Dass die Möglichkeiten im Leben nur vom eigenen Vorstellungshorizont begrenzt sind: Thomas D kann für diese optimistische Lebenseinstellung so beispielhaft stehen wie wenige andere Künstler. „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ – der klassische amerikanische Traum – verblasst durchaus neben der Laufbahn, die der Rapper der Fantastischen Vier nach seinem Realschulabschluss und einer Friseurlehre hingelegt hat: Mit den Fanta 4 unterwegs ist er seit 1989, hat mit ihnen viele Millionen Tonträger verkauft und den Begriff des deutschen Sprechgesangs mit Sinn und Leben erfüllt. Und das auch allein: Schon 1997 hat er sein erstes Soloalbum herausgebracht und diese Zweigleisigkeit unbeirrt weiterverfolgt.
Für eine besondere Wegschleife seines Solopfads sorgt seit 2019 die Hamburger Band The KBCS, mit der Thomas D. seine Solohits in intimen Studiokonzerten und in Retrosound eingespielt hat („M.A.R.S. Sessions“/„M.A.R.S. Session II“). Am Freitag, 23. August, um 20 Uhr sind Thomas D und The KBCS zum Abschluss des Mittelrhein Musik Festivals zu Gast auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein – wir sprachen mit dem sympathischen Musiker über alte Songs im neuen Gewand und über seine Pläne für die Zeit nach dem „Rumhüpfen auf der Bühne“.
Thomas D, wenn man Ihre großen Solohits wie „Rückenwind“ oder „Vergebung hier ist sie“ in der Neueinspielung mit The KBCS hört, ist man erst einmal geflasht: Das klingt tatsächlich ganz anders, wie eine Zeitreise zurück und doch, als hätte es niemals anders klingen sollen. Wie sind Sie und The KBCS zusammengekommen?
Das muss Schicksal gewesen sein, anders kann ich es mir wirklich nicht erklären. Ich hatte im Sommer 2019 auf meinem Hof in der Eifel eine Mauer zu streichen – eine Arbeit, die ich überhaupt nicht mag. Da hilft nur Musik, und Rock geht bekanntlich immer. Der Schlagzeuglehrer meines Sohnes hatte mir eine Hamburger Band empfohlen. Und dann höre ich diese Musik. Hmm. Das ist kein Rock. Das klingt eher wie Soul. So ein bisschen wie Marvin Gaye, den ich unheimlich liebe. Und ich warte und warte, aber da singt keiner. Keiner da, der der dich nervt, auch kein Rapper: Es war so herrlich entspannt.
Und dann höre ich das nächste Stück und noch eins und kapiere: Die sind eine Instrumentalband! Und da lag natürlich der Gedanke nahe: Oh Gott, wenn ich mit denen was zusammen machen könnte! Ich habe so viele Solostücke über die Jahre gemacht, auch Songs bei den Fantas, die ich solo performt habe – das sind meine Babys, die ich aber nie live aufführe, weil ich keine Band habe. Und diese Stücke bedeuten mir so unendlich viel, weil ich sie für meine Tochter geschrieben habe oder für meine Frau oder für den Planeten, und die werden nie gehört.
Naja, es ist ja nicht so, dass Ihre Soloplatten nicht gehört würden!
Ja klar, die sind auf Platte und sie sind draußen und alles, aber ich habe keine Kontrolle darüber, und ich erlebe es selbst nicht mit, und das ist schade. Und deswegen dachte ich, ich muss mit diesen Jungs so ein „Best of Thomas D.“ umsetzen. Und das hat sofort funktioniert – vom ersten Mal an, das ist so wunderschön. Ich werde davon sehr berührt, weil ich mich in die Situation versetze, in der ich die Lieder geschrieben habe, und so werden aus solchen Gelegenheiten sehr emotionale Konzerte.
Wie sind The KBCS dann ganz praktisch dazugekommen, haben Sie einfach angerufen und gesagt: „Hallo, hier ist Thomas D, ich brauche 'ne Band“?
(Lacht) Nicht ganz. Ich hoffe normalerweise schon, dass Leute sich freuen, wenn ich mich melde. Das tun sie in der Regel auch, aber ich war mir nicht ganz sicher. Denn The KBCS sind so stilsicher, die haben dermaßen ihr eigenes Ding und machen viele eigene Sachen. Wer weiß, ob die überhaupt Bock haben, jetzt noch etwas Neues anzufangen, und ob die mit mir was anfangen können. Ich habe also einen ganz miesen Trick verwendet und dem Bassisten der Band ein Audio geschickt mit einem Avatar von mir. Ich habe mich also ein bisschen hinter dieser Zeichentrickfigur versteckt und gesagt, ich sehe natürlich in echt viel besser aus, aber er könnte es sich jetzt wohl vorstellen: Ich bin Thomas D und ich würde euch gern mal treffen und ein kennenlernen.
