Es hat doch nicht geklappt: Obwohl die Sanierung in ihren meisten Teilen gut im Zeitplan liegt, kann der Spielbetrieb nicht wie vorgesehen Ende Oktober ins Große Haus des Theaters Koblenz zurückkehren. Unvorhergesehene Herausforderungen bei Brandschutz und Statik, so die Bauleitung, sind im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass der Hauptspielbetrieb eine Saison länger als geplant in der Ausweichspielstätte Theaterzelt auf der Festung Ehrenbreitstein verbleiben muss.
Dabei hatte alles über Jahre hinweg wie am Schnürchen funktioniert – und beinahe hätte sich das Theater Koblenz einen Platz in der aktuellen bundesdeutschen Baugeschichte gesichert: Seit 2017 wird der Gebäudekomplex rund um das 1787 eröffnete Große Haus saniert, Stück für Stück, zuerst Sommer für Sommer, seit vergangenem Jahr dann intensiv inklusive Schließung des Großen Hauses und Umzug des Spielbetriebs ins Zelt. Doch auf den letzten Metern haben sich die Verantwortlichen entschlossen, den ambitionierten Zeitplan aufzugeben.

„Es ist für uns tatsächlich ein bisschen ambivalent“, beginnt Kulturdezernent Ingo Schneider die Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Umplanung: „Denn wir könnten jetzt anfangen damit, dass sehr, sehr, sehr viel besser läuft und sogar kostengünstiger als erwartet. Die Zusammenarbeit auf dieser komplexen Baustelle ist sehr konstruktiv, und es gibt Dinge, die richtig gut laufen, bei denen man es nicht erwartet hätte.“ Doch dann lässt Schneider das „große Aber“ aus dem Sack: „Wir werden den Zeitrahmen verlängern müssen, und zwar so, dass wir ein Jahr weiter im Zelt werden spielen müssen.“
Eines sei von vornherein klar gewesen: Es gibt in Bezug auf den Spielzeitbeginn nur hopp oder topp: „Wir können nicht teilweise oder mitten in der Spielzeit ins Große Haus einziehen.“ Deswegen lautete die Frage: Kann man ab Oktober im Großen Haus spielen? Sollte dies nicht sicher sein, sei die einzige Möglichkeit: Dann geht es erst ein Jahr später.
Kombination mehrerer Faktoren
Den Ausschlag habe schließlich nicht ein einziger Punkt gegeben. Verantwortlich sei vielmehr die Kombination mehrerer Faktoren, die nicht vorhersehbar gewesen seien. So habe eine Entscheidung getroffen werden müssen – und dies habe man nicht mit leichtem Herzen getan.
Der Koblenzer Baudezernent Andreas Lukas führte die Punkte auf, die schließlich zur Verschiebung der Planungen und zur Verlängerung der Zeltnutzung auf der Festung Ehrenbreitstein führten: „Da ist einmal der Brandschutz. Wir haben beim Aufmachen der Wand zum Hotel Trierer Hof neben dem Theater festgestellt, dass die Brandwand fehlt. Als wir die Wand öffneten, standen wir quasi im Hotelzimmer.“ Diese Brandwand muss nun über dreieinhalb Geschosse nachgerüstet werden, was weder vom baulichen noch vom finanziellen Aufwand mit 100.000 Euro her eine „große Hausnummer“ sei, aber eben doch Zeit koste.
Mehr Kosten, mehr Zeitaufwand
Dem Brandschutz muss außerdem bei der Portalwand des Eisernen Vorhangs Genüge getan werden, der den Bühnen- vom Zuschauerraum trennt: Hier muss so nachgerüstet werden, dass die Gesamtkonstruktion im Brandfall 90 Minuten lang dem Feuer standhalten kann. Auch das sei vergleichsweise einfach machbar – bei veranschlagten Kosten von 375.000 Euro. Aber allein das Errichten eines Gerüsts und alle folgenden Arbeiten kosteten eben auch unerwartete Zeit.
Als zweiten Punkt der Herausforderungen nannte Lukas die problematische Statik in den Betriebsgebäuden in der Clemensstraße: Dort ist das Holzgebälk teilweise so morsch, dass es mit einer Stahlträgerwand und neuen Holzträgern nachgerüstet werden muss. Diese unvorhergesehenen Mehrbelastungen belaufen sich auf 700.000 Euro – durch die anfallende längere Miete für das Theaterzelt auf der Festung und weitere Mehrkosten fallen insgesamt zusätzliche 3,5 Millionen Euro an. Allerdings, so seine gute Nachricht: Da viele Arbeiten bislang in einem teils wesentlich kostengünstigeren Rahmen als geplant hätten gehalten werden können, soll der vom Stadtrat genehmigte Gesamtrahmen von 37 Millionen Euro für die Sanierung nicht überschritten werden.

Als Hausherr muss der Koblenzer Intendant Markus Dietze jetzt mit der neuen Situation klarkommen. Für ihn sei die wichtigste Risikoabwägung in den vergangenen Wochen gewesen: „Wie hoch ist das Risiko, dass wir am 22. Oktober vor einer ,Rheingold’-Premiere stehen und die Menschen nichts in Große Haus können? Das können wir nicht im Juli oder August entscheiden, wir wollten das zu einem Zeitpunkt tun, an dem wir vernünftig planen können. Jetzt können wir alle rechtzeitig informieren.“ Nun hat er die Sicherheit – und eine „auch bundesweit beachtete sehr schöne Interimsspielstätte“.
Wichtig für Dietze: „Wir haben ja nicht eine Bauverzögerung von einem Jahr vor uns, wir reden eventuell von drei bis höchstens sechs Monaten. Das gibt uns die Chance, in Ruhe ins Große Haus zurückzuziehen und die sehr komplexe, komplett erneuerte Ton- und Bühnentechnik einzubauen und hochzufahren.“ Das habe den Vorteil, dass man für die Spielzeit 2026/2027 dann auch sichergehen könne, dass alles funktioniert. Für die nächste Spielzeit befindet sich Dietze derzeit in den nötigen Umplanungen, aber: „Es wird nicht so viele Veränderungen geben, wie man vielleicht beim ersten Gedanken befürchten würde. Wir können sehr weite Teile des Spielplans realisieren. Auch weil wir die Entscheidung jetzt so früh getroffen haben, dass es noch kein fertiges Konzept oder Bühnenbild gibt, das nicht mehr verändert werden könnte.“
Außerdem sollten die Änderungen klein ausfallen, weil selbst in Sachen Musiktheater das Zelt viel mehr könne, als sich die Theaterleute erträumt hätten – etwa, was den zur Verfügung stehenden Platz für das Orchester oder insgesamt die Qualität des Zuschauererlebnisses angehe. Spätestens Ende Mai sollen alle Umplanungen abgeschlossen sein.