Oscar Wildes Komödie "Ernst sein ist alles" feiert bei den Burgfestspielen in Mayen Premiere in der Inszenierung von Carola Söllner
Vergnüglicher Abend in dick überzeichnetem Comicstil
Wie adaptiert man eine englische Salonkomödie am besten in einen Burghof? Die Mayener Produktion der Burgfestspiele hat sich für eine knallig bunte Ausstattung in Comicästhetik entschieden. Foto: Andreas Walz
Andreas Walz

Mayen. Dritte Spielzeit bei den Burgfestspielen Mayen unter der Intendanz von Daniel Ris. Wie in den Vorjahren, so entfällt auch in diesem Sommer eine der beiden großen Abendproduktionen im Innenhof der Genovevaburg aufs Schauspiel, die andere aufs Musiktheater. Letzteres bringt heuer ab dem 29. Juni das Musical „The Rocky Horror Show“, während das Sprechtheater sich seit diesem Wochenende auf einen Komödienklassiker kapriziert: Oscar Wildes „Ernst sein ist wichtig“, hierzulande eher bekannt unter dem Titel „Bunbury“.

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Starker Premierenapplaus

Von den prall gefüllten Zuschauerrängen brandet dem achtköpfigen Ensemble und dem Regieteam um Carola Söllner nach zweieinhalb Stunden stürmischer Applaus entgegen. Unser Urteil indes fällt diesmal nicht ganz so eindeutig aus wie bei den Schauspielproduktionen in den beiden Jahren zuvor. 2017 hatte das Festspielensemble mit einer hochinteressanten, sehr ernsthaften Interpretation von Schillers „Kabale und Liebe“ gute Figur gemacht. 2018 stürzte es mit einer starken, und feinfühlig ausgespielten Inszenierung von Schirachs „Terror“ das Publikum in tiefe Nachdenklichkeit. Legt man das in beiden Fällen erfüllte recht hohe Anspruchsniveau nun an die Mayener Realisierung der Wilde-Komödie, so gibt es manches strittig zu besprechen.

Worum geht‘s im Stück? Um den Londoner Dandy Algernon, der sich einen auf dem Land lebenden, kränkelnden Bruder namens Bunbury erfunden hat, um gelegentlich aus dem Großstadtleben wegzutauchen. Umgekehrt hat Friedensrichter John (Andreas Scheider) sich einen Londoner Fantasiebruder namens Ernst zugelegt, um hie und da der Langeweile auf seinem Landgut zu entfliehen. Als John unter dem Namen Ernst um die Hand der schönen Gwendolen anhält und Algernon sich unter dem Vorwand, Johns Bruder Ernst zu sein, an dessen Mündel Cecily ranmacht, sind die Weichen gestellt für ein Komödienverwirrspiel.

Selbiges nimmt zum Ende hin ordentlich Tempo auf, leidet zu Anfang aber an einigen Längen. Und die rühren daher: Oscar Wilde hat hier keine auf schnurrende Verwechslungsgeschwindigkeit, Türen schlagend aktionsreiche Boulevardkomödie geschrieben, sondern ein vor allem auf Wortwitz bauende Konversationshumoreske. Die spielt in der steifen britischen Oberklasse des viktorianischen Zeitalters. Kurzum: Der Humor des Stückes resultiert eigentlich aus der Fallhöhe zwischen knochentrockenen, standesdünkeligen Gesellschaftsnormen des Viktorianismus einerseits und deren halbseidenen bis allzumenschlichen Brechungen andererseits.

Nun hat Regisseurin Carola Söllner sich aber entschieden, ihre Inszenierung nicht als quasi-realistische Salonkomödie anzulegen, sondern als knallbunten Fantasiecomic, gespielt von krass überzeichneten Kunstfiguren. Der Algeron von Aniello Saggiomo etwa ist ein Dekadenzling, dessen Habitus die Geziertheit aller denkbaren Nymphenstatuen in sich vereint. Die Gwendolen von Eva Patricia Klosowski trippelt im steifen Reifrock wie eine verwöhnte Prinzessin umeinander. Johns Mündel Cecily hat Kostümbildnerin Gabriele Kortmann ein pinkfarbenes Mädchenoutfit verpasst, das Wiebke Isabella Neulist mit einer Rollenmischung aus naiver Barby und kecker Pippi Langstrumpf füllt. Ihre Gouvernante Miss Prism wird bei Annette Potempa zur vergeistigten Geisha.

Feinhumoriger Esprit geht verloren

Knallchargen eher alter Schule geben Dejan Brkic als Gwendolens autoritär auf Standesgemäßheit pochende Mutter sowie Thomas Kollhoff, der mit fabelhaftem Understatement Diener und Pfarrer mimt. Den Comiccharakter der Inszenierung unterstreicht Steven Koops Bühnenbild, das mit Gestängen, Drehscheiben, Aufzug, automatischen Türen und einem elektronischen Theremin-Instrument aus den 1920ern fast ein bisschen an den kybernetischen Kunststil eines Jean Tinguely erinnert. Die Burgfestspiele habe da in summa zwar einen farbenfrohen, weithin auch vergnüglichen Abend hingekriegt – in dessen dick überzeichneter Comic-Künstlichkeit aber doch manches vom feinhumorigen Esprit der Wilde‘schen Vorlage verloren geht.

Informationen unter www.

burgfestspiele-mayen.de

Von unserem Autor
Andreas Pecht