Daniel Raiskin kehrt als Gastdirigent zum Musik-Institut Koblenz zurück - Benedict Kloeckner gibt ein intensives Anrechtskonzert-Debüt
Teamplayer von hohen Gnaden
Virtuos und interpretatorisch intensiv: der Cellist Benedict Kloeckner
Thomas Frey

Koblenz. Schwermut und Schicksalhaftigkeit, Pathos und bisweilen volkstümlich schäumende Tanzlust: russisches Programm beim dritten Anrechtskonzert des Musik-Instituts Koblenz.

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Von unserem Autor Andreas Pecht

Daniel Raiskin, vormals über zehn Jahre Chefdirigent des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie, hat es quasi aus seinem Herkunftsland mitgebracht. Herzlich wird er als alter Bekannter vom Publikum in der Rhein-Mosel-Halle zum Gastdirigat begrüßt. Und unverkennbar sind Raiskin und auch der Koblenzer Klangkörper noch immer vertraut miteinander.Neben dem russischen Bezug könnte als Motto über diesem Abend auch „Schüler und Lehrer“ stehen. Der erste und jüngste von drei vertretenen Komponisten ist Mieczyslaw Weinberg. Hierzulande nicht so bekannt, gilt der 1996 verstorbene russische Musiker polnisch-jüdischer Herkunft doch als der beste Schüler von Dimitri Schostakowitsch. Dass Letzterer mit einem gewichtigen Werk, seinem Cellokonzert Nr. 1, im Zentrum des Programms stehen würde, war von vornherein klar. Denn die Pflege dieses bedeutendsten Vertreters der klassischen russischen Moderne war und ist Raiskin stets eine Herzensangelegenheit.

Das Konzert schließt mit der 5. Sinfonie des Ältesten im Trio: Alexander Glasunow. Dessen Verwebung westlicher, nicht zuletzt Wagner‘scher Romantik mit russischen Folkloreanklängen ist einfach großartige Musik. Klar strukturiert, fest in der tradierten Harmonienwelt verankert, beginnt die Komposition mit ausgreifender Schwermut und endet im letzten Satz nach rasanter Steigerung in einem bombastischen Schluss. Dazwischen ein hübsches Scherzo, dessen Atmosphäre drei herrlich keck aufspielende Flötistinnen vorgeben. Dazwischen auch ein Andante, das einfühlsam musiziert wird, dessen kompositorische Anlage heute aber durchaus als schmusig vorhersehbare Gefälligkeit empfunden werden kann.

Festzuhalten bleibt: Das Orchester besticht unter Raiskin durch eine vielfarbig einfühlsame, kräftig konturierte Zeichnung der diversen Temperamente in den russischen Klangwelten. Das hört man gleich zu Anfang in Weinbergs Rhapsodie über moldawische Themen. Sie changiert zwischen besinnlichem Schwingen, momenthafter Intimität und raffiniert treibenden Rhythmen bis hin zum Furioso aus schierem Balkanrock.

Solches Einfühlen ist besonders gefordert – und wird hier auch geliefert – beim Cellokonzert von Schostakowitsch. Der 1865 geborene Glasunow war ein früher Förderer des rund 40 Jahre jüngeren Schostakowitsch. Obwohl Glasunow dessen Musik „schrecklich“ fand, konstatierte er: „Aber das ist unwichtig. Die Zukunft gehört nicht mir, sondern diesem Jungen.“ Was man auch über den 30-jährigen Instrumentalisten sagen möchte, der den Solopart im Cellokonzert übernimmt. Benedict Kloeckner ist ein mittelrheinisches Gewächs. Wie der neun Jahre ältere Westerwälder Martin Stadtfeld im pianistischen Fach, so hat es auch der Neuwieder Benedict Kloeckner als Cellist auf die große Weltbühne geschafft.

Zu recht, wie seine Umsetzung des für Ausführende wie Zuhörer anspruchsvollen Schostakowitsch-Konzerts zeigt. Dass ein international derart gefragter Cellist technisch virtuos spielen kann, liegt auf der Hand. Und tatsächlich macht seine Fingerfertigkeit nicht zuletzt bei mehrstimmigem Solospiel staunen. Was aber noch mehr beeindruckt und erfreut, ist die interpretatorische Reife Kloeckners. Neben der innigen bis treffend ruppigen Aufbereitung etwa der mehrminütigen Solokadenz zu einer Art musikalischem Tragikpoem intensivster Güte verblassen einige Momente des Ringens im Schlusssatz völlig. Im Zusammenspiel mit der Rheinischen Philharmonie erweist sich: Da sind reihum Teamplayer von hohen Gnaden am Werk. Kloeckner hat Raiskin im Blick, Raiskin Kloeckner und das Orchester beide zusammen. Starker Beifall und Bravorufe honorieren eine dem schwierigen Werk dienende Gemeinschaftsleistung.