Er hat mir geglaubt – wie haben uns getroffen, und es war wirklich ein bisschen Bestimmung oder wie man das nennen möchte. Im Probenraum hat es sofort gepasst, und wir hatten fast sofort auch einen ersten spontanen Auftritt bei einer Ausstellung der Fantastischen Vier im Nachtprogramm im Museum in Stuttgart. Das war so ein toller Moment, dass wir wussten, wir müssen das auch weiterführen.
Aus dem tollen Moment sind mittlerweile zwei Alben geworden, die mit ihrer Detailliebe und einer kompletten Hingabe an analoges Musizieren und Aufnehmen auffallen. Was bedeutet das für Sie?
Ich finde durchaus, dass der Musik, wie sie heute konsumiert wird, oft die Liebe zum Detail fehlt. Ich komme halt aus einer Zeit, wo man auch gern mal ein Gitarrensolo gehört hat und auch ein Keyboard mal einen Leadpart übernehmen konnte und nicht dazu verdammt war, immer nur im Hintergrund zu bleiben. Das macht für mich die Konzerte mit The KBCS auch so besonders, sie gewinnen an Tiefe und an Persönlichkeit und an Emotion, weil alles nicht jeden Abend gleich gespielt wird.
Ich habe zum Beispiel den Luxus, wenn mir mal eine Strophe nicht einfällt oder ich noch keinen Bock habe weiter zu rappen, dann dann spielt der Lars, unser Gitarrist, auch das Solo doppelt so lange, und es ist nicht deswegen langweilig: Es wird noch grandioser. Wenn die Stimmung danach ist, dann spielen die Jungs länger und wenn ich da wieder anfange zu rappen, zack, dann geht es in die zweite Strophe. Das ist einfach toll.
Sie können einerseits dieses Musikmachen genießen und daneben weiter mit den Fanta 4 zusammenarbeiten, mit denen Sie gerade ein neues Album aufgenommen haben und im Dezember auf Tour gehen. Was sind die größten Unterschiede?
Das sind wirklich zwei ganz unterschiedliche Dinge: Mit The KBCS habe ich eine sehr große Performancefreiheit, und das ist bei den Fantas natürlich nicht gegeben. Da spielen wir zum Klick – zum Rechner von Andi. Wir haben auch bei den Fantas grandiose Livemusiker, aber viele der Sounds kommen aus dem Rechner, und das legt uns natürlich eng an eine Timeline. Und das ist ja auch etwas Feines: Das macht das Konzert sehr unterhaltsam, kurzweilig und hat ein hohes Tempo. Aber mit The KBCS kann ich eben genau das Gegenteil erreichen und entschleunigen.
Was bringt Ihnen diese Entschleunigung?
Ich kann so besser meine Geschichten erzählen, die mich schon so lange begleiten. Als ich den Song „Neophyta“ für meine Tochter geschrieben habe, war sie sechs, und ich habe mir vorgestellt, dass sie mich einmal verlassen wird, weil Kinder eben groß werden. Heute ist sie 21, aber der Song ist eigentlich nicht alt geworden und bleibt wahr, weil es im Leben immer um die große Lektion geht, zu lieben und doch loszulassen. Und solche Sachen erzähle ich eben gern ein bisschen ausführlicher.
Zum Schluss bitte noch ein Blick in die Zukunft: Was fehlt noch?
Naja, es kommen immer mal Verlage um die Ecke und sagen: „Schreib doch mal ein Buch!“ Aber ich bin der Meinung, meine Kunst wirkt am besten, wenn man sie hört und wenn sie zur Musik performt wird. Da habe ich meinen Platz gefunden. Was ich mir vorstellen könnte: Ich versuche gerade, Gitarre zu lernen. Wenn ich mich also irgendwann auf der Akustikgitarre begleiten kann, dann nehme ich auch noch Gesangsunterricht und könnte ich mir vorstellen, dass dann in zehn Jahren so ein Liedermacher Thomas D an der Bar sitzt, die Gitarre rausholt und Geschichten aus seinem Leben erzählt. Das wäre ein Ziel für die Zeit, wenn ich zu alt sein werde zum Rappen und wenn es zu anstrengend wird, auf der Bühne herumzuhüpfen.
Weitere Infos
Tickets für das Konzert von Thomas D und The KBCS für den Freitag, 23. August, um 20 Uhr auf der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein gibt es unter anderem unter Tel. 0651/979 07 77 sowie online unter www.mittelrheinmusik.de. Das neue Album der Fantastischen Vier mit dem Titel “Long Player" erscheint am 4. Oktober.