchtet. Wie Smetana für Tschechien, so hatte sich Bartók für seine Heimat um die Entwicklung einer eigenen Nationalkultur bemüht, hatte ungarische Bauernlieder gesammelt. Von diesen bezog er auch mannigfache Anregungen zur „Emanzipation von der Alleinherrschaft des bisherigen Dur-Moll-Systems“. Denn der alte Liedschatz war vielfältig geprägt von mittelalterlichen, teils archaischen Tonarten und Rhythmusstrukturen.

Furios im Finale: das Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter der Leitung seines scheidenden Chefdirigenten Benjamin Shwartz.
Arek Glebocki

So manche Spur davon lässt sich im opulenten Mosaik aus unterschiedlichsten Motiven, Melodiestückchen, Klangeffekten, Rhythmusgebilden wiederfinden, das den Koblenzer Abend furios beschließt. Zugleich packte der Komponist jede Menge amerikanisches Flair seiner Zeit in das Werk: Tempo, Atemlosigkeit, kulturelle und soziale Vielgestaltigkeit, ein Hauch von Jazz – es kommt einem der in quirligen Straßen und automatisierter Maschinerie zappelnde Charlie Chaplin aus „Modern Times“ in den Sinn.

Dieses Stück scheint die Möglichkeiten des Orchesters austesten zu wollen. Die Rheinische nimmt die Herausforderung des Kontrastprogramms aus geheimnisvollen Klängen, brachialen Dramatikausbrüchen, sanfter Besinnlichkeit, ausgelassenen Tanzeinschüben, humoristischen Eskapaden mit musikantischer Spielfreude an. Fagotte, Oboen, Klarinetten, Flöten, gestopfte Trompeten und großes Blech dürfen einzeln brillieren, bis der ganze Klangapparat von Shwartz schließlich – verlangt, gewollt, gekonnt – durch ein denkwürdiges, weil wahnwitziges Hochgeschwindigkeitsfinale getrieben wird.

Beim neunten Anrechtskonzert am Freitag, 11. April, um 20 Uhr in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle stehen Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert und Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 6 („Tragische“) auf dem Programm. Solist ist der Klarinettist Daniel Ottensamer, am Pult der Rheinischen Philharmonie steht Benjamin Shwartz. Informationen auch zum Vorverkauf unter www.musik-institut-koblenz.de